04.05.2022

Friedhof der Erdplatten

Spuren uralter Erdkruste in Vulkangesteinen an der Erdoberfläche analysiert.

Jonas Tusch und Carsten Münker von der Universität zu Köln haben zusammen mit ihrem Kollegen Elis Hoffmann, Freie Universität Berlin, anhand chemischer Analysen magma­tischer Gesteine den Nachweis erbracht, dass in großer Tiefe des Erdmantels die Überreste der ersten Kruste unseres Planeten begraben liegen. Die früheste Kruste der Erde ruht seit mehr als vier Milliarden Jahren in einem Friedhof aus erkalteten alten Erdplatten, wahr­scheinlich schon seitdem Mond und Erde aus einem gigan­tischem kosmischen Ereignis, der Kollision zweier Proto­planeten, hervorgegangen sind.

Abb.: Solches Basalte mit frischen Klinopyroxenen-Einschlüssen liefern...
Abb.: Solches Basalte mit frischen Klinopyroxenen-Einschlüssen liefern Hinweise zu submarinem Vulkanismus. (Bild: J. Tusch)

Diese Erkenntnis ist sehr überraschend, da im Laufe der Erdgeschichte die alte Erdkruste durch geo­physikalische Prozesse der Platten­tektonik innerhalb kurzer geo­logischer Zeiträume in den Erdmantel recycelt und dort durchmischt wurde. Es wurde daher bislang angenommen, dass Zeitzeugen der frühesten geologischen Prozesse nur auf anderen Himmelkörpern, wie den terrestrischen Planeten (Merkur, Venus, Mars), Asteroiden oder dem Mond überdauert haben, wo es keine nennenswerte Platten­tektonik gibt. Teile der alten Kruste gelangten allerdings vom tiefsten Erdinneren heraus durch Vulkanismus erneut an die Erdoberfläche. Die chemischen Eigen­schaften bestimmter magmatischer Gesteine der Erde geben daher heute den Wissen­schaftlern detaillierte Hinweise darüber, wie die früheste Kruste beschaffen war, und auf welchen Wegen sie ihren Weg in den Friedhof der Erdplatten fand.

Die Wissenschaftler untersuchten in Zusammen­arbeit mit inter­nationalen Kolleginnen und Kollegen bis zu 3,55 Milliarden Jahre alte Gesteine aus Südafrika und Eswatini. Die Untersuchung dieser Gesteine ergab, dass die Proben kleine Anomalien in der Isotopen­häufigkeit des chemischen Elements Wolfram aufweisen. Der Ursprung dieser Anomalien, konkret die relative Häufigkeit des Isotops Wolfram-182 (182W), verweist auf geologische Prozesse, die vor mehr als 4,5 Milliarden Jahren stattgefunden haben müssen. Mithilfe von modellierten Mantel­schmelzen zeigt das deutsche Forschungsteam, dass die vorliegenden 182W-Anomalien am besten durch ein Recycling von extrem alter Kruste in den Erdmantel erklärt werden können. „Wir gehen davon aus, dass die unteren Stockwerke der Kruste, sozusagen die Wurzeln der Urkontinente, durch einen geologischen Reifungs­prozess schwerer wurden als ihre Umgebung und deshalb in den unter­liegenden Erdmantel gesunken sind – ähnlich wie in einer Lavalampe“, erläutert Jonas Tusch.

Die uralte Kruste ruhte in den tiefen Regionen des Erdmantels, wahr­scheinlich direkt an der Grenze zum äußeren Erdkern. Teile des Materials wurden über Mantel-Plumes, ähnlich Förder­bändern, angezapft und in höher liegende Regionen des Erdmantels und manchmal sogar bis hin an die Erdober­fläche zurück­transportiert. Bemerkenswert ist, dass die gleichen Isotopenmuster noch heute in bestimmten Vulkangesteinen gefunden werden, zum Beispiel auf Hawaii, La Reunion oder Galapagos. Das belegt, dass Überreste der ältesten Kruste der Erde noch immer im unteren Mantel begraben liegen.

„Diese faszi­nierende Erkennt­nis eröffnet die Möglichkeit, einen geochemischen Finger­abdruck der frühen Erde zu erhalten. Wir können dadurch besser verstehen, wie im Laufe der Erdgeschichte große Kontinente entstanden sind und wie sich eine sauerstoff­reiche Atmosphäre ausbilden konnte – eine wichtige Grund­voraussetzung für die Entstehung komplexer Lebensformen“, so Elis Hoffmann. Der geochemische Fingerabdruck der frühen Erde kann zudem mit Erkenntnissen über andere Planeten, die im Rahmen von Raumfahrt­missionen gewonnen wurden, verglichen werden. So zeigen beispiels­weise Daten der Marsmissionen und Unter­suchungen von Mars­meteoriten, dass der Mars aufgrund fehlender Platten­tektonik noch immer eine sehr alte Oberfläche besitzt, die in ihrer Beschaffen­heit vielleicht der jungen Erde entspricht.

U. Köln / JOL

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