18.11.2015

Flimmernde Pixel

Helligkeitsschwankungen einer Galaxie erlauben Rückschlüsse auf veränderliche Sterne.

Große Galaxien enthalten mehrere hundert Milliarden Sterne. Darunter sind zwar auch viele veränderliche Sterne, doch in der integrierten Strahlung einer ganzen Galaxie sollten deren Variationen sich gegenseitig aufheben. Anders stellt sich die Situation im „halb aufgelösten“ Bereich auf, wenn das Licht einer Galaxie sich über bis zu eine Million Pixel verteilt. Dann fällt die Zahl der Sterne pro Pixel so weit ab, dass veränderliche Sterne zu messbaren Variationen der Pixelhelligkeit führen können. Das gilt insbesondere für die Sterne im asymptotischen Riesenast (asymptotic giant branch, AGB), wie Charlie Conroy und Jieun Choi von der Harvard University in Cambridge, sowie Pieter van Dokkum von der Yale University in New Haven jetzt zeigen.

Bei dieser späten Entwicklungsphase von Sternen mit Massen im Bereich von 0,6 bis 10 Sonnenmassen handelt es sich um rote Riesen, deren Helligkeit sich auf Zeitskalen von bis zu tausend Tagen um mehr als das Dreifache ändern kann. Die drei Forscher haben zunächst, ausgehend von den derzeit besten Sternentwicklungsmodellen, eine Computersimulation der Sternenpopulation der elliptischen Galaxie M87 entwickelt. Die Verteilung von Perioden und Amplituden der AGB-Sterne passte das Trio dabei an Daten an, die von der OGLE-Durchmusterung über die Bulge der Milchstraße gewonnen worden waren. Dann simulierten Conroy und seine Kollegen Beobachtungen mit einer Auflösung von 0,2 × 0,2 – und erhielten Helligkeitsschwankungen bis zu einem Prozent auf typischen Zeitskalen von einhundert Tagen.

Zum Vergleich zogen die Forscher dann 52 Aufnahmen von M87 heran, die das Hubble Space Telescope im Jahr 2005 in einem Zeitraum von 72 Tagen gewonnen hatte. Mithilfe der Positionen von Kugelsternhaufen im Bildfeld konnten Conroy und seine Kollegen dabei die exakte Ausrichtung gewährleisten. Pixel, die um mehr als dreißig Prozent von einem geglätteten Modell abwichen, wurden als Ausreißer eliminiert – neben Artefakten handelt es sich hier vor allem um Kugelsternhaufen und Hintergrundgalaxien. Weiterhin wurden die Zentralregion und der Materiejet maskiert. Die verbleibenden Pixel zeigen kohärente Variationen, die qualitativ gut mit den simulierten Lichtkurven übereinstimmen. Allerdings zeigt nur etwa ein Viertel der Pixel statistisch relevante Variationen – und gerade darin sieht das Trio einen Beleg dafür, dass es sich in der Tat um einen Effekt durch die roten Riesen handelt. Denn zufällige Schwankungen durch instrumentelle Einflüsse müssten gleichmäßig in allen Pixeln auftreten.

Es handelt sich nicht um den ersten Nachweis von zeitlichen Schwankungen in den Bildpixeln von Galaxien – mit ähnlichen Verfahren haben andere Forschergruppen bereits Novae aufgespürt und den Mikro-Gravitationslinseneffekt nachgewiesen. Auch Conroy und seine beiden Kollegen stießen in den Hubble-Daten quasi nebenbei auf 15 Novae in M87. Doch bei Novae und Mikro-Gravitationslinsen handelt es sich um vergleichsweise seltene Ereignisse, wie die drei Forscher betonen, während die AGN-Sterne ständig eine große Zahl von Pixeln zum Flimmern bringen.

Die Methode könnte in Zukunft beispielsweise genutzt werden, um unabhängig von konventionellen Verfahren das Alter von Sternenpopulationen zu bestimmen, da das Alter die Verteilung der Perioden der AGN-Sterne beeinflusst. Und die Häufigkeit der Pixel-Variationen erlaubt Rückschlüsse auf die Zeitspanne, die Sterne in ihrer späten Entwicklung auf dem asymptotischen Riesenast verbringen. So zeigt der Vergleich der Hubble-Daten mit den Computermodellen, dass die AGN-Phase in M87 etwa um dreißig Prozent kürzer ist, als es die derzeit besten Sternentwicklungsmodelle vorhersagen. Das, so Conroy, Choi und van Dokkum, könnte an dem hohen Anteil an schweren Elementen in M87 liegen.


Rainer Kayser

Abb.: Hubble-Aufnahme der großen elliptischen Galaxie M87. Zu erkennen ist der Materiestrahl, der vom zentralen supermassereichen schwarzen Loch der Galaxie ausgeht. (Bild: NASA/ESA)


Originalarbeit:

C. Conroy, P. G. van Dokkum & J. Choi: Ubiquitous time variability of integrated stellar populations, Nature, online 16. November 2015; DOI: 10.1038/nature15731
http://dx.doi.org/10.1038/nature15731

weitere Arbeiten:

E. Vassiliadis & P. R. Wood: Evolution of low- and intermediate-mass stars to the end of the asymptotic giant branch with mass loss, Astrophys. J. 413, 641 (1993); DOI: 10.1086/173033
http://dx.doi.org/10.1086/173033#

P. G. van Dokkum & C. Conroy: Fluctuation spectroscopy: a new probe of old stellar populations, Astrophys. J. 797, 56 (2014); DOI: 10.1088/0004-637X/797/1/56
http://dx.doi.org/10.1088/0004-637X/797/1/56

Links:

Charlie Conroy, Astronomy Department, Harvard University
http://astronomy.fas.harvard.edu/people/charlie-conroy

Pieter G. van Dokkum, Astronomy Department, Yale University
http://www.astro.yale.edu/dokkum/Home/Welcome.html

Hubble Space Telescope
http://hubblesite.org/

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