Friedel-Oszillationen im Halbleiter nachgewiesen
Quantenmechanische Interferenz führt zur „0,7-Anomalie“ der elektrischen Leitung.
Ein internationales Forscherteam hat ein seit Langem beobachtetes, aber unverstanden gebliebenes Phänomen der elektrischen Leitung erklärt. Genau wie Licht kommt auch die elektrische Leitfähigkeit in Quanten vor. Verdrängt man das letzte Leitfähigkeitsquant aus einem Halbleiter, sinkt die Leitfähigkeit dennoch nicht direkt auf null. Zuvor kommt es zu quantenmechanischer Interferenz, berichtet das Team, an dem Physiker der Ruhr-Universität Bochum (RUB) um Andreas Wieck beteiligt waren. „Das Ergebnis erklärt den Transport von Elektronen in Feststoffen grundlegend – ob in der Hochstromleitung im Kraftwerk oder der Speicherzelle im PC“, sagt Wieck.
Abb.: An solch einem Chip mit Quantenpunkt-Kontakten haben die Forscher ihre Messungen der Friedel-Oszillationen durchgeführt. (Bild: M. J. Igbal / NPG)
Die elektrische Leitfähigkeit nimmt nur Werte an, die ein ganzzahliges Vielfaches von 2 e2/h sind. Die Werte aller elektrischen Leiter sind aus Vielfachen und Kombinationen dieses Leitfähigkeitsquants zusammengesetzt. Forscher können in Halbleitern relativ leicht Bereiche erzeugen, die nur wenige Hundert Nanometer lang und breit sind und in die nur ein einzelnes Leitfähigkeitsquant „hineinpasst“. Durch solche Versuche lässt sich der Wert von 2 e2/h messen. Wissenschaftler haben auch untersucht, was passiert, wenn sie das letzte Leitfähigkeitsquant aus dem Halbleiter verdrängen. Die Annahme: Die Leitfähigkeit sinkt sofort auf null, der elektrische Widerstand des Halbleiters wird unendlich. Die Messungen ergaben hingegen: Bevor die Leitfähigkeit auf null geht, nimmt sie noch einmal 70 Prozent ihres Ausgangswertes 2 e2/h an. Für dieses Phänomen, die sogenannte 0,7-Anomalie, gab es bis jetzt keine Erklärung.
Das Team aus niederländischen, spanischen, israelischen und deutschen Physikern hat das Rätsel nun gelöst – mit neuen Messungen an Halbleitern, die die Wissenschaftler vom RUB-Lehrstuhl für Angewandte Festkörperphysik herstellten. Die Gruppe zeigte, dass es sich bei der 0,7-Anomalie um einen quantenmechanischen Interferenzeffekt handelt. Die Forscher maßen den Widerstand in dem dünnen Halbleiter, und zwar an Engstellen verschiedener kontinuierlich einstellbarer Längen. Dabei beobachteten sie eine periodische Änderung des Auftretens der 0,7-Anomalie. Theoretische Berechnungen des Teams zeigten, dass dieses Phänomen der Kern der 0,7-Anomalie ist. Diese periodischen Änderungen postulierte Jacques Friedel bereits in den 1960er-Jahren; sie erhielten den Namen „Friedel-Oszillationen.“
RUB / PH