Fraktale Strukturen in metallischen Gläsern
Neues Strukturmodell könnte die ungewöhnliche Härte dieser amorphen Materialien erklären helfen.
Metallisches Glas kann härter und widerstandsfähiger sein als Metalle mit kristalliner Ordnung. Verantwortlich dafür ist die ungeordnete, amorphe Struktur, die sich beim schockartigen Erstarren einer Schmelze einstellt. Wegen der Unordnung gestaltet sich eine physikalische Beschreibung der atomaren Struktur dieser noch jungen Materialklasse jedoch schwierig. Eine Arbeitsgruppe am California Institut of Technology schlägt nun ein Modell vor, dass von einer fraktalen Struktur der direkt benachbarten Atome im metallischen Glas ausgeht. Mit molekulardynamischen Simulationen und Strukturanalysen über gebeugte Röntgenstrahlen konnten sie Hinweise finden, die ihr Modell untermauern.
Abb.: Simulation eines metallischen Glases – im Nahbereich zeigt dieses amorphe System aus Kupfer und Zirkonium fraktale Strukturen. (Bild: D. Chen et al., Caltech / AAAS)
„Fraktale Konzepte können sinnvoll sein, um amorphe Materialien auf atomarer Ebene besser zu verstehen“, sagt Caltech-Forscher David Chen. Zusammen mit Kollegen von der Stanford University und dem Carnegie Institute of Washington in Argonne suchte er bei verschiedenen metallischen Gläsern nach Hinweisen für eine fraktale Struktur. So untersuchten sie beispielsweise eine metallisches Glas aus Kupfer, Zirkonium, Aluminium und Beryllium mit den Methoden der Röntgenbeugung und der Transmissionsmikroskopie mit Röntgenstrahlung. Molekulardynamische Berechnungen an etwas vereinfachten Systemen ergänzten diese Analysen.
Tatsächlich zeigten die Experimente Hinweise auf fraktale Strukturen im Nahbereich zwischen direkt benachbarten Atomen. Diese Fraktale ließen sich mit der sogenannten Dimensionalität beschreiben. Dreidimensionale weisen eine Dimensionalität von 3 auf, Flächen haben den Wert 2 und Linien den Wert 1. Fraktale Strukturen zeichnen sich jedoch durch Abweichungen von diesen ganzzahligen Werten auf. So konnte die Struktur der Atome im Nahbereich eines metallischen Glas mit der Dimensionalität von etwa 2,5 beschrieben werden.
Chen und Kollegen machten haufenartige Ansammlungen, sogenannte Perkolationscluster, im amorphen Material für diese fraktalen Strukturen verantwortlich. Diese Cluster könnten sich bereits in einer flüssigen Metallschmelze bilden. Beim schockartigen Erstarren dieser Schmelze lassen sie sich quasi einfrieren und im festen metallischen Glas eng zusammenpressen. So wäre auch im amorphen Festkörper über kurze Distanzen eine Dimensionalität von etwa 2,5 möglich, über größere Abstände steigt der Wert jedoch wieder auf 3 an. Das bedeutet, dass über das gesamte Material keine fraktalen Strukturen mehr vorliegen und sich die Metallatome zu einer dicht gepackten Struktur aneinanderlagern können.
Diese Studie zeigt mit experimentellen Daten und komplexen Struktursimulationen, dass eine fraktale Ordnung im Nahbereich metallischer Gläser wahrscheinlich ist. Auf dieser Basis könnten nun die exotischen Eigenschaften dieser Materialklasse, allen voran ihre ungewöhnlich hohe Stabilität, besser verstanden werden.
Jan Oliver Löfken
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