Frequenzschwankungen im Stromnetz nicht gaussverteilt
Fluktuationen hängen sowohl von erneuerbaren Energiequellen als auch vom Stromhandel ab.
Unser Alltag hängt mehr denn je von einer sicheren und zuverlässigen Versorgung mit elektrischer Energie ab. Die voranschreitende Energiewende stellt dabei Stromerzeuger und Stromnetzbetreiber vor neue Herausforderungen. Um zusätzliche erneuerbare Energieerzeuger in das Stromnetz zu integrieren wird oftmals vorgeschlagen, das Netz in kleine autonome Zellen aufzuteilen. Damit könnte beispielsweise eine Gemeinde mit einem Blockheizkraftwerk und ihrer eigenen Wind- und Photovoltaik-
Abb.: Frequenzmessungen in Deutschland aus dem Jahr 2015. Die Stromnetzfrequenz zeigt große Sprünge insbesondere bei den Handels-
Das Stromnetz in Deutschland und in ganz Europa funktioniert mit einer Netzfrequenz von fünfzig Hertz. Diese Frequenz wird meist mittels Turbinen erzeugt, die mit fünfzig Umdrehungen pro Sekunde rotieren. Entzieht ein Verbraucher dem Stromnetz mehr elektrische Energie, beispielsweise weil ein Aluminiumwerk den Betrieb aufnimmt, so sinkt die Netzfrequenz leicht ab, bevor eine gesteigerte Energieeinspeisung die vorherige Frequenz wiederherstellt. Die Abweichungen von dem Sollwert dürfen nicht zu groß werden, da sonst empfindliche elektrische Geräte beschädigt werden können.
Auch erneuerbare Energieerzeuger verursachen Schwankungen der Netzfrequenz, da der Wind nicht immer mit der gleichen Stärke weht oder Wolken für eine ständig schwankende Einspeisung durch Photovoltaikanlagen sorgen. Die Frage, der das internationale Forscherteam nachgegangen ist: Beeinflussen die erneuerbaren Energien die Netzfrequenz und damit die Versorgungssicherheit so dramatisch wie oftmals behauptet wird? Und wie wahrscheinlich sind gefährliche Abweichungen von der Sollfrequenz?
Um eine Antwort zu finden, haben die Forscher zunächst Messungen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Finnland, Mallorca, Japan und den USA zusammengetragen. Dabei ist zu beachten, dass Deutschland nicht isoliert Strom erzeugt und verbraucht, sondern über das europäische Verbundsystem Strom mit den meisten Ländern Kontinentaleuropas und darüber hinaus austauscht. Ebenso ist Finnland Teil des nordischen Verbunds, während die USA in mehrere Regionen aufgeteilt sind und Messungen der „Eastern Interconnection“ verwendet wurden, dem größten Verbund, der auch Teile Kanadas umfasst.
Eine systematische Analyse der Daten zeigte zwei Überraschungen. Erstens zeigt das europäische Netz alle 15 Minuten besonders starke Schwankungen. Das ist genau der Zeitraum, in dem sich Erzeuger auf dem Strommarkt in Europa auf eine neue Verteilung für die Erzeugung einigen und sich damit auch ändert, wo wie viel Strom in das Netz eingespeist wird. Damit wurde nachgewiesen, dass mindestens in Europa der Stromhandel einen wesentlichen Beitrag zu den Schwankungen der Netzfrequenz liefert.
Zweitens folgen die statistischen Schwankungen des Netzes um den Sollwert nicht einer Gauß-
In der Untersuchung zeigen kleinere Netze, insbesondere das von Mallorca, aber auch das britische Stromnetz, stärkere Schwankungen als die größeren Netze, beispielsweise das Netz in Kontinentaleuropa. „Unsere Studie weist darauf hin, dass eine Aufteilung eines großen und damit sehr trägen Netzes, wie des kontinentaleuropäischen Netzes, in viele kleine Netze zu größeren Frequenzschwankungen in diesen kleinen Netzen führt als es in dem gemeinsamen europäischen Verbundnetz der Fall ist. Technisch sind solche Microgrids daher nur eine Option, wenn die heutigen, sehr strikten Frequenz-
Ein Vergleich der Regionen zeigt, dass größere Schwankungen in der Frequenz in Netzen mit einem größeren Anteil an erneuerbaren Energien auftreten. So ist beispielsweise der Anteil der Wind- und Solarerzeugung in Großbritannien um ein Vielfaches höher und auch die Schwankungen der Netzfrequenz sind deutlich größer als in den USA. Um trotzdem den Anteil der erneuerbaren Energie zu erhöhen, empfehlen die Forscher eine verstärkte Investition in Primärregelung und Demand Control, also eine intelligente Anpassung der Erzeuger und Verbraucher an die Frequenz. „Interessanterweise erscheinen die durch Stromhandel hervorgerufenen Frequenzschwankungen im Netz bedeutender als solche aufgrund der Einspeisung erneuerbarer Energien“, fasst Timme die Studie zusammen.
MPIDS / RK