Ferroelektrikum zum Verbiegen
Perowskit-Material behält seine ferroelektrischen Eigenschaften auch als dünner, flexibler Film.
Wenn es um flexible Elektronik geht, steht ein ferroelektrisches Material besonders hoch im Kurs: Blei-Zirkonat-Titanat (PZT). Es liegt für gewöhnlich als Perowskit vor und weist alle gewünschten Eigenschaften auf. Es zeigt hohe Polarisation, kurze Umschaltzeiten und hat eine hohe Curie-Temperatur. Dünne Filme davon auf flexiblen Substraten konnten bisher jedoch nur in polykristalliner Form hergestellt werden, wodurch viele seiner Vorteile verloren gehen. Einer chinesischen-taiwanesischen Forschergruppe ist es nun gelungen, PZT heteroepitaxisch auf ein flexibles Glimmer-Substrat aufzubringen und so einen erstaunlich robusten ferroelektrischen Film zu erzeugen.
Abb.: Schematische Darstellung der auf Glimmer gewachsenen, ferromagnetischen Heterostruktur. (Bild: J. Jiang et al.; Sci. Adv.)
Ferroelektrische Materialien sind ein wesentlicher Bestandteil moderner Elektronik. Ihre wichtigste Eigenschaft, die spontane und umschaltbare Polarisation, findet vor allem in der Herstellung nicht flüchtiger Speicher Anwendung. Aber auch die mit der Ferroelektrizität einhergehenden piezoelektrischen Eigenschaften werden zur Realisierung von verschiedensten Sensoren und Aktuatoren eingesetzt. Einkristallines PZT mit herkömmlichen flexiblen Substraten zu kombinieren, scheiterte bislang vor allem an deren Temperaturempfindlichkeit. Das führt dazu, dass ferroelektrische Speicher auf Basis von polykristallinem PZT unter ihren theoretischen Möglichkeiten bleiben. Indem sie Glimmer als Substrat wählten, konnten die Forscher um Ying-Hao Chu von der taiwanesischen National Chiao Tung University diese Probleme nun umgehen.
„Üblicherweise benutzen Forscher für die Heteroepitaxie starre, einkristalline Substrate“, sagt Chu. „Indem wir die speziellen Eigenschaften von Glimmer ausnutzten, konnten wir bessere ferromagnetische Eigenschaften und eine hohe Flexibilität erreichen.“ Neben seiner hohen Schmelztemperatur von ungefähr 1000 Grad Celsius, die das Ausheilen von Defekten ermöglicht, bietet Glimmer noch eine ganze Reihe anderer Vorteile. Er ist chemisch inert, transparent, biegsam und vor allem ist er atomar glatt. Da das Material eine geschichtete Struktur hat, weist seine Oberfläche nach dem Spalten keine freien Bindungen auf und geht daher mit dem aufgedampften Film keine kovalenten Bindungen ein. Stattdessen sind die beiden Schichten lediglich über eine schwache van der Waals Wechselwirkung miteinander verbunden. Somit spielen die Gitterkonstanten von Substrat und Film kaum eine Rolle und es bilden sich keine Verspannungen.
Der PZT-Film wurde bei einer Temperatur von 630 Grad Celsius mittels Laserdeposition aufgedampft. Davor haben die Forscher den frisch gespaltenen Glimmer mit einer weniger als zehn Nanometer dicken Pufferschicht aus einer Kobalt-Eisen-Sauerstoff-Verbindung überzogen. Zwischen Puffer und Ferroelektrikum befindet sich noch eine Perowskit-Elektrode für die elektrische Charakterisierung. Die Rauigkeit des fertigen Films betrug 0,62 Nanometer. Röntgenbeugungsexperimente zeigten lediglich Peaks von PZT, Glimmer und der Elektrode, was auf eine rein epitaxische Natur des Films ohne Mischphasen hinwies.
Um die Ferroelektrizität der erzeugten Heterostruktur zu charakterisieren, nutzten die Chu und seine Kollegen eine spezielle Art der Atomkraftmikroskopie, die die piezoelektrische Antwort des Materials misst. Dazu wird zwischen der elektrisch leitenden Spitze des Mikroskops und der Probe eine Spannung angelegt und gleichzeitig die mechanische Deformierung gemessen. Zunächst nutzten sie das Mikroskop jedoch, um eine bestimmte Polarisation in der Oberfläche zu erzeugen. Mit einer Spannung von acht Volt schrieben sie so ein 3 × 3 Mikrometer großes Quadrat mit nach oben gerichteter Polarisation, in das sie anschließend mit minus acht Volt ein kleineres Quadrat mit gegensätzlicher Polarisation einschrieben. Eine darauf folgende Messung zeigte einen klaren Kontrast zwischen den beiden Strukturen, was sowohl die ferroelektrische Natur des Films als auch die Möglichkeit bestätigte, die Polarisation umzudrehen.
Diese für die Herstellung nicht flüchtiger Speicher entscheidende Eigenschaft blieb auch bei Temperaturen von bis zu 175 Grad Celsius erhalten. Messungen der magnetischen Remanenz zeigten darüber hinaus, dass auf diese Art gespeicherte Information bei 100 Grad Celsius über einen Tag erhalten blieb. Das entspricht einer Speicherdauer von zehn Jahren bei Raumtemperatur – den Forschern zufolge der beste bisher mit flexiblen Materialien erreichte Wert. Und auch was mechanische Belastungen angeht, ist das neue System äußerst widerstandsfähig: Weder Druck- noch Zugbelastung durch Biegen mit Krümmungsradien bis zu 2,5 Millimeter hatten eine Verschlechterung der ferromagnetischen Eigenschaften zur Folge und auch tausendmaliges Biegen mit 5 Millimetern führte zu keiner messbaren Verschlechterung.
Neben einem Einsatz als Speichermedium sehen die Wissenschaftler auch aufgrund seiner piezoelektrischen Eigenschaften mögliche Anwendungen für ihren Film. So wurde etwa bereits gezeigt, dass flexible Piezofolien in der Medizin genutzt werden können, um aus den ständigen Bewegungen von Organen wie Herz und Lunge Energie für Implantate zu gewinnen.
Thomas Brandstetter
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