21.06.2013

Forschen und Fördern?

Eine Diskussion an der Uni Köln widmet sich der Zukunft des deutschen Wissenschaftssystems.

Exzellenzinitiative, Hochschulpakt, Pakt für Forschung und Innovation – dank dieser Initiativen von Bund und Ländern sind in den vergangenen Jahren viele zusätzliche Milliarden in das deutsche Wissenschaftssystem geflossen. Aber wie geht es weiter, wenn diese befris­teten Maßnahmen auslaufen? Auf diese Frage ist die Politik bislang eine Antwort schuldig geblieben. Der Wissenschaftsrat hat deshalb eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die „längerfristige Perspektiven der wissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland, ihrer Organisation und ihrer Förderung entwickeln und bewerten“ soll. Während der Wissenschaftsrat noch an seinen Empfehlungen feilt, hat die Helmholtz-Gemeinschaft mit dem Positionspapier „Helmholtz 2020 – Zukunftsgestaltung durch Partnerschaft“ bereits ihre Vorstellungen zur Zukunft des deutschen Wissenschaftssystems formuliert und einen Gestaltungsanspruch angemeldet, der bei den Universitäten zum Teil auf heftige Kritik gestoßen ist. Inzwischen sucht die Helmholtz-Gemeinschaft im Rahmen ihrer neuen Veranstaltungsreihe „Helmholtz&Uni“ den direkten Dialog mit den Universitäten. Nach dem Auftakt in Frankfurt fand die zweite Veranstaltung am 11. Juni an der Universität Köln statt, wo sich Helmholtz-Präsident Jürgen Mlynek der lebhaften Diskussion mit Unipräsident Axel Freimuth, DFG-Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek und dem Neurowissenschaftler Gereon Fink stellte.

Moderiert von Manuela Kasper-Claridge (Mitte) diskutierten an der Universität Köln Jürgen Mlynek, Axel Freimuth, Dorothee Dzwonnek und Gereon Fink (v. l.). (Quelle: Patric Fouad / Helmholtz-Gemeinschaft)

Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer darüber, dass der Wissenschaftsstandort Deutschland noch nie so attraktiv war wie heute und große Gestaltungsspielräume bietet. Die noch vor wenigen Jahren beklagte Versäulung in Universitäten und diverse außeruniversitäre Einrichtungen ist vor allem durch die Exzellenzinitiative überwunden, denn in mehr als 80 Prozent aller Cluster kooperieren die Universitäten mit Helmholtz-Zentren, Max-Planck-, Fraunhofer- oder Leibniz-Instituten. Mit Blick auf die Zukunft wünschte sich Mlynek mehr Phantasie und Experimentierfreude, wobei die Universitäten „ohne Zweifel im Zentrum des Wissenschaftssystems“ stünden. Dies spiegelt sich allerdings nicht in den Finanzen wider, denn anders als bei den Universitäten sind die Budgets der außeruniversitären Einrichtungen in den letzten fünf Jahren um fast die Hälfte gestiegen. Freimuth beklagte zudem, dass die Finanzierung von Einrichtungen wie dem Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln oder dem Helmholtz-Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen in Bonn über 20 Jahre gesichert sei, das Kölner Exzellenzcluster zur Altersforschung aber mit nur fünf Jahren auskommen solle. „Ein Cluster mit diesem Finanzvolumen einzurichten und dann die Uni bei der Frage nach der Verstetigung im Regen stehen zu lassen, ist keine gute Strategie“, sagte er.

