First Light für Millennium-Observatorium
Analog zu neu gebauten Observatorien hat nun auch das Millennium Run Observatorium seine ersten Bilder des simulierten Universums produziert.
Das Millennium-Run-Observatorium-Projekt (MRObs), das von Gerard Lemson am MPA und Roderik Overzier an der University of Texas geleitet wird, vereint die detaillierten Vorhersagen kosmologischer Simulationen mit einem virtuellen Observatorium um synthetische astronomische Beobachtungen zu erzeugen. Astronomen können mit diesen virtuellen Beobachtungen die rein theoretischen Daten in exakt der gleichen Art und Weise analysieren wie reine Beobachtungsdaten. Aufbauend auf dem Erfolg der Millennium-Datenbank, werden nun auch die simulierten Beobachtungen allen Astronomen für weitere Studien zur Verfügung gestellt.
Abb.: Falschfarbenaufnahmen des Hubble Ultra Deep Field, wie sie vom Millennium Run Observatorium vorhergesagt werden (links) sowie die tatsächliche Aufnahme mit dem Hubble-Weltraumteleskop (rechts). Die Ähnlichkeit zwischen dem virtuellen MRObs-Bild und dem realen HAST-Bild ist offensichtlich. (Bild: MRObs, R. Overzier, G. Lemson et al.)
Der MRObs-Browser – der online verfügbar ist – erlaubt es den Benutzern, die simulierten Bilder zu erforschen und mit dem zugrunde liegenden physikalischen Universum (so wie es in der Datenbank abgespeichert ist) zu interagieren. Das Team erwartet, dass die Vorzüge dieser Herangehensweise die Kollaboration zwischen theoretischen und beobachtenden Astronomen bereichern wird.
Kosmologische Simulationen haben das Ziel unser derzeitiges Verständnis der Galaxienentwicklung einzufangen, die Interpretation komplexer, astronomischer Beobachtungen zu unterstützen und detaillierte Vorhersagen für zukünftige Experimente zu machen. Simulationen und Beobachtungen werden allerdings oft nur indirekt verglichen: physikalische Größen werden aus den Beobachtungsdaten abgeschätzt und mit den Modellen verglichen. Eine wichtige Einschränkung besteht bei dieser Herangehensweise darin, dass die Beobachtungen typischerweise ein verzerrtes Bild des Universums liefern und so das Extrahieren von physikalischer Information zu einer Herausforderung machen.
Viele Probleme in der Astrophysik könnten deshalb davon profitieren es umgekehrt zu machen: der gesamte Beobachtungsprozess wird auf die Simulationen angewandt, so dass die Modelle vollständig aus einer Beobachterperspektive gesehen werden können. Ein kleines Team aus aktiven und ehemaligen MPA-Wissenschaftlern hat nun das Millennium Run Observatorium (MRObs) entwickelt. Dies ist ein theoretisches, virtuelles Observatorium, das mit virtuellen Teleskopen die semi-analytische Galaxienverteilung „beobachtet“, die auf den am MPA entwickelten Millennium-Simulationen mit Dunkler Materie basiert. Das MRObs produziert Daten, die mit den Standardsoftwareprogrammen der Beobachter verarbeitet und analysiert werden können, die für reale Daten entwickelt wurden.
Dazu erzeugt das MRObs gänzlich physikalisch basierte, synthetische Bilder des Nachthimmels, indem es viele verschiedene Beiträge aus kosmologischen Simulationen, diverse existierende Softwarepakete für astronomische Anwendungen sowie neu erstellte Software für das MRObs zusammenbringt. Die Basis für die semi-analytische Modellierung der Galaxien in Halos bilden hierbei Vereinigungsbäume der Halos, die auf die Millennium-Simulation aus rein Dunkler Materie aufbauen.
Die Modelle benutzen einfache Beschreibungen für Prozesse wie die Gaskühlung, Sternentstehung, Heizung durch Supernovae und AGNs, Gasverlust und das Verschmelzen von Galaxien. Für jeden Zeitschritt der Simulation werden die physikalischen Eigenschaften der Galaxien benutzt, um geeignete Sternvorlagen aus einem Katalog theoretischer Spektren auszuwählen und damit die intrinsischen Spektren zu bestimmen.
‚Lichtkegel‘ werden gebildet, um die simulierten Galaxien so ähnlich anzuordnen, wie sie sich für einen Beobachter am Himmel darstellen würden. Anschließend werden die scheinbaren Helligkeiten in mehreren Bändern berechnet, unter Berücksichtigung der Absorption durch das intergalaktische Medium. Das Programm projiziert den Lichtkegel dann auf einen virtuellen Himmel; die Position, Form, Größe, und scheinbare Helligkeit jeder Galaxie dienen dazu ein ‚perfektes‘ oder ‚Vor-Beobachtungsbild‘ aufzubauen.
Dieses perfekte Bild wird in den MRObs-Teleskop-Simulator eingegeben, der dem Bild ein Detektor-Modell (Pixelskala, Ausleserauschen, Dunkelstrom, Empfindlichkeit und Verstärkung) aufprägt, sowie Himmelshintergrund, Punktverwaschungsfunktion und Rauschen ergänzt. Dies führt zu einem realistischen, synthetischen Teleskopbild.
Algorithmen zur Identifikation und Analyse der Quellen liefern dann für das simulierte Bild einen Katalog mit den scheinbaren Eigenschaften aller gefundenen Objekte. Dieser Objektkatalog kann anschließend mit den in der Millennium-Datenbank vorhandenen Daten verglichen werden, um so die realen, physikalischen Eigenschaften der Galaxien mit denen zu vergleichen, die aus den simulierten Bildern bestimmt wurden.
R. Overzier, G. Lemson / PH