18.07.2016

Flexible zweidimensionale Kristalle

Kristallgitter organischer Moleküle richten sich flexibel auf einem kristallinen Trägersubstrat aus.

Vor 20 Jahren waren Mobil­telefone noch fast so dick wie eine Brotbüchse, heutige Smartphones hingegen werden zunehmend dünner. Ein Grund dafür sind immer neue Forschungs­ergebnisse im Bereich der orga­nischen Elektronik. Denn vor allem Schichten aus organischen Molekülen, die auf eine meist metallische Träger­struktur aufgetragen werden, haben sich aufgrund ihrer geringen Stärke und ihrer halbleitenden und optischen Eigenschaften für Displays bewährt. Um diese Methode weiter­zuentwickeln, ist es deshalb notwendig, mehr darüber zu erfahren, was zwischen Molekül und Metall oder auch zwischen verschiedenen Molekül­schichten passiert.

Abb.: Torsten Fritz (l.) und Matthias Meißner charakterisieren zweidimensionale Kristalle mit diesem Rastertunnelmikroskop. (Bild: Kasper / FSU)

Ein wichtiger Fortschritt auf dem Forschungs­gebiet dieser Grenzflächen­effekte ist jetzt Physikern der Friedrich-Schiller-Univer­sität Jena gemeinsam mit Kollegen aus Mainz und Dresden gelungen. Sie haben heraus­gefunden, dass sich Kristall­gitter organischer Moleküle flexibel auf einem kristal­linen Träger­substrat ausrichten. „Die etwa einen Nanometer großen Moleküle richten sich auf den im atomaren Maßstab gewellten Träger­strukturen oft auf die gleiche Weise aus, um optimales Schicht­wachstum zu erreichen“, sagt Torsten Fritz von der Universität Jena. „Dabei wachsen sie wie Kohlköpfe auf einem Acker in den ent­sprechenden Vertiefungen bzw. Acker­furchen“, veranschau­licht der Festkörper­physiker. „Das ist auch nicht überraschend, wenn beide Gitter strukturell zueinander passen – etwa als wenn man Eier­packungen aufeinander­stapelt.“

Doch auch wenn diese Deckungs­gleichheit nicht vorliegt, ordnen sich die Moleküle häufig regelmäßig und hochgeordnet an. Um den Grund dafür näher bestimmen zu können, vermaßen die Jenaer Physiker die Kristall­gitter der Moleküle mithilfe eines Rastertunnel­mikroskops. Dabei konnten sie zum ersten Mal nachweisen, dass die Moleküle ein flexibles Kristall­gitter bilden. „Dieses ermöglicht es den Molekülen, sich so auf dem Trägersubstrat auszurichten, dass sie die größte Menge an Energie aus diesem Prozess herausholen“, erklärt Matthias Meißner, der die Experimente durchgeführt hat. „Um im Bild zu bleiben: Die Kohlköpfe rollen, da sie miteinander verbunden sind, zwar nicht mehr alle in die Ackerfurchen, aber im Rahmen ihrer flexiblen Verbindungen richten sie sich so aus, dass sie alle den weitesten Weg herunter­rollen und die größt­mögliche Menge an potenzieller Energie freisetzen.“ Im Kristall­gitter entstehe dabei eine Art Oberflächen­spannung, deren Energie aber geringer sei als der Zugewinn, den man durch diese effiziente Auslenkung erreicht. Wichtig ist dabei, dass die Verbin­dungen flexibel sind und nicht starr. „Die Kohlköpfe sind sozusagen mit Gummi­bändern miteinander verbunden, nicht mit Holzstäben“, erklärt Fritz.

Das Phänomen sei zwar insgesamt nicht unbekannt gewesen, doch habe man ihm bisher kaum Bedeutung beigemessen. Durch den erstmaligen Nachweis der flexiblen Kristall­gitter konnte Matthias Meißner ein Modell entwickeln und in Koope­ration mit Theore­tischen Physikern der Universität Jena den Effekt mathematisch beschreiben. Für zukünftige technische Inno­vationen etwa für neuartige Displays und Solar­zellen lässt sich das geordnete Wachstum der Molekül­schichten auf nicht exakt passenden Ober­flächen besser berück­sichtigen oder kann man es sich vielleicht sogar zunutze machen, um definierte Grenz­flächen zu erschaffen. Michael D. Ward von der New York University bewertete die Arbeit durchaus positiv: Die neuen Ergebnisse machen die Erstellung mole­kularer Schichten interessanter, obwohl sie dadurch wahrscheinlich gleichzeitig kompli­zierter werden.

FSU Jena / JOL

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