Forschen mit Passagierflugzeug
Unter Federführung des Mainzer Max-Planck-Instituts für Chemie messen Wissenschaftler Spurengase mit einem Lufthansa-Passagierflugzeug.
Forschung im Passagierflugzeug
Ein Lufthansa Airbus A340-600 wird ab Mitte Dezember 2004 auf Langstrecken- und Intercontinentalflügen als Messplattform für die internationale Atmosphärenforschung dienen. Unter Federführung des Mainzer Max-Planck-Instituts für Chemie werden Wissenschaftler aus fünf europäischen Ländern über viele Jahre die Zusammensetzung der Erdatmosphäre sowie die dortigen chemischen Prozesse und Transportvorgänge untersuchen können.
Abb. 1: Das Einlasssystem mit Mess-Sonden sammelt eingeströmte Luft- und Aerosolproben ein.
© Lufthansa
Der erste Messflug des CARIBIC-Projekts (Civil Aircraft for the Regular Investigation of the Atmosphere Based on an Instrumented Container) führt vom Flughafen Frankfurt nach Buenos Aires, wo zurzeit die 10. Weltklimakonferenz stattfindet. Während des 14-stündigen Fluges über den Atlantik nach Südamerika werden wertvolle Daten gesammelt. Von dem Forschungsvorhaben dürften die Flugpassagiere kaum etwas bemerken. Unterhalb des Flugzeugsbauchs ist ein Lufteinlasssystem mit Mess-Sonden montiert (Abb. 1), das die Luftproben einsammelt und sie zu den empfindlichen Instrumenten in einem Messcontainer leitet, der im vorderen Laderaum des Airbusses untergebracht wird. Die Instrumente dieses fliegenden Laborcontainers (Abb. 2) arbeiten während des ganzen Fluges unabhängig und vollautomatisch. Hier werden die Proben - Spurengase und Aerosolpartikel - an Ort und Stelle genau analysiert. Die eingeströmte Probenluft wird zusätzlich über das Einlasssystem gesammelt und später in den beteiligten Forschungsinstituten untersucht.
Ein- oder zweimal im Monat wird der Forschungscontainer von Frankfurt aus ausgewählte Orte rund um den Globus erreichen. "Durch die Verwendung einer Linienmaschine erhalten wir kontinuierliche Daten - auch aus Gebieten, in denen Forschungsflugzeuge sonst nicht messen - und können damit die weltweite Verteilung von Gasen und Schadstoffen in der Atmosphäre dokumentieren", meint Projektleiter Dr. Carl Brenninkmeijer. Außerdem bewegt sich das Flugzeug auf seiner Reiseflughöhe in einer Region, die für die Atmosphärenforscher höchst interessant ist: der so genannten Tropopause, der Grenzschicht zwischen Troposphäre und darüber liegender Stratosphäre in acht bis zwölf Kilometern Höhe. "Passagierflugzeuge schließen damit in der Atmosphärenforschung die Lücke zwischen Boden- und Satellitenmessungen", ergänzt Lufthansa-Umweltexperte Dr. Andreas Waibel.
Mit dem CARIBIC-Container werden alle Treibhausgase, Wasserdampf, Ozon, Stickoxide, Quecksilber, Kohlenmonoxid und zahlreiche weitere Gase in der Atmosphäre erfasst. Darüber hinaus wird fundierte Information über die Häufigkeit und Eigenschaften von Aerosolen erhalten. Aerosolpartikel spielen eine wichtige, wenn auch komplexe Rolle bei der Wolkenbildung und beeinflussen auch den Strahlungshaushalt der Atmosphäre. Weiterhin werden detaillierte Erkenntnisse über die Phänomene der Biomasseverbrennung, über die Emissionen der Ozeane und tropischen Wälder sowie über den Luftmassenaustausch zwischen Stratosphäre und Troposphäre erwartet.
Abb. 2: Der CARIBIC-Forschungscontainer, ein anderthalb Tonnen schweres, fliegendes Messlabor im Frachtraum des Lufthansa-Airbusses, untersucht zahlreiche Spurengase in der Reiseflughöhe. © Max-Planck-Institut für Chemie
Klimaänderungen haben komplexe Ursachen globalen Maßstabs. Mit diesem einzigartigen Projekt verfügen nun die Max-Planck-Wissenschaftler und ihre Kollegen über ein äußerst leistungsfähiges System, um weltweite Veränderungen in der Zusammensetzung der Atmosphäre detailliert verfolgen zu können. "Wir erwarten auch, dass die Ergebnisse von CARIBIC dazu beitragen, Satellitenbeobachtungen deutlich verlässlicher zu machen, indem die Messergebnisse beider Methoden verglichen werden", meint Dr. Brenninkmeijer.
Das CARIBIC-Projekt ist eine Kooperation des Max-Planck-Instituts für Chemie mit dem Leibniz-Institut für Troposphärenforschung, dem Institut für Meteorologie und Klimaforschung des Forschungszentrums Karlsruhe, dem Institut für Physik der Atmosphäre am Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt und dem Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg, in enger Zusammenarbeit mit der Lufthansa und Lufthansa Technik. Es wird unterstützt durch die Lufthansa, das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF, Projekt AFO-2000) und die Europäische Kommission. Insgesamt sind 10 Institutionen aus fünf Ländern der Europäischen Union an diesem innovativen Projekt beteiligt.
Quelle: idw
Nähere Infos: