23.08.2013

Festkörper arbeitet als Röntgenlaser

Siliziumkristall sendet nach Anregung durch Freie-Elektronen-Laser FLASH Röntgenpulse aus.

Forscher haben bei DESY erstmals einen Röntgenlaser auf Basis eines Festkörpers realisiert. Die Methode eröffnet neue Untersuchungsmöglichkeiten für die Materialforschung, wie die Wissenschaftler um Alexander Föhlisch vom Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) berichten. „Mit dieser Technik wird die Analyse empfindlicher Proben möglich, die von intensivem Röntgenlicht sonst schnell zerstört werden“, erläutert Ko-Autor Wilfried Wurth von der Universität Hamburg und dem Hamburger Center for Free-Electron Laser Science (CFEL), einer Kooperation von DESY, der Max-Planck-Gesellschaft und der Universität Hamburg.

Abb.: Das eingestrahlte Laserlicht in grün regt den Siliziumkristall zur Aussendung von Laserlicht einer etwas größeren Wellenlänge in rot an. (Bild: HZB / E. Strickert)


Anders als die Laser-Dioden im heimischen DVD-Spieler lassen sich Röntgenlaser bislang nicht als kompakte Geräte auf Festkörperbasis bauen. Zum einen ist dafür die Energie zu hoch, mit der das Lasermedium angeregt werden muss. Zum anderen muss die Anregung in einer solch hohen Intensität erfolgen, dass sie nicht in einem kompakten Gerät umsetzbar ist. Röntgenlaser sind daher üblicherweise große Anlagen, die von einem Teilchenbeschleuniger gespeist werden. Die energiereichen, nahezu lichtschnellen Elektronen aus dem Beschleuniger werden mit starken Magneten auf einen eng gesteckten Slalomkurs geschickt und senden in jeder Kurve Röntgenblitze aus, die sich zu einem laserartigen Lichtpuls überlagern. Dieses Prinzip heißt Freie-Elektronen-Laser (FEL).

Die Wissenschaftler nutzten DESYs Freie-Elektronen-Laser FLASH, um einen Siliziumkristall zum Aussenden von Röntgenstrahlung anzuregen. Die hohe Energie der FLASH-Pulse reicht grundsätzlich aus, um aus der Elektronenhülle der Siliziumatome jeweils ein relativ fest gebundenes Elektron herauszuschlagen, die Atome werden damit ionisiert. Diese Lücke besetzt kurz darauf ein weniger stark gebundenes Elektron, das damit in einen Zustand geringerer Energie wechselt. Die bei diesem Schritt frei werdende Energie war im Prinzip groß genug, um einen kleinen Röntgenblitz zu erzeugen. Meist jedoch geht die Energie an ein weiteres Elektron, das dieser Schlag dann ebenfalls aus der Atomhülle herauskatapultiert.

Dieser sogenannte Auger-Prozess ist bei solch hohen Energien sehr viel häufiger als die Aussendung eines Strahlungsblitzes. Dies macht die Umsetzung klassischer Laser im Röntgenbereich bisher nahezu unmöglich. Bei Materialuntersuchungen mit intensiven Röntgenpulsen heizen die dabei entstehenden Elektronen die untersuchte Probe zudem stark auf, was sie schnell zerstört.

Die Forscher in Hamburg fanden einen Weg, den hier unerwünschten Auger-Prozess zu unterdrücken. Sie machten sich dabei das Laser-Prinzip der stimulierten Emission zunutze: In einem Lasermedium löst ein Lichtquant (Photon) die Aussendung des nächsten aus, beide stimulieren dann die Emission je eines weiteren Lichtquants und so weiter. So entsteht lawinenartig ein Laserblitz. Den Anfang muss ein spontan ausgesandtes Photon machen.

Bei den hohen Energien im Röntgenbereich ist die spontane Aussendung eines Photons zwar viel seltener als der Auger-Prozess. Die Wissenschaftler ionisierten mit dem intensiven Licht von FLASH jedoch so viele Atome auf einmal, dass die seltenen spontan ausgesandten Lichtquanten noch auf genug andere ionisierte Atome trafen, um dort die Emission eines weiteren Photons zu stimulieren. So rollte eine Photonen-Lawine durch den Siliziumkristall und gewann die Oberhand über den Auger-Prozess. Auf ähnliche Weise hatte eine andere Forschergruppe bereits Neon-Gas zum Aussenden von Röntgenstrahlung angeregt und damit den ersten Röntgenlaser auf Atombasis umgesetzt.

Durch diesen Trick sendet das Silizium einen eigenen Röntgenlaserpuls aus. Allerdings muss es dazu mit einem anderen intensiven Röntgenlaser wie FLASH zunächst angeregt werden, und zudem hat das resultierende Röntgenlicht etwas weniger Energie als das eingestrahlte. Dennoch bietet die Methode einen entscheidenden Vorteil: Das erzeugte Röntgenlicht lässt sich zur Untersuchung des erzeugenden Materials selbst nutzen, die Probe wird dabei weniger stark aufgeheizt und so geschont. „Ähnlich wie beim Laser arbeiten alle Photonen zusammen und verstärken sich gegenseitig“, erläutert Erstautor Martin Beye. „Wir erhalten so ein sehr hohes Messsignal.“

Im Silizium konnten die Forscher auf diese Weise detailliert die Struktur des sogenannten Valenzbands des Halbleitermaterials vermessen. Das diente vor allem dem Nachweis, dass die neue Methode korrekte Ergebnisse liefert, denn das Valenzband von Silizium ist bereits sehr gut untersucht. „Das Verfahren funktioniert aber genauso auch mit anderen Materialien“, betont Wurth. „Dabei ist es auch möglich, den zeitlichen Verlauf bestimmter Prozesse zu verfolgen.“ So ließe sich etwa beobachten, wie ein Isolator durch den Beschuss mit einem weiteren Laser zum Leiter wird. Mit der neuen Methode könnten Röntgenquellen zudem für Forschungsgebiete attraktiv werden, die bislang nur mit Neutronenstreuung zu bearbeiten sind.

DESY / PH

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