Farbladungen mit photonischen Chips modellieren
Dreidimensionale Holonomie ermöglicht die Simulation von Farbladungen.
Seit den 1970er Jahren wurde mit Teilchenbeschleunigern nach und nach ein regelrechter Teilchenzoo von Elementarteilchen untersucht. Darin finden sich unter anderem Quarks, die sich von anderen Teilchen durch ihre seltsamen Eigenschaften unterscheiden, die gänzlich eigenen Gesetzmäßigkeiten unterliegen und in keiner anderen Form von Materie wieder zu finden sind. „Das Ungewöhnliche an Quarks ist, dass sie neben der elektrischen Ladung auch eine Farbladung besitzen, von der es nicht nur eine, sondern gleich drei Sorten gibt: rot, grün und blau“, sagt Stefan Scheel von der Arbeitsgruppe Quantenoptik makroskopischer Systeme der Universität Rostock.
Genau diese Farbladung ist es, die eine direkte Beobachtung von Quarks in ihrem natürlichen Umfeld so schwierig macht. Dem Rostocker Team ist es nun gelungen, die grundlegenden Symmetrieeigenschaften der Quarks mit Hilfe von Licht nachzubilden. Alexander Szameit, Gruppenleiter der Arbeitsgruppe Experimentelle Festkörperoptik, erklärt den experimentellen Ansatz: „Wir nutzen ultraintensive Laser, um in einem unscheinbaren Stück Glas einen Schaltkreis für Licht entstehen zu lassen. In einem solchen photonischen Chip lassen sich dann hochkomplexe Phänomene modellieren, beispielsweise die Farbladung von Quarks.“
Um die drei Farbladungen zu simulieren, griffen die Rostocker in die Trickkiste der Quantenoptik: Photonen zeichnen sich nicht nur dadurch aus, dass sie sich an mehreren Orten gleichzeitig aufhalten können – es können auch mehrere von ihnen zur gleichen Zeit am selben Ort sein. „Durch diese Eigenschaft können wir Holonomien erzeugen, indem wir Photonen durch den photonischen Chip schicken. Solche Holonomien haben äußerst spannende Eigenschaften. Zum Beispiel hängen sie überhaupt nicht von der Zeit ab“, erklärt Vera Neef, die sich in ihrer Doktorarbeit mit Quantenoptik befasst. Julien Pinske, Doktorand der theoretischen Physik, ergänzt: „Um nun die drei Farbladungen zu simulieren, haben wir eine dreidimensionale Holonomie erzeugt, was bisher nur in solchen künstlich erzeugten Licht-Systemen möglich ist. Das ist nichts, was in unserer Alltagserfahrung vorkommt.“
Von ihrer weltweit ersten experimentellen Realisierung eines solchen Effekts erhoffen sich die Forschenden tiefere Einblicke in die faszinierende Welt der roten, grünen und blauen Quarks-Teilchen. Jenseits der Grundlagenforschung versprechen die so gewonnenen Erkenntnisse wesentliche Verbesserungen im Bereich der Quantentechnologien, insbesondere bei einer neuen Generation von Quantencomputern, die weitaus stabiler laufen als ihre Vorgänger.
TU Wien / JOL