Fiebermessen im Ozean
Das Wasser am Boden des Südatlantik wird nach einer Langzeitstudie deutscher und russischer Wissenschaftler immer wärmer.
Kiel - Das Wasser am Boden des Südatlantik wird nach einer Langzeitstudie deutscher und russischer Wissenschaftler immer wärmer. Seit fast vier Jahrzehnten fahren die Meeresforscher zu Temperaturmessungen in den Südatlantik. In dieser Zeit erwärmte sich das kälteste Wasser der Tiefsee dort von weniger als 0,18 Grad auf mehr als 0,22 Grad Celsius. «Das mag vernachlässigbar klingen, hat aber einen deutlichen Einfluss auf die Dichte des transportierten Wassers», sagte Studienmitautor Walter Zenk vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften am Freitag. Die Wassermassen seien Teil einer globalen Ozeanzirkulation, die langfristig Wirkungen auf das Klima habe.
Die Messung der Temperatur an Schlüsselstellen der Weltmeere, man könnte es auch als „Fiebermessen“ im Ozean bezeichnen, ist eine wichtige Aufgabe der Ozeanographen. Damit können sie mögliche Veränderungen in den Strömungen relativ rasch erkennen. Eine dieser Stellen befindet sich östlich von Rio de Janeiro, im so genannten „Vema-Kanal“, einem Canyon zwischen dem Argentinischen und Brasilianischen Becken. Der Kanal in 4500m Wassertiefe ist nur 15km breit, doch werden dort unvorstellbare drei Millionen Kubikmeter Wasser pro Sekunde am Boden nach Norden transportiert. Das sind 20 Mal mehr als der Amazonas in den Atlantik führt. Das Wasser, auch antarktisches Bodenwasser genannt, stammt aus südpolaren Breiten, wo es im Weddell-Meer während des Winters gebildet wird. Anders als bei vielen Oberflächenströmungen, die vom Wind angetrieben werden, wirken hier Dichteunterschiede als Antrieb. Der enge Kanal lässt die Strömung auf etwa 25 Zentimeter pro Sekunde anschwellen. „Das scheint auf den ersten Blick nicht viel, ist aber in diesen Wassertiefen schon fast wie ein Sturm in der Atmosphäre“, erklärt Walter Zenk vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR).
Der Kieler Meeresforscher verfasste die Studie zusammen mit seinem Kollegen Eugene Morozov vom Shirshov-Institut für Ozeanologie in Moskau. „Bemerkenswert an den von uns und unseren Kollegen in über 35 Jahren gesammelten Daten ist, dass die Temperatur in diesen Tiefen systematisch ansteigt, von weniger als 0.18 Grad in den 70iger Jahren auf über 0.22 Grad im Mai 2007, so Zenk weiter. „Das mag vernachlässigbar klingen, hat aber einen deutlichen Einfluss auf die Dichte des transportierten Wassers, und Dichteunterschiede sind verantwortlich für den Austausch zwischen den Tiefseebecken“.
Kann man überhaupt so genau messen? „Ja“, bestätigt Zenk, „unsere Instrumente können sogar Temperaturunterschiede von drei tausendstel Grad messen.“ Bleibt noch zu klären, woher die Erwärmung kommt. Da ist Zenk vorsichtiger. „Aus den vorliegenden Daten können wir nicht klar sagen, ob dies Teil einer langen natürlichen Schwankung ist oder sich vielleicht hier schon die Klimaerwärmung zeigt. Letzteres wäre möglich, denn die Wassermasse ist nur einige Jahrzehnte „alt“. Das ist die Zeit, die seit dem Absinken von der Oberfläche in der Antarktis bis zur Ankunft im Vema-Kanal vergangen ist.
Und die Folgen? Das antarktische Bodenwasser ist Teil einer globalen Ozeanzirkulation, die Wassermassen auf einer Zeitskala von Jahrhunderten umwälzt. Verändern sich diese globalen Umwälzbewegungen, so wirkt dies langfristig auch auf unser Klima zurück. Insofern ist Bodenwasser im Vema-Kanal ein kleines, aber wichtiges Mosaiksteinchen in diesem globalen Spiel. Walter Zenk und seine Kollegen werden deshalb weiter „Fieber messen“, um Licht ins Dunkel der Tiefsee und ihrer Geheimnisse zu bringen.
Quelle: dpa/IFM-GEOMAR
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Originalartikel:
W. Zenk und E. Morozov, Decadal Warming of the coldest Antarctic Bottom Water flow through the Vema Channel, Geophysical Research Letters 34, L14607 (2007).
http://dx.doi.org/10.1029/2007GL030340 -
Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, Kiel:
http://www.ifm-geomar.de