24.01.2012

Feuer im Weltraum

Am vergangenen Montag gab die Europäische Raumfahrtagentur Esa grünes Licht für die ersten Versuche mit offenem Feuer in einem Raumfahrzeug.

Im Normalfall ist der Zweck des ATV (Automated Transfer Vehicle), also eines unbemannten Weltraumfrachters, Nachschub wie Nahrung, Wasser, Ausrüstung, Stickstoff, Sauerstoff und Treibstoffe zur Internationalen Raumstation zu transportieren. Hat das Raumfahrzeug diesen Zweck erfüllt, ist vorgesehen, dass es beim Rückflug während des Eintritts in die Erdatmosphäre kontrolliert verglüht. Nun soll zum ersten Mal der Rückflug für ein Experiment genutzt werden – ein Raumfahrt-Experiment zum Nulltarif.

Abb.: Das ATV-Modul. (Bild: Nasa)

Die Versuche, die auf dem Rückflug des ATV geplant sind, werden überprüfen, ob die in der Raumfahrt verwendeten, grundsätzlich brennbaren Materialien in der Schwerelosigkeit von selbst verlöschen. Hierzu wird erstmalig ein offenes Feuer auf einem Raumfahrzeug entfacht. Nach Ablauf des Verbrennungsexperiments müssen die Triebwerke des ATV noch sicher gezündet werden können, um einen korrekten Eintritt in die Atmosphäre und damit ein sicheres Verglühen des Transporters zu gewährleisten. Dieses Vorhaben wurde nun in einer Machbarkeitsstudie der Esa als durchführbar eingestuft.

Der geplante Versuchsaufbau überprüft gewissermaßen eine der derzeit geltenden Brandschutzrichtlinien. Grundsätzlich brennbare organische Werkstoffe, die in der bemannten Raumfahrt u.a. für Astronautenkleidung, Wandverkleidungen, thermische Isolierung der Wände und elektrische Isolierung von Kabeln eingesetzt werden, gelten als nicht-brennbar, wenn sie den Nasa-Test 1 bestehen. Bei diesem aus der Luftfahrt entlehnten Test zünden die Forscher eine unter irdischen Bedingungen senkrecht stehende Platte des zu untersuchenden Materials am unteren Ende an und baoachten die Ausbreitung des Feuers nach oben. Verlischt die Probe nach Ausschalten der Zündquelle innerhalb einer Länge von 150 Milimetern, hat sie den Test bestanden. Breitet sich der Brand über eine längere Strecke aus, tropft die Probe brennend ab, oder fliegen brennende Teile davon, gilt das Material als ungeeignet. Ob dieser Test auch wirklich für die Bedingungen der Schwerelosigkeit relevant ist sei offen, so das internationale Forschungsteam. Gewissheit könne hier nur das Experiment schaffen.

Abb.: Der Experimentaufbau im ATV. (Bild: Nasa)

Generell verlischt ein Feuer dann von selbst, wenn die Wärmeproduktion zu klein ist, um die Temperaturverluste durch Strahlung und Auftrieb der heißen Abgase auszugleichen. Die Wärmeproduktion hängt vom Material und vom Sauerstoffgehalt der Atmosphäre ab. Im Gegensatz zum Bodenexperiment erfahren die heißen Abgase in der Schwerelosigkeit einer Raumstation keinen Auftrieb. Eine geringe Luftbewegung gibt es dennoch. Sie wird durch die Klimaanlage erzeugt. Die Strahlung ist zwar grundsätzlich nicht gravitationsabhängig, ändert sich im Vergleich zum Bodenexperiment aber durch die veränderten Verbrennungsbedingungen, was in einer anderen Zusammensetzung der Abgase resultiert. Die bisherige Forschung hat gezeigt, dass all dies zwar zu einer insgesamt schwächeren Flamme mit deutlich geringerem Energieumsatz führt, dass aber andererseits auch der Abtransport heißer Abgase reduziert ist. Insofern brennt eine Probe zwar schwächer aber örtlich heißer als auf der Erde und es besteht die Gefahr, dass sich ein derartiger Brand lange unbemerkt über große Flächen ausbreiten kann.

Die zusätzliche Fragestellung eines Bremer Teams vom Zarm (Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation) bezieht sich auf das Verbrennungsverhalten von Materialien, die in der Praxis mit einer stark strukturierten Oberfläche in Raumfahrzeugen verbaut werden und damit von den Bedingungen des Nasa-Tests 1 abweichen. So weiß man aus dem Bodenversuch, dass genutete Oberflächen die Flammenausbreitung genauso befördern können, wie Rippen, an denen sich die Hitze staut. Da der Nasa-Standardtest normalerweise glatte Oberflächen überprüft, halten die Mitarbeiter des Zarm deutliche Abweichungen in der Schwerelosigkeit für wahrscheinlich.

Das projekt steht unter Zeitdruck. Die Spanne von der Idee bis zum Flug soll nämlich nur maximal zweieinhalb Jahre betragen. Ein derart kurzer Zeitraum erinnert an den Pragmatismus der russischen Raumfahrt vergangener Tage und ist in der aktuellen Raumfahrt zumindest unüblich. Da insgesamt nur noch drei ATV-Missionen geplant sind, von denen nur die letzten beiden für das Projekt in Frage kommen, ist tatsächlich Eile geboten. Um die Versuche bereits auf ATV 4 (2013) durchführen zu können, muss eine essentielle Voraussetzung erfüllt sein: das Forschungsteam benötigt eine eigenständige Breitband-Datenverbindung zwischen dem ATV und den Bodenstationen, um die Experimentdaten übertragen zu können. Gelingt es nicht, diese in der Kürze der Zeit zu installieren, bleibt immer noch das ATV 5, dessen Start für März 2014 geplant ist. Darüber hinaus soll bereits auf dem ATV 3 vor dem Abdocken von der ISS getestet werden, ob der Druck im Laderaum des ATV auf einen Luftdruck von 950 hPa abgesenkt werden kann. Nur wenn das vor Versuchsbeginn möglich ist, können auf ATV 4 und 5 alle vorgesehenen Experimente durchgeführt werden, ohne dass der Druck, der durch das vollständige Abbrennen aller Proben - dem „worst case scenario“ - entstehen würde, die zulässige Obergrenze überschreitet. Und diese Mission beginnt bereits in zwei Monaten.

Zarm / PH

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