22.01.2021 • Quantenphysik

Flug durch die Teilchenwolke

Erstmals Bewegung eines Ions durch ein Bose-Einstein-Kondensat beobachtet.

Transportprozesse in Materie geben immer noch viele Rätsel auf. Ein Forschungs­team um Florian Meinert von der Uni Stutt­gart hat jetzt eine neue Methode entwickelt, die es erstmals erlaubt, ein einzelnes geladenes Teilchen auf seinem Weg durch eine dichte Wolke aus Quanten­teilchen zu beobachten. Das Team nutzt dafür ein Bose-Einstein-Kondensat, kurz BEC. In diesem exotischen Quanten­zustand befinden sich die Atome in einer dichten und ultra­kalten Wolke. Mit ausge­klügelter Laser­technik präpa­rierten sie im BEC ein einzelnes Rydberg­atom. In diesem Riese­natom befindet sich das äußere Elektron tausend­mal weiter weg vom Kern als im Grund­zustand und ist nur noch schwach an den Kern gebunden.

Abb.: Künst­lerische Dar­stel­lung des Wegs eines positiv geladenen Ions...
Abb.: Künst­lerische Dar­stel­lung des Wegs eines positiv geladenen Ions (gelb) durch das Bose-Ein­stein-Kon­den­sat (grün; Bild: C. Brandes, U. Stutt­gart)

Mit einer speziellen Sequenz von elektrischen Feld­pulsen entreißen die Forscher dem Atom dieses Elektron. Das vormals neutrale Atom verwandelt sich in ein positiv geladenes Ion, das bei diesem Kraftakt trotzdem ultrakalt bleibt. Im Anschluss wird das Ion mit Hilfe elektrischer Felder kontrolliert durch die dichte Atomwolke des BECs gezogen. Das Ion nimmt in dem elektrischen Feld an Fahrt auf und stößt auf seinem Weg mit anderen Atomen zusammen, wird abgebremst und durch das elektrische Feld wieder beschleunigt. Den Forschern gelang es, über dieses Wechsel­spiel aus Beschleunigung und Abbremsen das Ion in einer konstanten Bewegung gezielt durch das BEC zu bewegen.

„Wir können mit dieser neuen Methode erstmals die Mobilität eines einzelnen Ions in einem Bose-Einstein-Kondensat messen“, freut sich Team-Mitglied Thomas Dieterle. Im nächsten Schritt möchten die Forscher die Kollisionen zwischen dem Ion und den Atomen bei noch niedrigeren Tempera­turen beobachten, bei denen die Gesetze der klassischen Mechanik keine Rolle mehr spielen und die Quanten­mechanik die Prozesse bestimmt.

„Mit dem Transport eines einzelnen Ions haben wir ein Modell­system geschaffen, das es uns erlaubt, künftig auch komplexere Transport­prozesse in Viel­teilchen­systemen besser zu verstehen“, ist sich Meinert sicher. „Das könnte zum Beispiel in bestimmten Fest­körpern oder für die Supra­leitung relevant sein.“ Die Messungen sind dabei auch ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Erforschung von Polaronen, exotischer Quasi­teilchen, die durch Wechsel­wirkung von Atomen und Ionen entstehen können.

Die Wissenschaftler arbeiten bereits an einem Ionen­mikroskop, mit dem sich Kollisionen zwischen Atomen und einzelnen Ionen direkt beobachten lassen. Während ein Elektronen­mikroskop mit negativ geladenen Teilchen ein Bild erzeugt, geschieht das im Ionen­mikroskop mit positiv geladenen Ionen. Die Ionen werden dabei mit elektro­statischen Linsen abgelenkt ähnlich wie Licht­strahlen in einem klassischen optischen Mikroskop.

U. Stuttgart / RK

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