21.01.2014

Feuer frei für Antiwasserstoff

Asacusa-Experiment am CERN produziert erstmals einen Strahl aus Antiwasserstoff für spektroskopische Untersuchungen.

Strahlen aus Antimaterie gelten Freunden der Science Fiction als mächtige Waffe, die zusätzlich zur Strahlenergie noch die Annihilationsenergie ins Ziel bringt. Bislang ist aber noch nicht gut bekannt, ob sich Antimaterie wirklich CPT-symmetrisch zur gewöhnlichen Materie verhält. Methoden wie die Zwei-Photonen-Frequenzkamm-Spektroskopie am 1S-2S-Übergang oder die Hyperfeinaufspaltung des Grundzustandes versprechen zwar theoretisch hochpräzise Daten. Schließlich gehören die entsprechenden Untersuchungen an Wasserstoff zu den genauesten physikalischen Messungen überhaupt. Die Bestimmung dieser Werte an Antiwasserstoff haben jedoch mit zwei grundlegenden Problemen zu kämpfen: Das Abbremsen und Einfangen von Antiprotonen, die mit Positronen zu Antiwasserstoff kombinieren sollen, erfordert einerseits starke elektromagnetische Felder. Diese beeinflussen jedoch die spektroskopischen Untersuchungen, indem sie die Linienbreiten der Übergange verbreitern und so die erreichbaren Messgenauigkeiten herabsetzen. Andererseits lassen sich Strahlen aus Antiwasserstoff nur schwer in feldfreie Raumbereiche dirigieren.

Abb. 1: Ein Cusp-Magnet mit mehrfachen Ringelektroden. Links im Zylinder werden Antiwasserstoff-Atome zunächst synthetisiert und dann rechts mit Hilfe der Feldionisationstechnologie untersucht. (Bild: N. Kuroda)

Das Asacusa-Experiment am Antiproton Decelerator des CERN ist nun einen entscheidenden Schritt weiter gekommen auf dem Weg zu einem solchen Antiwasserstoff-Strahl. Den Wissenschaftlern gelang es nicht nur, eine magnetische Falle zu konstruieren, die Antiprotonen und Positronen sammelt und effektiv zu Antiwasserstoff synthetisiert. Sie konnten auch den entstehenden Strahl in bis zu 2,7 Metern Entfernung nachweisen.

Die Antiprotonen stammten aus dem guten alten Proton Synchrotron, das heute noch als einer der Vorbeschleuniger des LHC in Betrieb ist. Es schießt Protonen mit einer kinetischen Energie von etwa 25 GeV auf ein Target, wobei unter anderem Proton-Antiproton-Paare entstehen, die anschließend massenspektroskopisch getrennt werden. Die Antiprotonen besitzen nach ihrer Erzeugung noch hochrelativistische Energien von gut 5 GeV. Der Antiproton Decelerator entschleunigt sie deshalb mit umgekehrt arbeitenden Kavitäten auf 5,3 MeV und speist sie dann in die verschiedenen Antimaterie-Experimente. Ein Radiofrequenz-Quadrupol-Apparat und dünne Polyethylenfolien bremsen diesen Strahl dann weiter herunter.

Abb. 2: Skizze der geplanten Hyperfein-Spektroskopie an Antiwasserstoff-Atomen, die durch die Apparatur fliegen. Links in der Magnetfalle vereinigen sich Positronen mit Antiprotonen zu Antiwasserstoff-Atomen. Eine Mikrowellen-Kavität (grün) bewirkt Hyperfein-Übergänge, Sextupol-Magneten (grau und rot) bündeln die Strahlen auf das Detektor (gold; Bild: E. Widmann, N. Kuroda)

Danach sammelt und komprimiert die Musashi-Magnetfalle die Antiprotonen stark genug, um sie in Paketen von einigen Zehntausend in die Synthesekammer zu injizieren. Die Positronen stammen aus einer radioaktiven Natrium-22-Quelle. Sie werden zunächst durch Neon-Eis und ein Gasgemisch moderiert, bevor sie zunächst in einem Positronen-Akkumulator und dann ebenfalls in der Synthesekammer landen. Dort schließen starke elektromagnetische Felder beide Sorten von Antiteilchen ein, um eine möglichst effektive Produktion von Antiwasserstoff zu erreichen. Die Falle besteht aus einem Paar von Anti-Helmholtz-Spulen und einer Reihe von Ringelektroden, die die Strahlachse umgeben.

