Fraunhofer-IT-Plattform synchronisiert Stromangebot und -nachfrage
Im Rahmen des Kopernikus-Projekts SynErgie entwickeln Forscher eine Energie-Synchronisations-Plattform.
Bereits Mitte dieses Jahrhunderts soll Deutschland weitestgehend klimaneutral sein. Doch die zunehmende Nutzung von Strom aus erneuerbaren Quellen führt aufgrund der Wetterabhängigkeit zu einem immer volatileren Stromangebot. Damit das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage im Stromsystem jederzeit gewährleistet werden kann, sind Maßnahmen zum Ausgleich dieser Schwankungen notwendig. Energieintensive Industrieprozesse beinhalten ein hohes Flexibilitätspotenzial, um diesen Schwankungen durch Veränderungen der Stromnachfrage zu begegnen. Im Kopernikus-Projekt SynErgie mit mehr als neunzig Partnern arbeiten derzeit 18 Partner aus Industrie und Forschung an einer Energiesynchronisationsplattform, mit der sich der Energiebedarf der einzelnen Industrieunternehmen effektiv mit dem volatilen Energieangebot synchronisieren lässt.
Mit dieser Plattform sollen künftig Angebot und Nachfrage aufeinander abgestimmt werden, der komplette Prozess des Energieflexibilitätshandels von der Maschine bis an die Märkte soll mittels der IT-Plattform und ihrer Services automatisiert und standardisiert sowie in einer Referenzarchitektur abgebildet werden. Digitale Services, die auf der Plattform laufen, greifen auf die Daten von System oder Anlagen der Unternehmen zu und bestimmen den bedarfsgerechten Einsatz verschiedener Flexibilitätsmaßnahmen, die zur Verfügung stehen. Abschluss der Entwicklungen an der Referenzarchitektur ist für Ende 2022 geplant. Diese sollen mit zahlreichen Forschungs- und Industriedemonstratoren, insbesondere in der energieflexiblen Modellregion Augsburg, im Testbetrieb erprobt werden.
Zahlreiche Fragen werden mit der Energiesynchronisationsplattform adressiert: Wie ist das derzeitige Stromangebot auf dem Markt – gibt es Mängel oder Überschüsse? Wie werden sich die Strompreise entwickeln? Wie lange und wie schnell muss reagiert wer-den? Welches Unternehmen kann gerade einspringen, um diesen Mangel oder Über-schuss auszugleichen? Für diesen Abgleich zwischen Flexibilitätsangebot und -nachfrage ist eine intelligente Steuerung notwendig.
Die Energiesynchronisationplattform besteht aus zwei Teilplattformen, einer Markt- und einer Unternehmensplattform. Letztere kann die einzelnen Energieflexibilitäten eines Unternehmens erfassen, verwalten und aggregieren. Sie informiert das Unternehmen, wie es seine Flexibilität am Markt nutzen kann, um günstig Energie einzukaufen oder zu verkaufen, wenn es sie bereits erworben hat.
Die Marktplattform wiederum sorgt als Servicevermittler dafür, dass Unternehmen auf der Suche nach Flexibilität mit dem Angebot zusammenkommen. Aggregatoren können sich beispielsweise auf der Marktplattform registrieren und ihr Interesse melden, Flexibilitäten einzukaufen oder zu verkaufen. Die Marktplattform vermittelt dann die Unternehmensflexibilitäten an die Flexibilitätsvermarkter. Und diese wiederum verkaufen die Flexibilität an der Energiebörse. Die Energiesynchronisationsplattform ist also keine Energiehandelsplattform, auf der energetische Flexibilitäten gehandelt werden. Vielmehr vermittelt sie zwischen den Händlern an den Energiebörsen und den Unternehmen, die Flexibilität bereitstellen können.
Eine entscheidende Rolle spielen digitale Services, die den bedarfsgerechten Einsatz der Energie regeln und helfen, Stromverbrauch zu senken. Mit dem Batterieeinsatzoptimierungsservice haben Forscher des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung bereits einen dieser Dienste auf der Unternehmensplattform realisiert – er läuft bereits im Testbetrieb. Mit ihm können Industriebetriebe Verbrauchs-Lastspitzen vermeiden: Produktionsunternehmen haben einen hohen Stromverbrauch, vor allem wenn alle Maschinen gleichzeitig im Einsatz sind, steigt der Stromverbrauch sprunghaft an. Diese Lastspitzen, auch Peaks genannt, können für einen Betrieb teuer werden, denn die Stromanbieter verwenden genau diese Spitzenwerte, um den Leistungspreis zu berechnen. Bei Überschreitung werden zusätzliche Gebühren fällig.
In vielen Unternehmen gibt es fahrerlose Transportfahrzeuge, die mit leistungsfähigen Lithium-Ionen-Batterien ausgestattet sind. Diese Batterien lassen sich nutzen, um Verbrauchs-Peaks zu vermeiden. Dafür muss man die autonomen Roboter nur bei steigendem Strombedarf zu den Ladestationen rufen und überschüssige Ladung ins unternehmenseigene Netz einspeisen.
Die Betriebe müssen den Strom nicht mehr vom Anbieter beziehen, die Batterie der autonomen Roboter wird zum Energielieferanten. Man nennt das auch bidirektionales Laden. Der digitale Service funktioniert bereits, Unternehmen erhalten zuverlässige Prognosen, wieviel Geld sie sparen können. Einziges Manko: Derzeit fehlt noch die komplette Hardware inklusive der Ladestationen.
FG / RK
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