Feinstrukturkonstante von Materiedichte unabhängig
Neues Verfahren liefert bislang besten Grenzwert – Genauigkeit dreihundertfach erhöht.
Das Standardmodell der Teilchenphysik ist zwar überaus erfolgreich, aber nicht das letzte Wort. Denn es gilt, die Gravitation als letzte der vier fundamentalen Wechselwirkungen in das Theoriegebäude einzubeziehen. In entsprechenden theoretischen Ansätzen sind Größen, die im Standardmodell Naturkonstanten sind, aber oft nicht länger konstant, sondern zeitlich, räumlich oder umgebungsabhängig variabel.
Abb.: Die interstellare Gaswolke NGC 604 – in solchen Regionen kommt das Radikal CH vor. (Bild: NASA)
Um die Theorien jenseits des Standardmodells einzugrenzen, ist deshalb eine Überprüfung der Konstanz der Naturkonstanten von großer Bedeutung. Astronomische Beobachtungen konnten bislang keine Abweichung beispielsweise der Feinstrukturkonstanten oder des Verhältnisses von Elektronen- und Protonenmasse in großer räumlicher und zeitlicher Entfernung von der Erde feststellen. Kaum überprüft ist bislang jedoch eine mögliche Abhängigkeit der Naturkonstanten von der lokalen Materiedichte. Eine solche Variation tritt in manchen Theorien auf, die versuchen, die Dunkle Energie mithilfe eines universellen Skalarfelds zu erklären: Dieses Feld besitzt eine effektive Masse, die von der lokalen Materiedichte abhängt, und führt so dazu, dass auch Teilchenmassen und Kopplungskonstanten entsprechende Abhängigkeiten zeigen.
Wie Stefan Truppe vom Imperial College London und seine Kollegen nun zeigen konnten, stimmt die Feinstrukturkonstante auf der Erde bei hoher lokaler Dichte und im interstellaren Medium bei extrem geringer lokaler Dichte mit einer Genauigkeit von (0,3 ± 1,1) × 10-7 überein. Dabei handelt es sich um den bislang besten Grenzwert für eine Abhängigkeit der Feinstrukturkonstanten von der lokalen Dichte. Für das Massenverhältnis zwischen Elektronen und Protonen erhielt das Team ein Limit von (-0,7 ± 2,2) × 10-7.
Die Forscher verwendeten für ihre Messungen Mikrowellen-Übergänge zwischen dem Grundzustand und den angeregten Schwingungszuständen des Radikals CH. Bislang waren solche Messungen nicht mit ausreichender Genauigkeit möglich. Doch mit einem neuen Verfahren, das einen gepulsten Strahl ultrakalter CH-Radikale verwendet, konnten Truppe und seine Kollegen das Problem lösen: Die Forscher konnten die Frequenzen der Übergänge gegenüber früheren Messungen 300-mal genauer bestimmen. Das Team regt nun an, gezielt astrophysikalische Messungen dieser Übergänge von CH durchzuführen, um die Grenzwerte für Änderungen der Feinstrukturkonstanten und des Elektron-Proton-Massenverhältnisses weiter zu verbessern.
Rainer Kayser
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