04.05.2018

Fraktale im Knochen

Elektronenmikroskopie offenbart drei­dimensionale Nano­struktur mit zwölf Hierarchie­stufen.

Knochen halten dank ihres komplexen Aufbaus teils sehr großen Belas­tungen stand. Durch die Kombination von weichen und starren Substanzen zeigen sie eine hohe Festigkeit bei gleich­zeitiger Elasti­zität. Außen bestehen sie aus kompaktem Knochen­gewebe, im Innern findet sich ein schwamm­artiges Gerüst. Mit mehreren mikro­skopischen Verfahren entschlüs­selten nun deutsche und britische Wissen­schaftler die innere Knochen­struktur erstmals bis auf die Nanoebene. Dabei zeigte der hierarchische, drei­dimensionale Aufbau aus harten Mineralen und flexiblen Proteinen einen fraktal­artigen Aufbau über zwölf Stufen.

Abb.: STEM-Aufnahmen offenbaren die filigranen, faserförmigen Nanostrukturen aus weichem Kollagen und harten Apatit-Kristallen in menschlichen Oberschenkelknochen. (Bild: N. Reznikov et al., Science 2018)

Trotz intensiver Forschung war der exakte Knochen­aufbau bisher noch nicht in allen Details bekannt und Gegenstand teils kontro­verser Diskussionen. Mit ihrer Analyse liefern nun Physiker Roland Kröger von der Univer­sity of York und seine Kollegen vom Imperial College London eine wichtige Daten­basis, um die hohe Stabilität von Knochen exakter erklären zu können. Sie kombi­nierten mit der Transmissions­elektronen­mikroskopie und ausge­klügelten Tomographie­methoden mehrere bildgebende Verfahren, um die Knochen­struktur mit einer Auflösung von wenigen Nano­metern zu ent­schlüsseln.

Für ihre Arbeit nutzten die Wissen­schaftler Proben von Oberschenkel­knochen, die unter Beachtung strenger ethischer Standards bei Operationen von zwei Frauen im Alter von 48 und 50 Jahren mit deren Einver­ständnis gewonnen wurden. Kröger und Kollegen benötigten für ihre Analysen teils nur etwa 100 Nanometer dünne Knochen­schnitte. Mit einem Transmissions­elektronen­mikroskop (TEM) gewannen sie einen zwei­dimensionalen Überblick über die innere Knochen­struktur. Einen drei­dimensionalen Einblick erhielten sie über mehrere Aufnahmen mit einem Raster­transmissions­elektronen­mikroskop (STEM), die unter ver­schiedenen Winkeln aufgenommen wurden.

Im Wesent­lichen bilden Knochen ein Komposit­material aus zwei Substanzen: das flexible Struktur­protein Kollagen und die harten Kristalle des Minerals Apatit. Diese beiden Substanzen verknüpfen sich in einem hierarchischen Aufbau mit­einander. Knochen erreichen dadurch mechanische Eigen­schaften, die besser sind als die von jeder Substanz allein. Genau diesen hierarchischen Aufbau vom Molekül bis zum Knochen als Ganzes machten die Wissen­schaftler über die Kombination der mikro­skopischen Verfahren mit zuvor unerreichter Genauig­keit sichtbar. Ihr Ergebnis: Weiches Kollagen und hartes Apatit setzt sich über insgesamt zwölf Stufen zu sich selbst ähnlichen, fraktal­artigen Strukturen zusammen.

Abb.: Auf dieser TEM-Aufnahme sind zuvor unbekannte, nur etwa fünf Nanometer kleine propellerähnliche Strukturen aus Apatit-Kristallen sichtbar. (Bild: N. Reznikov et al., Science 2018)

Unterhalb von 100 Nano­metern lagern sich Kollagen-Moleküle zu zunehmend kom­plexeren, in sich gewundenen Mikro­fasern zusammen. Im gleichen Größen­bereich formen die harten Apatit-Kristalle zuerst kleine Nano­plättchen, die sich darauf zu winzigen Stapeln zusammenlagern. Auch ineinander verdrehte Stapel vergleich­bar mit winzigen Propellern sind dabei möglich. Erst in der folgenden Stufe verknüpfen sich die weichen Kollagen-Fasern mit den harten, kristal­linen Apatit-Stapeln zu wenige Mikrometer großen Fasern. Diese Fasern ordnen sich in teils geordneten, teils unge­ordneten Strukturen zusammen, um sich dann zu größeren Faser­bündeln zu verdrillen. Mehrere Faser­bündel bilden geschichtete Lamellen­strukturen, die schließlich als Bausteine für wenige Millimeter große Lamellen-Pakete in der Knochen­struktur dienen.

Dieser verblüf­fende Einblick in den Aufbau von mensch­lichen Knochen liefert nicht nur eine Datenbasis, um die mechanischen Eigen­schaften des im Körper stets nach­wachsenden Gewebes besser zu verstehen. Die Aufnahmen von Kröger und Kollegen könnten nun zu konkreten Anwendungen im medi­zinischen Bereich bei der Optimierung des Knochen­aufbaus von Patienten führen. Zudem könnte diese Detail­analyse auch neue Impulse bei der Entwicklung hoch­fester und zugleich flexibler bio­nischer Werkstoffe geben.

Jan Oliver Löfken

JOL

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