07.03.2017

Extraharter Wackelpudding

Hydrogel wird dank Biomineralisation zu glasartigem Material.

Jörg Tiller und Nicolas Rauner von der Fakultät Bio- und Chemie­ingenieur­wesen der TU Dortmund haben ein Gel entwickelt, das zwar aus bis zu 90 Prozent Wasser besteht, aber trotzdem ultra­steif und extrem zäh ist. In Zukunft könnte das neue Material als druck­stabile Trenn­membran in der Mehrwasser­entsalzung oder als hoch­poröses Elektroden­material für Batterien oder Brennstoff­zellen zum Einsatz kommen.

Abb.: Das Hydrogel zeigt auch bei längerer Belastung keine Verformung. (Bild: N. Rauner et al.)

Bei der Entwicklung des Biomaterials haben sich Jörg Tiller und Doktorand Nicolas Rauner von der Natur inspirieren lassen – genauer gesagt, von der Bio­mineralisation, einem der faszinierendsten biochemischen Prozesse. Biomineralien kommen in Zähnen und Knochen, in Schnecken­häusern, Muschel­schalen und Krabben­panzern oder in Kiesel­algen vor. Ihre extrem feinen Strukturen, ihr ausgefeilter Aufbau und ihre besonderen Eigenschaften liefern immer wieder Ansatzpunkte für die Entwicklung künstlicher Werkstoffe.

Ein solcher künstlicher Werkstoff ist das Hydrogel, das Jörg Tiller und Nicolas Rauner entwickelt haben. Was kann ihr Hydrogel, was andere nicht können? Ein Hydrogel ist zunächst einmal ein in Wasser gequollenes polymeres Netzwerk, ein Material, das eigentlich fast nur aus Wasser besteht. Ein aus dem Alltag bekanntes Hydrogel ist die Götterspeise. Nun ist die Götter­speise nicht umsonst auch als „Wackel­pudding“ bekannt: Denn sie ist weder steif noch zäh, mit dem Löffel kann man sie leicht abtrennen.

Hier setzt die Forschung von Tiller und Rauner an: Ihr Ziel war es, ein künstliches Hydrogel zu entwickeln, das ultrasteif und zugleich sehr zäh ist. Steife Hydrogele gibt es bisher nicht. Durch eine besondere Nano­struktur haben die Forscher es jetzt geschafft, aus einem „Wackel­pudding“ ein glasartiges Material zu machen, das hauptsächlich aus Wasser besteht, sich nur mit Kraft verbiegen lässt und dabei noch stark dehnbar ist. So kann es großem Druck stand­halten, ohne zu brechen.

Dass das neue Hydrogel diese beiden wertvollen Eigenschaften vereint, liegt an seiner besonderen Struktur, die durch Bio­mineralisation erzielt wird: Enzyme, genauer gesagt Phosphatasen, liegen extrem fein verteilt im Material vor. Sie sind die Katalysatoren, die den Struktur­bildungs­prozess auslösen, bei dem die Mineralisation direkt im Material geschieht. So entsteht eine feste und wohl­geordnete Kalzium­phosphat-Nano­struktur, die ein stabiles Netzwerk bildet und für die besonderen Eigenschaften verantwortlich ist.

Die aufwändige Aufklärung der Strukturen gelang dabei Monika Meuris, Expertin für Elektronen­mikroskopie am Zentrum für Elektronen­mikroskopie und Material­forschung (ZEMM) der TU Dortmund. In Zukunft wollen die Forscher diese neue Art der Material­herstellung für den Nachbau natürlicher Verbund­materialien wie Muscheln oder Knochen nutzen.

TU Dortmund / DE

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