11.01.2017

Extrakurze Elektronenkanone

Direkte Laserbeschleunigung erzeugt ultrakurze relativistische Elektronenpulse.

Eine gezielte und direkte Beschleunigung von Elektronen in extrem starken Laser­feldern würde es ermöglichen, neuartige, ultra­kompakte Beschleuniger zu realisieren. Um dieses Ziel zu erreichen, muss man jedoch die intrinsische Bewegung von Elektronen im elektro­magnetischen Wechsel­feld eines Laser­pulses gleich­richten und vom Feld entkoppeln. Diese grundlegende Heraus­forderung wird weltweit intensiv erforscht. In Experimenten am Max-Born-Institut ist es nun Forschern gelungen, ein Konzept der direkten Laser­beschleunigung zu realisieren und theoretisch im Detail nach­zuvollziehen.

Abb.: Schematische Darstellung der direkten Elektronenbeschleunigung im Laserfeld (Bild: MBI)

Dieses Konzept eröffnet die Möglichkeit, relativistische und ultra­kurze Elektronen­pulse auf extrem kleinen Beschleunigungs­distanzen unterhalb eines Millimeters zu erzeugen. Solche Elektronen und darauf basierende Röntgen­quellen haben vielfältige Anwendungs­gebiete in der Spektro­skopie und Struktur­analyse, in medizinisch-biologischer Forschung und für die Nanotechnologie.

Wie Elektronen in sehr starken Laserfeldern zu relativistischen Energien beschleunigt werden können, berührt eine grund­legende Frage der Physik der Licht-Materie-Wechsel­wirkung. Zwar wird ein freies, ruhendes Elektron von den elektrischen und magnetischen Feldern eines Laser­pulses zu Oszillationen mit extrem hohen Geschwindigkeiten getrieben, aber mit dem Abklingen des Lichtfeldes kommt das Elektron wieder zu Ruhe und ein netto Energie­übertrag durch die direkte Beschleunigung in einem Laserfeld findet nicht statt. Dieses grund­legende Prinzip, das gerne in Physik­prüfungen diskutiert wird, ist jedoch an bestimmte Voraussetzungen der räumlichen Ausdehnung und Intensität des Laserpulses gebunden. Falls aber diese Voraussetzungen verletzt werden, z.B. durch Fokussierung des Lasers oder die Anwesenheit von starken elektro­statischen Feldern in einem Plasma, lassen sich Elektronen durch die Wechsel­wirkung mit einem Laserpuls tatsächlich beschleunigen.

Weltweit widmen sich viele Forschungs­gruppen derzeit der Frage, mit welcher Geschwindigkeit sich Elektronen aus einem extrem starken Laserfeld extrahieren lassen und wie man mit ultrakurzen Laserpulsen entsprechend kurze Elektronen­pulse hoher Ladungs­dichte erzeugen kann.

In einem Lichtfeld mit „relativistischer" Intensität (I> 1018 W/cm2), oszillieren die Elektronen mit Geschwindigkeiten nahe der Licht­geschwindigkeit und ihre kinetische Energie liegt im Bereich von Mega­elektronen­volt bis Giga­elelektronen­volt (GeV bei I> 1022 W/cm2). Diese starken Licht­felder erreicht man durch die Fokussierung von sehr kurzen Laser­pulsen mit hohen Puls­energien auf Raum­bereiche von einigen Mikro­metern. Die dadurch entstehende räumliche Intensitäts­verteilung ermöglicht bereits eine Beschleunigung von Elektronen zu hohen kinetischen Energien.

Das Prinzip ist als „ponderomotive" Beschleunigung bekannt und stellt einen elementaren Prozess bei der Wechselwirkung von starken Lichtfeldern und Materie dar. Verschiedene theoretische Studien haben vorhergesagt, dass sichdarüber hinaus die Anzahl und Energie der Elektronen durch eine zusätzliche direkte Beschleunigung im Laserfeld deutlich steigern lässt – aber nur, wenn die Elektronen-Licht-Wechselwirkung gezielt unterbrochen wird. Diese Überlegungen waren der Ausgangs­punkt für die Experimente von Julia Braenzel und ihren Kollegen am Max-Born-Institut.

In den Experimenten am MBI entkoppelten die Forscher die Elektronen von dem Lichtpuls zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt mittels einer für das Laserlicht undurch­lässigen Separator-Folie. Dadurch lässt sich die Zahl an Elektronen mit hohen Geschwindigkeiten erhöhen. Mit einem 70-Terawatt-Titan-Saphir-Laser (2 Joule bei 35 Femtosekunden) und 30 bis 100 Nanometer dünnen Targetfolien aus PVF-Kunststoff konnten sie so rund 109 Elektronen mit kinetischen Energien im MeV-Bereich erzeugen, die durch die pondero­motive Kraft in die Ausbreitungs­richtung des Lasers emittiert wurden. Während der eigentlichen Wechselwirkung befindet sich die Folie in einem fast vollionisierten Zustand, ist also zu einem Plasma geworden.

Für hinreichend geringe Foliendicken unter 100 Nanometern kann ein Teil des Laser­lichts dieses Plasma passieren. Dadurch werden die hinter der Folie bereits emittierten Elektronen von dem trans­mittierten Lichtpuls überholt. Quasi intrinsisch synchronisiert werden die „langsamen" Elektronen in das trans­mittierte, immer noch relativistische Laserfeld (<8 × 1018W/cm2) injiziert. Wird nun eine zweite dünne Folie als Separator in einem geeigneten Abstand hinter der ersten Folie platziert, kann man eine Verstärkung des Elektronen­signals in einem ganz bestimmten Energie­bereich feststellen. Die Separator-Folie ist undurchlässig für das transmittierte Laserlicht, aber durchlässig für die schnellen Elektronen, daher lassen sich die Elektronen vom Lichtfeld entkoppeln. Der Zeitpunkt, an dem die Wechsel­wirkung der Elektronen mit dem transmittierten Laserpuls unterbrochen wird, ist durch den Abstand zwischen den Folien vorgegeben.

Die in der Gruppe von Matthias Schnürer durchgeführten Experimente zeigen, dass die Verstärkung des Elektronen­signals bei einem ganz bestimmten Abstand maximal wird und für sehr große Abstände gänzlich verschwindet. Das theoretische Konzept, Elektronen durch eine rechtzeitige Entkopplung vom Laserpuls nach erfolgter Beschleunigung auf hohen kinetischen Energien zu belassen, wurde durch zahlreiche Mess­reihen und numerische Simulationen bestätigt. Die Experimente und das analytische Modell zeigen, wie langsame Elektronen mit kinetischen Energien unter 100 Kilo­elektronen­volt durch die Anwesenheit der zweiten Folie auf etwa eine Größenordnung höhere Energie beschleunigt werden. Dieser Effekt führt zu einer Verdichtung der Elektronen in einem engen Energie­bereich. Anders als bei der Kiel­wellen­beschleunigung, mit der bereits die Erzeugung von GeV-Elektronen mit einer laser­getriebenen Plasma­welle funktionierte, lässt sich die direkte Laser­beschleunigung zu sehr hohen Laser­intensitäten und Plasma­dichten skalieren. Neben grund­legenden physikalischen Einsichten ergeben sich daher auf der Basis dieses Konzeptes auch zukünftige Anwendungen im Bereich laser­basierter Quellen relativistischer Elektronen.

MBI / DE

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