20.09.2021

Fasern machen chaotische Turbulenzen berechenbarer

Experimentelle Methode ermöglicht genauere Analysen der Bewegungen von Turbulenzen in Flüssigkeiten.

Turbulenzen gehören zu den wichtigsten und gleich­zeitig zu den am wenigsten verstandenen Phänomenen der Natur. Überall, wo sich Flüssig­keiten und Gase bewegen, bestimmen Hierarchien von Wirbeln, wie sich die Energie ausbreitet und lokal auswirkt. Die Grenzen der heutigen Vorhersage­modelle werden zu einem großen Teil durch das begrenzte Verständnis der Turbulenzen und ihrer Zusammen­hänge gesetzt. Forscher der ETH Zürich haben jetzt mit Partnern anderer Forschungs­institutionen ein neuartiges experi­mentelles Verfahren entwickelt, um die Energien von Wirbeln in Flüssig­keiten über die ganze Skalen­breite von wenigen Millimetern bis zu Hunderten von Metern viel genauer und vor allem auch einfacher zu erfassen. Die Methode macht den Weg frei für wesentlich bessere Vorher­sagen und hat das Potenzial mitzuhelfen, unser Verständnis der chaotischen Bewegungen auf eine nächste Stufe zu heben.

Abb.: Mit der neuen Methode reicht es, die Be­we­gungen von wenigen starren...
Abb.: Mit der neuen Methode reicht es, die Be­we­gungen von wenigen starren Fasern zu ver­folgen, um die ge­samte Dyna­mik von Wirbeln er­fassen zu können. (Bild: Holzner Lab)

Markus Holzner und Stefano Brizzolara haben dafür das Problem der Turbulenzen-​Messung mit einem vollständig neuen Ansatz angegangen. Während die bisherigen Verfahren die Bewegungen von kugel­förmigen Markierungs­teilchen verfolgen, erfassen sie die Bewegungen der Enden von starren Fasern, die in der Flüssigkeit schweben. Was als kleine Änderung des experi­mentellen Setups erscheint, hat enorme Auswirkungen auf den Messaufwand und auf die Genauigkeit.

Der große Unterschied: Die Rotationen der Enden einer einzelnen Faser liefern die gesamten statis­tischen Daten, die für die Charakte­ri­sierung einer Wirbel­bewegung und von deren Energie notwendig sind. Bisher mussten die Forscher dafür jeweils viele und vor allem auch laufend noch mehr Markierungs­teilchen einsetzen. Schwebende Kugeln verteilen sich nämlich automatisch in einer Flüssigkeit und ihr mittlerer Abstand vergrößert sich infolge der turbulenten Diffusion schnell.

In Laborsettings, in denen die Forscher die Teilchen­bewegung in trans­parenten und mit Wasser gefüllten Messkästen drei­dimensional erfassen, bringt eine immer größer werdende Zahl der Messteilchen aber die Kamera­erfassung an ihre prinzi­piellen Grenzen. Bei über 10.000 Teilchen verdecken sich diese zu oft gegen­seitig. Die Auflösung der Messungen lässt sich darum nicht mehr steigern.

Bei der Analyse von Strömungen und Wirbeln in der offenen See bedeutet eine große Anzahl und das dauernde Ersetzen von Tracer-​Bojen, wie es auf Grund des laufenden Wegdriftens der Bojen mit der herkömm­lichen Methode nötig ist, nicht nur hohe Material­kosten. Auch der Zeit­aufwand wächst entsprechend, wie Holzner erklärt. Werden die Bojen aber über Kabel quasi zu riesigen Fasern verbunden, können sie nicht mehr von­ein­ander weg driften.

Um die Praxisrelevanz des Prinzips zu belegen, haben die Forscher ihr System intensiv experi­mentell ausge­testet. Dafür verwendeten sie ein 3D-​Partikel-Geschwindigkeitsmesssystem, wie es auch für die Analysen mit kugel­förmigen Teilchen verwendet wird. So konnten sie unter anderem zeigen, dass starre Fasern genauso gute Resultate liefern wie flexible. Der Berechnungs­aufwand ist bei einer festen Geometrie allerdings wesentlich kleiner. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass die feste Faser immer in der Geschwindig­keit des Wirbels rotiert, denn die Viskosität verhindert, dass die Flüssigkeit über eine feste Faser hinweg­gleiten kann. Demgegen­über rotieren flexible Fasern nicht nur mit der Strudel­bewegung der Flüssigkeit, sondern sie verbiegen sich auch noch und schwingen mit einer ähnlich großen Frequenz.

Ein großer Vorteil der Faser-​Messmethode liegt, laut Holzner, in ihrer außer­ordent­lichen Übertrag­barkeit auf alle für Wirbel­phänomene relevanten Größen­verhäl­tnisse von wenigen Millimetern bis zu mehreren hundert Metern. Um beispiels­weise Strudel im Meer zu analysieren, kann die Faser aus zwei GPS-​bestückten Bojen gestaltet werden, welche die Enden markieren und die über ein rund hundert Meter langes Kabel verbunden sind. Aus den Messungen der Bojen­bewegungen lassen sich dann beispiels­weise Vorher­sagen über die Ausbreitung von Verschmutzungen mit Öl oder Plastik­abfällen berechnen.

Am anderen Ende der Skala steht das Verständnis von Wirbel­bildungen bei Herz­klappen, die eine Ursache für gesund­hei­tliche Probleme sein können. Hier kann beispiels­weise in Silikon­modellen mit Fasern im Milli­meter­bereich experi­mentiert werden.

Die neue Messmethode für Turbulenzen hat das Potenzial, die prinzipiell chaotischen Strömungs-​Systeme ein gutes Stück berechen­barer zu machen und dadurch unter anderem auch bessere Vorher­sage­modelle zu ermöglichen.

ETH Zürich / RK

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