18.05.2015

Frei von Feldern

Magnetfeld in magnetisch isoliertem Raum ist kleiner als in den Tiefen des Sonnensystems.

Magnetfelder sind überall im Universum. Auch auf der Erde sind wir stets von natürlichen und künstlichen Magnetfeldern umgeben. Das Erdmagnetfeld, das in Mitteleuropa eine Stärke von etwa 48 Mikrotesla hat, ist immer vorhanden. Dazu addieren sich örtlich weitere Magnetfelder, etwa von Transformatoren, Motoren, Kränen oder auch von Metalltüren.

Abb.: Blick in den Raum mit dem schwächsten Magnetfeld unseres Sonnensystems (Bild: A. Eckert, TUM)

Einer Gruppe von Wissenschaftlern um Peter Fierlinger, Physiker an der Technischen Universität München (TUM) und Mitglied des Exzellenzclusters Universe ist es nun gelungen, auf dem Garchinger Forschungscampus einen Raum mit 4,1 Kubikmeter Innenvolumen aufzubauen, in dem permanente und zeitlich veränderliche Magnetfelder um mehr als das Millionenfache reduziert sind.

Dies wird durch eine magnetische Abschirmung aus verschiedenen Schalen einer hoch­magnetisier­baren Legierung erreicht. Die dadurch erzielte magnetische Dämpfung sorgt dafür, dass das Rest-Magnetfeld im Inneren des Raums sogar kleiner ist als in den Tiefen unseres Sonnensystems. Es verbessert die bisherigen Dämpfungs­möglichkeiten um mehr als den Faktor zehn.

Die Reduzierung elektromagnetischer Störungen ist eine wichtige Voraussetzung für viele hochpräzise Experimente in der Physik, aber auch in der Biologie und der Medizin. In der Grundlagenphysik ist eine maximale magnetische Abschirmung entscheidend für die Präzisions­messungen winziger Effekte von Phänomenen, die im frühen Universum die Entwicklung unseres Universums vorangetrieben haben.

Die Gruppe von Peter Fierlinger entwickelt derzeit ein Experiment, welches das elektrische Dipolmoment in Neutronen bestimmen soll. Neutronen besitzen ein winziges magnetisches Moment. Zusammen­gesetzt sind sie aus drei Quarks, deren elektrische Ladungen sich jedoch nach außen aufheben. Man vermutet jedoch, dass Neutronen ein winziges elektrisches Dipolmoment besitzen. Doch die bisherigen Messungen erreichten nicht die nötige Präzision. Der neue, nahezu magnetfeldfreie Raum schafft nun die Voraussetzungen, die Genauigkeit der bisherigen Messungen des elektrischen Dipolmoments des Neutrons um den Faktor 100 zu verbessern, und damit in die Dimension der theoretisch vorhergesagten Größe des Phänomens vorzudringen.

„Eine solche Messung wäre von fundamentaler Bedeutung für die Teilchenphysik und würde die Tür zu einer neuen Physik jenseits des Standardmodells der Teilchen­physik weit aufstoßen”, erklärt Peter Fierlinger. Es bleiben jedoch Phänomene, für die das Standardmodell keine Erklärungen gibt: Die Schwerkraft etwa kommt in diesem Modell überhaupt nicht vor. Auch versagt das Standardmodell bei der Vorhersage des Verhaltens von Teilchen bei sehr hohen Energien, wie sie etwa im frühen Universum vorhanden waren. Und schließlich liefert es auch keine Begründung dafür, warum sich Materie und Antimaterie nach dem Urknall nicht vollständig vernichtet haben, sondern ein kleiner Teil Materie übrigblieb, aus dem wir und das uns umgebende, sichtbare Universum aufgebaut sind.

An Teilchenbeschleunigern wie dem Large Hadron Collider (LHC) am CERN versuchen Physiker daher kurzzeitig Bedingungen zu erzeugen, wie sie im frühen Universum geherrscht haben. Die Experimente der TUM-Wissenschaftler sind komplementär zu dieser Hochenergie-Physik: „Unsere Hochpräzisions-Experimente können die Natur von Teilchen in Energie-Größen­ordnungen untersuchen, die von den gegenwärtigen oder zukünftigen Generationen von Teilchenbeschleunigern nicht erreicht werden dürften”, sagt der Doktorand Tobias Lins, der im Labor von Peter Fierlinger am Aufbau der magnetischen Abschirmung mitgearbeitet hat.

Exotische, bisher unbekannte Teilchen können die Eigenschaften von bekannten Teilchen verändern. Daher könnten selbst kleine Abweichungen bei den Eigenschaften bekannter Teilchen Hinweise auf bisher unentdeckte Partikel sein. Am Aufbau und den Messungen der magnetischen Abschirmung waren neben den Wissenschaftlern von der TU München Physiker von der Physikalisch-Technischen Bundes­anstalt Berlin, der University of Illinois at Urbana-Champaign, USA, der University of Michigan, USA, sowie der IMEDCO AG, Schweiz, beteiligt. Finanziell wurde die Arbeit gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Schwerpunktprogramms SPP 1491 und des Exzellenz­clusters Origin and Structure of the Universe.

TUM / DE

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