Flexible zweidimensionale Kristalle
Kristallgitter organischer Moleküle richten sich flexibel auf einem kristallinen Trägersubstrat aus.
Vor 20 Jahren waren Mobiltelefone noch fast so dick wie eine Brotbüchse, heutige Smartphones hingegen werden zunehmend dünner. Ein Grund dafür sind immer neue Forschungsergebnisse im Bereich der organischen Elektronik. Denn vor allem Schichten aus organischen Molekülen, die auf eine meist metallische Trägerstruktur aufgetragen werden, haben sich aufgrund ihrer geringen Stärke und ihrer halbleitenden und optischen Eigenschaften für Displays bewährt. Um diese Methode weiterzuentwickeln, ist es deshalb notwendig, mehr darüber zu erfahren, was zwischen Molekül und Metall oder auch zwischen verschiedenen Molekülschichten passiert.
Abb.: Torsten Fritz (l.) und Matthias Meißner charakterisieren zweidimensionale Kristalle mit diesem Rastertunnelmikroskop. (Bild: Kasper / FSU)
Ein wichtiger Fortschritt auf dem Forschungsgebiet dieser Grenzflächeneffekte ist jetzt Physikern der Friedrich-Schiller-Universität Jena gemeinsam mit Kollegen aus Mainz und Dresden gelungen. Sie haben herausgefunden, dass sich Kristallgitter organischer Moleküle flexibel auf einem kristallinen Trägersubstrat ausrichten. „Die etwa einen Nanometer großen Moleküle richten sich auf den im atomaren Maßstab gewellten Trägerstrukturen oft auf die gleiche Weise aus, um optimales Schichtwachstum zu erreichen“, sagt Torsten Fritz von der Universität Jena. „Dabei wachsen sie wie Kohlköpfe auf einem Acker in den entsprechenden Vertiefungen bzw. Ackerfurchen“, veranschaulicht der Festkörperphysiker. „Das ist auch nicht überraschend, wenn beide Gitter strukturell zueinander passen – etwa als wenn man Eierpackungen aufeinanderstapelt.“
Doch auch wenn diese Deckungsgleichheit nicht vorliegt, ordnen sich die Moleküle häufig regelmäßig und hochgeordnet an. Um den Grund dafür näher bestimmen zu können, vermaßen die Jenaer Physiker die Kristallgitter der Moleküle mithilfe eines Rastertunnelmikroskops. Dabei konnten sie zum ersten Mal nachweisen, dass die Moleküle ein flexibles Kristallgitter bilden. „Dieses ermöglicht es den Molekülen, sich so auf dem Trägersubstrat auszurichten, dass sie die größte Menge an Energie aus diesem Prozess herausholen“, erklärt Matthias Meißner, der die Experimente durchgeführt hat. „Um im Bild zu bleiben: Die Kohlköpfe rollen, da sie miteinander verbunden sind, zwar nicht mehr alle in die Ackerfurchen, aber im Rahmen ihrer flexiblen Verbindungen richten sie sich so aus, dass sie alle den weitesten Weg herunterrollen und die größtmögliche Menge an potenzieller Energie freisetzen.“ Im Kristallgitter entstehe dabei eine Art Oberflächenspannung, deren Energie aber geringer sei als der Zugewinn, den man durch diese effiziente Auslenkung erreicht. Wichtig ist dabei, dass die Verbindungen flexibel sind und nicht starr. „Die Kohlköpfe sind sozusagen mit Gummibändern miteinander verbunden, nicht mit Holzstäben“, erklärt Fritz.
Das Phänomen sei zwar insgesamt nicht unbekannt gewesen, doch habe man ihm bisher kaum Bedeutung beigemessen. Durch den erstmaligen Nachweis der flexiblen Kristallgitter konnte Matthias Meißner ein Modell entwickeln und in Kooperation mit Theoretischen Physikern der Universität Jena den Effekt mathematisch beschreiben. Für zukünftige technische Innovationen etwa für neuartige Displays und Solarzellen lässt sich das geordnete Wachstum der Molekülschichten auf nicht exakt passenden Oberflächen besser berücksichtigen oder kann man es sich vielleicht sogar zunutze machen, um definierte Grenzflächen zu erschaffen. Michael D. Ward von der New York University bewertete die Arbeit durchaus positiv: Die neuen Ergebnisse machen die Erstellung molekularer Schichten interessanter, obwohl sie dadurch wahrscheinlich gleichzeitig komplizierter werden.
FSU Jena / JOL