Fehlende Kontrolle
Niemand kontrollierte das Gründerzentrum in Gelsenkirchen an dem Fördergelder veruntreut wurden. Zu diesem Ergebnis kommt der nordrhein-westfälischen Landesrechnungshof.
Niemand kontrollierte das Gründerzentrum in Gelsenkirchen an dem Fördergelder veruntreut wurden. Zu diesem Ergebnis kommt der nordrhein-westfälischen Landesrechnungshof.
Düsseldorf (dpa) - Der Hochschulskandal um veruntreute Gelder bei einem Gründerzentrum in Gelsenkirchen beschäftigt seit Wochen die Staatsanwaltschaft, den nordrhein-westfälischen Landesrechnungshof (LRH) und die Ministerien. Im Zentrum steht die vermeintliche Ideen-Schmiede «Inkubator-Zentrum Emscher-Lippe». Von den etwa zwölf Millionen Euro Fördergeldern sollen hohe Beträge nicht an Existenzgründer geflossen sein, sondern über Beraterhonorare und Scheinfirmen an Professoren der Fachhochschule (FH) Gelsenkirchen.
In bemerkenswerter Klarheit attestierte der Rechnungshof den beteiligten Prüfinstanzen einen Kontrollverlust über das dubiose Geschäftsgebaren des Zentrums. «Noch nie hat es einen LRH-Bericht von solcher Tragweite gegeben», stellte Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) fest. Das ist unangenehm für die schwarz-gelbe Landesregierung und für deren rot-grüne Vorgängerin: Auf beide zielen die drastischen Vorwürfe des LRH, aus der offensichtlichen Zweckentfremdung von Fördergeldern seien nicht die nötigen Konsequenzen gezogen worden.
Bei einer Sondersitzung des Haushaltskontrollausschusses im Landtag beschuldigten sich die früheren und die heutigen Regierungsfraktionen in der vergangenen Woche gegenseitig. CDU und FDP werfen der alten Regierung um den damaligen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement (SPD) vor, «Leuchtturm-Projekte» im ehemals «roten» Ruhrgebiet «nach dem Prinzip Hoffnung gefördert» zu haben.
Auch der Rechnungshof bemängelt, es sei nicht seriös geprüft worden, weder Ende 2000 bei der Gründung des an die FH Gelsenkirchen angedockten Gründerzentrums noch bei der Zahlung von drei Tranchen mit insgesamt 12,2 Millionen Euro bis 2003. Immer wieder gab es demnach Verstöße gegen das Vergaberecht und gegen Fristen zur Rechnungslegung.
Niemand sah richtig hin, niemand zog die Notbremse - trotz zahlreicher Hinweise auf grobe Unregelmäßigkeiten. Die Fördergelder flossen über die FH Gelsenkirchen, und diese verlängerte zehn Mal die Frist zur Abgabe eines Verwendungsnachweises für einen Teil der Gelder. Rektor und Kanzler der FH sind inzwischen beurlaubt.
Sechs Verdächtige wurden in Untersuchungshaft genommen, davon drei Professoren. Einer ist jetzt wieder frei. Die Staatsanwaltschaft prüft den Verdacht auf banden- und gewerbsmäßigen Subventionsbetrug.
Unter anderem sondierte das «Inkubator-Zentrum Emscher-Lippe» für 94 500 Euro die Marktchancen eines türkischen Trockenobst-Importeurs. Nach zwei Jahren wurde die Untersuchung ergebnislos eingestellt. Das Obst entsprach nicht den EU-Normen. Die «Projektakte» umfasste nur wenige Blätter und enthielt im Wesentlichen Wegbeschreibungen.
Seit Juni 2005 regiert Schwarz-Gelb. Doch das Wirtschaftsministerium zahlte noch bis 2006 Gelder aus. Ausdrücklich rügte der Rechnungshof auch die Bezirksregierung Münster als Aufsichtsbehörde. Widersprüchlich reagierten das Wissenschafts- und das Wirtschaftsministerium auf die Ohrfeige des Rechnungshofs. Während das Wissenschaftsministerium den Mängelbericht im Wesentlichen unterschreibt, behauptete Wirtschaftsstaatssekretär Jens Baganz: «Dem Projekt wurde ein sehr hoher Kontrollaufwand zuteil.»
Unklar ist, wieso er im Haushaltskontrollausschuss darstellte, das Inkubator-Zentrum sei von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Das Ministerium dagegen teilte dem Rechnungshof noch vor kurzem mit, grundsätzlich sei von einer erfolgreichen Tätigkeit des Zentrums und einer Selbstfinanzierung auszugehen. Zudem erklärte Baganz im Ausschuss, von einer ordnungsgemäßen, zuverlässigen Geschäftsführung im Inkubator-Zentrum sei nicht mehr auszugehen. Dagegen schrieb dass Ministerium dem LRH wenige Wochen zuvor noch das Gegenteil.
Bettina Grönewald, dpa