Für Mlynek kann ein Teil der Lösung darin bestehen, neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Universitäten und außeruniversitären Einrichtungen zu finden. Ihm schwebt dabei vor, die Helmholtz-Gemeinschaft könne entsprechend ihres Auftrags zu „strategischen Themen von nationaler Bedeutung“ auch Forschungsverbünde mit Projektmitteln finanzieren. Damit würde die Helmholtz-Gemeinschaft sowohl die Rolle des Forschers als auch die des Forschungsförderers einnehmen. Im Gegensatz dazu vertrat Dzwonnek die Auffassung, man solle diese beiden Rollen trennen. Zugleich warnte sie davor, Ziel und Mittel zu verwechseln, wenn immer wieder der Grundsatz „Nur Kooperationen machen Forschung effizient“ beschworen wird. Am Anfang müsse die Frage stehen, was gute Forschung ausmacht. Freimuth äußerte die Befürchtung, angesichts des Gestaltungsanspruchs und der finanziellen Möglichkeiten der Helmholtz-Gemeinschaft seien die Kooperationen nicht „auf Augenhöhe“ und die Universitäten bekämen das „Korsett der Programmorientierung übergestülpt“.

„Dies ist kein Korsett, sondern ein Rahmen, in dem man sich bewegt“, erwiderte Mlynek, der bei den angestrebten „nationalen Verbünden“ keinen grundsätzlichen Unterschied sah zu den strukturbildenden Maßnahmen wie Sonderforschungsbereichen oder Graduiertenkollegs, zu denen die DFG die Universitäten „schon seit Jahrzehnten zwingt“. Auch hier erntete er Widerspruch, der sich an der Tatsache entzündete, dass die Agenda der Helmholtz-Gemeinschaft politisch verabredet ist. „Der kleine Unterschied zwischen Helmholtz und uns ist, dass die Programmatik bei Ihnen von außen gesetzt ist und wir sie uns selbst aussuchen können“, sagte Freimuth. Die programm­orientierte Förderung sei sicher notwendig für die Bearbeitung großer nationaler Fragen, sie mache aber unflexibel und sei nicht „das Mittel der Wahl“ an einer Universität. Dzwonnek betonte, die DFG zwinge niemanden, sondern mache Angebote für unterschiedliche Formen der Förderung: „Mein Ansatz ist, möglichst viel Freiraum, Flexibilität und Vielfalt anzubieten. Wir müssen wieder zurück zur wissenschaftlichen Fragestellung und dem Bedarf, der sich daraus ergibt.“ Mit der Modularisierung der Förderprogramme, einer Art Baukastensystem von möglichen Antragspositionen, möchte die DFG ein Angebot machen, das „hoffentlich für Forschungsfragen jeder Größenordnung adäquat und passend ist“.

Neben allen Differenzen waren sich die Teilnehmer darin einig – und dieser Punkt kam bei der ganzen Diskussion etwas zu kurz –, dass die Finanzierung der Lehre ein größeres Problem ist als Geld für die Forschung. Nach Abschaffung der Studiengebühren hätten die Universitäten überhaupt keine Möglichkeit mehr, „Drittmittel“ für die Lehre einzunehmen, erinnerte Mlynek: „Die Unis sind daher auf Gedeih und Verderb auf öffentliche Unterstützung angewiesen.“ Gleichzeitig untersagt Artikel 91b im Grundgesetz, das sog. Kooperationsverbot, dem Bund, dauerhaft Universitäten zu finanzieren, was den klammen Länderhaushalten vorbehalten ist. Die Teilnehmer äußerten aber Hoffnung, dass nach der Bundestagswahl Bewegung in diese Frage kommt. „Es kann nicht sein, dass das Geld vom Bund für die Bildung nur über Umwege an die Universitäten fließen kann“, sagte Freimuth, der auch die mit „großen Spannungen“ diskutierte Frage der Differenzierung der Universitäten ins Blickfeld rückte: „Der Versuch, alle Unis auf Augenhöhe mit Harvard zu bringen, wird aussichtslos sein“. Nach einer engagiert geführten Diskussion blieben viele der zentralen Fragen zur Zukunft des deutschen Wissenschafts­systems erwartungsgemäß unbeantwortet. Nun bleibt abzuwarten, ob dem Wissenschaftsrat mit seiner für Juli erwarteten Empfehlung der große Wurf gelingt.

Stefan Jorda

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