Fünftausend Mal schneller als ein Computer
Atomarer Gleichrichter für Licht erzeugt gerichteten elektrischen Strom.
Wenn Licht in einem Halbleiterkristall ohne Inversionssymmetrie absorbiert wird, können elektrische Ströme erzeugt werden. Wissenschaftler am Max-Born-Institut haben jetzt gerichtete Ströme bei Terahertzfrequenzen erzeugt, die bei weitem die Taktraten moderner Höchstfrequenzelektronik schlagen. Die Forscher zeigen, dass eine elektronische Ladungsübertragung zwischen benachbarten Atomen im Kristallgitter den zugrunde liegenden physikalischen Mechanismus darstellt.
Solarzellen konvertieren die Energie von Licht in einen gerichteten elektrischen Strom, welcher dann die Energieversorgung von elektrischen Verbrauchern gewährleistet. Physikalische Schlüsselprozesse sind hierbei die Ladungstrennung während der Lichtabsorption und der anschließende Transport von elektrischer Ladung zu den Kontakten der Solarzelle. Die elektrischen Ströme werden von negativen Elektronen und positiven Löchern getragen, die Intrabandbewegungen in den verschiedenen elektronischen Bändern des Halbleiters ausführen. Aus physikalischer Sicht sind folgende Fragen wesentlich: Welches ist die kleinste Einheit in einem Kristall, die solch einen lichtinduzierten gerichteten Strom erzeugen kann? Was sind die höchstmöglichen Frequenzen für solche elektrischen Ströme? Welche Mechanismen auf der atomaren Längenskala sind für solch einen Ladungstransport verantwortlich?
Die kleinste Einheit in einem Kristall ist die Einheitszelle, eine wohldefinierte Anordnung von Atomen, die durch die chemischen Bindungen bestimmt wird. Die Einheitszelle des prototypischen Halbleiters Galliumarsenid stellt ein Kristallgitter aus Gallium- und Arsen-Atomen ohne Inversionszentrum dar. Der elektronische Grundzustand des Kristalls ist durch ein vollständig gefülltes Valenzband gekennzeichnet, dessen elektronische Ladungsdichte auf der Bindung zwischen Ga- und As-Atomen konzentriert ist. Bei Absorption von infrarotem oder sichtbarem Licht wird ein Elektron aus dem Valenzband in das energetisch nächstgelegene Leitungsband gehoben. In diesem neuen Zustand ist die elektronische Ladung in Richtung des Ga-Atoms verschoben. Dieser Ladungstransfer entspricht einem lokalen elektrischen Strom, welcher Interbandstrom oder auch Verschiebestrom genannt wird und sich fundamental von Elektronenbewegungen innerhalb der Bänder unterscheidet. Bis vor kurzem gab es eine kontroverse Debatte unter Theoretikern, ob der experimentell beobachtete, lichtinduzierte Strom auf Intrabandbewegungen oder Interbandbewegungen fußt.
Wissenschaftler am Max-Born-Institut in Berlin untersuchten experimentell die lichtinduzierten elektrischen Ströme im Halbleiter Galliumarsenid zum ersten Mal auf ultraschnellen Zeitskalen bis hinab zu fünfzig Femtosekunden. Mit Hilfe von ultrakurzen, intensiven Lichtimpulsen vom infraroten bis in den sichtbaren Spektralbereich erzeugten sie Verschiebeströme in Galliumarsenid, die sehr schnell oszillieren und damit Terahertz-Strahlung mit einer Bandbreite bis zu zwanzig Terahertz erzeugen. Die Eigenschaften dieser Ströme und die zugrunde liegenden Elektronenbewegungen konnten im Detail über abgestrahlte Terahertz-Wellen bestimmt werden, deren Amplitude und Phase direkt experimentell gemessen wurden. Die Terahertz-Strahlung zeigt ultrakurze Stromstöße des gleichgerichteten Lichts bei Frequenzen, die fünftausend Mal höher sind als die Taktraten moderner Computersysteme.
Die experimentell beobachteten Eigenschaften der Verschiebeströme sind nicht mit dem physikalischen Bild von Intrabandbewegungen von Elektronen oder Löchern vereinbar. Ganz im Gegenteil, Modellrechnungen basierend auf Intrabandbewegungen von Elektronen in einer Pseudopotential-Bandstruktur reproduzieren die experimentellen Ergebnisse und zeigen, dass ein interatomarer Übertrag von elektronischer Ladung in der Größenordnung einer chemischen Bindungslänge den Schlüsselmechanismus darstellt. Dieser Prozess findet in jeder Einheitszelle des Kristalls statt, also auf einer Subnanometer-Längenskala, und erlaubt die Gleichrichtung von Licht. Dieser Effekt kann auch bei noch höheren Frequenzen ausgenutzt werden und eröffnet neue interessante Anwendungen in der Höchstfrequenzelektronik.
FV Berlin / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
A. Ghalgaoui et al.: Resonant second-order nonlinear terahertz response of gallium arsenide, Phys. Rev. Lett. 121, 266602 (2018); DOI: 10.1103/PhysRevLett.121.266602 - Nichtlineare Prozesse in kondensierter Materie (T. Elsässer), Max-Born-Institut für nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie, Berlin