Flüssigkeiten im All
Experiment auf der ISS zur Untersuchung des Kapillarverhaltens von Flüssigkeiten unter Schwerelosigkeit.
Experiment auf der ISS zur Untersuchung des Kapillarverhaltens von Flüssigkeiten unter Schwerelosigkeit.
Auf der Internationalen Raumstation ISS ist am 2. Januar 2011 eine neue Versuchsanlage in Betrieb genommen worden, die der Untersuchung des Kapillarverhaltens von Flüssigkeiten unter Schwerelosigkeit dient. Konkret geht es um die Frage, wie es im All möglich ist, Flüssigkeiten mit Hilfe von Kapillarkanälen blasenfrei zu transportieren. Im Laufe der mehrmonatigen Experimentserie soll insbesondere geklärt werden, welche Strömungsgeschwindigkeiten möglich sind, ohne dass der Flüssigkeitsstrom abreißt.
Im Rahmen des CCF-Projekts (Capillary Channel Flow) führen Wissenschaftler der Portland State University (PSU) und des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen mit Hilfe der Astronauten auf der ISS strömungstechnische Experimente durch. Diese sind für die Handhabung unterschiedlicher Flüssigkeiten, beispielsweise von Treibstoffen, im All von praktischem Nutzen. Im Treibstofftank eines Satelliten oder eines Raumfahrzeugs bleibt der Treibstoff nicht am Boden, sondern verteilt sich an den Tankinnenwänden und anderen Bauteilen. Daher ist eine Vorrichtung notwendig, die den Treibstoff dorthin befördert, wo er gebraucht wird. Zur Flüssigkeitshandhabung im All macht man sich unter anderem die Adhäsions- und Kohäsionskräfte zunutze. Hinter dem Ausdruck Adhäsionskraft steht die Neigung von Molekülen unterschiedlicher Stoffe, sich aneinanderzuheften. Mit Kohäsionskräften werden die Anziehungskräfte bezeichnet, die zwischen den Flüssigkeitsmolekülen wirken.
Ziel der Untersuchungen ist es, die Flüssigkeit mit Hilfe von Kapillarkanälen blasenfrei zu fördern. Dabei strömt die Flüssigkeit zwischen zwei parallel angeordneten Platten zum Auslass aus dem Tank. Der Kanal ist oben und unten begrenzt und seitlich offen. Dass der angesaugte Treibstoff trotzdem zwischen den Platten bleibt, liegt an den erwähnten Kräften und der daraus resultierenden Oberflächenspannung. Bei dem Experiment soll insbesondere geklärt werden, welche Strömungsgeschwindigkeiten möglich sind, ohne dass Blasen mit angesaugt werden oder der Flüssigkeitsstrom abreißt.
Abb.: Der Versuchsapparat für die Untersuchung des Kapillarverhaltens von Flüssigkeiten unter Schwerelosigkeit wurde im Bremer Fallturm erprobt. (Bild: Uni Bremen)
Der Versuchsaufbau ist zuvor im Bremer Fallturm und bei ballistischen Raketenflügen in bis zu 270 Kilometer Höhe getestet worden. Im April 2010 wurde er mit dem 38. Shuttle-Flug (Flug STS 131 des Space Shuttle Discovery) zur Raumstation befördert, wo er nun in die sogenannte Microgravity Science Glovebox (MSG) eingebaut wurde. Für die Experimente steht damit nun wesentlich mehr Zeit zur Verfügung. Auch wird die Variation diverser Strömungsparameter, wie zum Beispiel der Kanallänge, des Volumenstroms, der Änderung des Volumenstromes sowie eine Oszillation der Strömung, ermöglicht. Die Versuchseinheit wird im Verlauf des Experiments vollständig von der Bodenkontrollstation des ZARM in Bremen gesteuert.
Universität Bremen / MH