29.05.2015

Formgedächtnis ohne Ermüdung

Legierung aus Titan, Nickel und Kupper hält mehreren Millionen Verformungszyklen stand.

Bei Operationen komplizierter Knochenbrüche setzten Ärzte zunehmend auf Gedächtnismetalle. Ihre Vorteile: superelastischen Verhaltens und Korrosionsfestigkeit. In Zukunft könnten aus den Legierungen sogar künstliche, reversibel verformbare Herzklappen entwickelt werden. Doch für diese kritischen Anwendungen ist eine zuverlässige Stabilität über viele Jahre nötig, die verfügbare Legierungen wie etwa das aus Nickel und Titan bestehende Nitinol nicht bieten. An der Uni Kiel kam nun eine Forschergruppe der Lösung dieses Problems einen Schritt näher. Sie schufen eine Legierung, die selbst nach mehreren Millionen Verformungszyklen keine Ermüdungserscheinungen zeigte.

Abb.: Unter dem Elektronenmikroskop offenbart sich die Kristallstruktur einer neuen Legierung für Gedächtnismetall. Ti2Cu-Bereiche (grüne Punkte) sind für eine hohe Zyklenfestigkeit verantwortlich. (Bild: C. Chluba et al. / AAAS)

Das Team um Christoph Chluba fertigte dazu in einem Magnetron-Sputter-Verfahren dünne Schichten aus Ti54Ni34Cu12. Der Zusatz weiterer Metalle wie Kupfer, Platin, Eisen oder Hafnium diente bisher dazu, die Transformationstemperatur der Gedächtnismetalle an die jeweiligen Anforderungen anzupassen. Doch gerade Kupfer zeigte in der neuen Legierung einen weiteren Vorteil. Der veränderte Kristallaufbau ließ sich über zehn Millionen Mal zwischen der kubisch-flächenzentrierten Austenit- und der tetragonalen, metastabilen Martensit-Struktur wechseln. Fehlstellen oder gar makroskopische Risse traten bei den Versuchen nicht mehr auf.

Den Grund für diese hohe Zyklenfestigkeit fanden Chluba und Kollegen bei der Analyse der Kristallstruktur, zu der sie die Streuung von Röntgenstrahlen und hochauflösende Transmissionselektronenmikroskopie nutzten. Dabei betrachteten sie die Kristallstrukturen jeweils vor und nach einer mechanischen Verformung. Die Auswertung der Messdaten ergab, dass sich zusätzlich zum reversiblen Wechsel zwischen Austenit- und Martensit-Struktur eine spezielle Ti2Cu-Phase im Kristallgefüge ausbilden konnte. Dieser Ti2Cu-Phase rechnen die Forscher eine Art Wächterrolle zu, die offensichtlich stabilisierend auf die Legierung wirkt. Sie ist dafür verantwortlich, dass während der Strukturwechsel keine nennenswerten Fehlstellen im Material auftreten.

Die Materialforscher legen mit ihrer langlebigen Legierung die Grundlage für stabilere Gedächtnismetalle. Weitere Zusammensetzungen halten sie für möglich, etwa wenn die Kupferanteile durch Silber ersetzt werden. Dabei haben sie nicht nur Anwendungen in der Medizintechnik im Blick. Denn Gedächtnismetalle können bei ihrer mechanischen Verformung der Umgebung auch Wärme zuführen oder entziehen.

So schlugen erst vor wenigen Wochen dänische Wissenschaftler von der Technischen Universität in Roskilde vor, einen Kühlschrank auf der Basis des elastokalorischen Effekts – einer Temperaturänderung nach einer Verformung - zu entwickeln. Mit der nun gefundenen Legierung wäre auch die nötige Langlebigkeit für ein solches Gerät durchaus erreichbar.

Jan Oliver Löfken

RK

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