Exzentrischer Millisekunden-Pulsar
Bei der Suche nach Pulsaren in der galaktischen Ebene ist ein internationales Forscherteam auf ein Objekt gestoßen, das im Widerspruch zum derzeitigen Entstehungsmodell steht.
Bei der Suche nach Pulsaren in der galaktischen Ebene ist ein internationales Forscherteam auf ein Objekt gestoßen, das im Widerspruch zum derzeitigen Entstehungsmodell für die schnell rotierenden Sternenleichen steht. Der Pulsar besitzt eine Rotationsperiode von 2,15 Millisekunden und bewegt sich auf einer stark exzentrischen Umlaufbahn um einen Stern mit etwa einer Sonnenmasse. Alle anderen Millisekunden-Pulsare in der Milchstraßenscheibe bewegen sich dagegen auf Kreisbahnen um Weiße Zwergsterne. Das Team berichtet in der Online-Ausgabe von "Science" über die Entdeckung und diskutiert mehrere Entstehungsszenarien für das aus dem Rahmen fallende Objekt.
Pulsare sind schnell rotierende Neutronensterne, die entlang ihrer magnetischen Dipolachse Synchrotronstrahlung aussenden. Da die Rotationsachse und die magnetische Achse gegeneinander gekippt sind, schwenkt der Strahlungskegel ähnlich wie bei einem Leuchtturm durchs All. Bei geeigneter Lage trifft die Strahlung dann in regelmäßigen Abständen, die gerade der Rotationsperiode des Pulsars entsprechen, auf die Erde.
Von den rund 1600 Pulsaren in der Scheibe der Milchstraße sind rund fünf Prozent Millisekunden-Pulsare, ihre Rotationsperiode liegt also im Bereich von einer bis zu zehn Millisekunden. Das Standard-Modell der Astronomen erklärt die extrem schnelle Rotation dieser Objekte durch den Materietransfer von einem zweiten Stern. Dieser Materietransfer dauert mehrere hundert Millionen Jahre und führt zugleich dazu, dass jeder ursprünglich exzentrische Orbit durch Gezeitenkräfte kreisförmig wird.
Abb.: Massentransfer von einem normalen Stern auf einen extrem kompakten Neutronenstern. Bei dem Transfer wird auch Drehimpuls übertragen, dadurch beschleunigt sich die Rotation des Neutronensterns. (Quelle: Nasa)
Woher also kommt die exzentrische Umlaufbahn bei dem von David Champion von der McGill University in Montreal, Kanada, und seinen Kollegen aus den USA, Australien, China, den Niederlanden, Frankreich und Deutschland bei ihrer Pulsar-Suche mit dem 300-Meter-Radioteleskop von Arecibo entdeckten Millisekunden-Pulsar PSR J1903+0327? Die Astrophysiker schlagen im Wesentlichen zwei Modelle vor. Im ersten Modell stammt der Pulsar ursprünglich aus einem Kugelsternhaufen. Dort kann die Entwicklungsgeschichte aufgrund der höheren Sterndichte völlig anders verlaufen. So kann die Begegnung mit einem dritten Stern einerseits die Umlaufbahn des Neutronensterns deformieren, andererseits zu einem "Tausch" des Weißen Zwergs gegen einen sonnenähnlichen Stern führen.
Im zweiten Modell gehört der Neutronenstern zu einem Dreifachsystem. Er bildet zunächst mit einem Weißen Zwerg einen normalen Millisekunden-Pulsar auf einer Kreisbahn, die dann jedoch durch den gravitativen Einfluss des dritten, sonnenähnlichen Sterns gestört wird.
Beide Modelle haben allerdings ihre Probleme, wie Edward van den Heuvel von der Universität Amsterdam in einem begleitenden "Perspective"-Artikel diskutiert. Während für das erste Modell die Wahrscheinlichkeit mit etwa zehn Prozent relativ gering ist, kann das zweite die ungewöhnlich hohe Masse des Pulsar - sie liegt bei 1,74 Sonnenmassen und damit 30 Prozent über dem typischen Wert - nicht erklären.
Van den Heuvel schlägt deshalb ein weiteres Szenario vor, das ebenfalls zunächst von einem Dreifach-System ausgeht. Der Energieverlust durch Gravitationswellen führt in diesem Modell aber zu einer Kollision von Neutronenstern und Weißem Zwerg und erklärt so die hohe Masse des resultierenden Pulsars. Extrem genaue Langzeitbeobachtungen sollen nun zu einer genaueren Bestimmung der Bahnparameter und damit möglicherweise auch zum Nachweis eines dritten Sterns in dem System führen.
Rainer Kayser
Weitere Infos:
- Originalarbeit: "An Eccentric Binary Millisecond Pulsar in the Galactic Plane", D. J. Champion et al., Science Express, DOI:10.1126/science.1157580
- Perspective-Artikel: "An Eccentric Pulsar: Result of a Threesome?", E. P. J. van den Heuvel, Science Express, DOI:10.1126/science.1158738
- "A new class of radio pulsars", M. A. Alpar et al., Nature 300, 728 (1982)
- "Rotation and Accretion Powered Pulsars", P. Gosh, World Scientific, London/Singapur (2007)
- McGill University, Montreal:
http://www.mcgill.ca/
- Universität Amsterdam:
http://www.english.uva.nl/
- Arecibo Observatory:
http://www.naic.edu/