Wie die Wissenschaftler feststellten, entmischen sich Antiprotonen und Positronen aber nach kurzer Zeit. Diesen Effekt haben auch Gruppen an anderen Antimaterie-Experimenten beobachtet, auch wenn er bislang noch nicht gut verstanden ist. „Eines der großen Probleme war die geringe absolute Zahl an erzeugten Anti-Atomen“, sagt Naofumi Kuroda, der am CERN arbeitet. Die Asacusa-Forscher konnten die Durchmischung und damit die Antiwasserstoff-Synthese aber deutlich verbessern, indem sie Radiopulse in die Kammer speisten. „Damit konnten wir die Synthesereaktion längere Zeit am Laufen halten“, so Kuroda. Die Antiwasserstoff-Ausbeute stieg hierdurch um einen Faktor 3,5.

Abb. 3: Der gesamte Messaufbau mit den Asacusa-Cusp-Geräten am Antiproton Decelerator des CERN. (Bild: N. Kuroda)

Entlang dem Strahlrohr folgt dann die Spektroskopiesektion mit einer Mikrowellen-Kavität und einem Sextupol-Magneten, an der die Forscher in Zukunft Hyperfein-Übergänge studieren wollen. Mit Hilfe von Szintillatoren um die Strahlachse und Koinzidenzschaltungen können die Forscher die auftretenden Annihilationsreaktionen verfolgen. Typischerweise entstehen dabei drei Pionen. Um das Signal nicht zu stark zu unterdrücken, arbeiteten die Forscher aber nur mit doppelter Koinzidenz. Das Strahlende bildete ein Wismut-Germanium-Oxid-Detektor, der sich nicht nur durch hohe Dichte und Photonenausbeute auszeichnet, sondern auch durch seine Tauglichkeit für ultrahohes Vakuum.

Insgesamt konnten die Forscher achtzig Antiwasserstoff-Atome 2,7 Meter hinter ihrem Erzeugungsort einwandfrei nachweisen. Um deren Hauptquantenzahlen zu bestimmen, nutzten die Wissenschaftler den Effekt der Feldionisation an 400 bis 2000 Volt starken elektrischen Feldern. Wie sich zeigte, befand sich ein signifikanter Teil der Atome unterhalb der 43. bzw. 29. Anregung. Bei einer Stunde Laufzeit an ihrem Experiment erwarten die Forscher ungefähr 16 bis 25 Antiwasserstoff-Atome, je nach Konfiguration. Nun wollen sie Wege finden, möglichst gering angeregte Zustände zu erzeugen, um präzise spektroskopische Messungen durchführen zu können.

Der Hyperfein-Übergang am Grundzustand des Wasserstoff ist mit einer relativen Genauigkeit von knapp 10-14 bekannt. Mit der neuen Methode ließe sich Rabi-artige Spektroskopie an Antiwasserstoff durchführen, die eine Präzision von 10-7 erreicht. Dies würde einzigartige Überprüfungen der CPT-Symmetrie ermöglichen. Denn in einfachen Erweiterungen des Standard-Modells spricht der Hyperfein-Übergang in erster Ordnung auf das magnetische Moment an, während der 1S-2S-Übergang nur ein Effekt zweiter Ordnung ist. Nachdem Untersuchungen am Higgs bislang keinen Hinweis auf Physik jenseits des Standardmodells liefern konnte, rücken Experimente an Antimaterie nun wieder stärker in den Fokus.

Dirk Eidemüller

OD

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