13.10.2017

Fünfzig Jahre Atomsekunde

Seit dem 13. Oktober 1967 beruht die Basis­einheit der Zeit auf einer Eigen­schaft von Cäsium­atomen.

Zwar begann die erste Cäsium-Atomuhr bereits 1955 zu arbeiten. Doch erst m Herbst 1967 ging die Atom­sekunde in das Inter­nationale Einheiten­system SI ein. So kam eine Entwick­lung in Gang, die voraus­sicht­lich in einem Jahr ihren Abschluss nehmen wird: Im Herbst 2018 wird die 26. General­konferenz für Maß und Gewicht beschließen, dass das gesamte Inter­nationale Einheiten­system auf unver­änder­lichen Eigen­schaften der Natur beruhen soll, also auf Natur­konstanten. Die Sekunde war – neben dem Meter – nicht nur zeit­lich gesehen ganz vorne mit dabei. Sie führt auch im Wett­lauf der Genauig­keiten: Keine Einheit lässt sich genauer reali­sieren. Heutige Cäsium-Atom­uhren, wie die vier primären Uhren der Physi­ka­lisch-Tech­nischen Bundes­anstalt, die in Deutsch­land für die Reali­sierung und Verbrei­tung der gesetz­lichen Zeit zuständig sind, defi­nieren die Zeit mit einer Genauig­keit von 16 Stellen hinter dem Komma.

Abb.: Die vier primären Atomuhren der PTB. (Bild: PTB)

„Sie bieten uns ein schönes Thema zum Reflektieren: die Messung der Sternen­bahnen in einem uner­mess­lich weiten Kosmos mithilfe der Schwin­gung eines unend­lich kleinen Atoms.“ So poetisch drückte der damalige franzö­sische Außen­minister aus, was kurz danach in Paris passieren würde: Die versam­melten Wissen­schaftler und Poli­tiker beschlossen auf der 13. General­konferenz für Maß und Gewicht am 13. Oktober 1967, die Sekunde neu zu defi­nieren: „Die Sekunde ist das 9.192.631.770-Fache der Perioden­dauer der dem Über­gang zwischen den beiden Hyper­fein­struktur­niveaus des Grund­zustands von Atomen des Nuklids 133Cs ent­sprechenden Strahlung.“ Damit war die Sekunde auf der Grund­lage eines atomaren Quanten­über­gangs defi­niert. Die große Zahl in der Defini­tion steht für etwas mehr als neun Milli­arden Schwin­gungen pro Sekunde – eine ganz bestimmte Frequenz von Mikro­wellen­strahlen, die eben diesen Quanten­über­gang im äußer­sten Elektron des Cäsium­atoms in Gang bringen. Diese Defini­tion gilt bis heute. Nicht einmal beim Über­gang zum neuen SI im nächsten Herbst muss sie ange­tastet werden – offen­sicht­lich ist sie vor fünfzig Jahren sehr voraus­schauend und zukunfts­fähig formu­liert worden.

Historisch gesehen ist die Zeit – neben der Länge und dem Gewicht – sicher eine der wichtig­sten Mess­größen über­haupt. Obwohl Philo­sophen wie Physiker sich nicht leicht tun mit der Defini­tion, was die Zeit über­haupt ist, so gehört sie doch selbst­ver­ständ­lich zum Leben dazu. Und seit vielen Jahr­tausenden wird sie gemessen, zunächst anhand der Bewe­gung der Erde gegen­über der Sonne und dem Fix­stern­himmel. Das erlaubte es, die Zeit über­all ein­fach zu bestimmen – und das war lange wich­tiger, als sie beson­ders präzise zu messen. Erst im Industrie­zeit­alter änderte sich das und brachte eine enorme Beschleu­ni­gung in der Geschichte der Zeit­messung mit sich. Einige Jahr­tausende Sonnen­uhren, einige Jahr­hunderte Pendel­uhren, rund ein Jahr­hundert Quarz­uhren, fünf Jahr­zehnte Atom­uhren, die alle zehn Jahre zehn­mal genauer werden – so sieht ganz kurz gefasst der „Zeit­strahl der Zeit­messung“ aus.

Einer der frühesten Vorschläge für das moderne Messen aller physika­lischen Größen stammt von dem Physiker James Clerk Max­well. Er forderte schon 1870, man solle sich nicht auf die von der Erde gelie­ferten Maße, wie die Tages­länge für die Sekunde oder den Erd­umfang für den Meter, beziehen, sondern statt­dessen Natur­konstanten für die Fest­legung der physi­ka­lischen Ein­heiten ver­wenden. Eine geeig­nete Natur­konstante für die Messung der Zeit brachte 1940 der amerika­nische Physiker Isidor Isaac Rabi ins Spiel: die Übergangs­frequenz zwischen zwei aus­ge­wählten Zuständen eines Atoms. Besonders geeignet seien, so Rabi, die Hyper­fein­struktur­zustände im Atom 133Cs, einem nicht radio­aktiven Cäsium-Isotop. Rabi bekam 1944 den Nobel­preis und sein Vorschlag schaffte es an promi­nenter Stelle in die Aus­gabe der New York Times vom 21. Januar 1945.

Zehn Jahre später „tickte“ die erste Cäsium-Atomuhr im englischen National Physical Labora­tory. Gleich­zeitig liefen schon seit einigen Jahren die Vor­berei­tungen für das spätere Inter­nationale Einheiten­system, das 1960 ins Leben gerufen werden sollte. Aber die Betei­ligten in den Organen der Meter­konven­tion trauten der schönen neuen Sekunden-Welt noch nicht recht. Vorerst ließ man die Zeit in der Hand der Astro­nomen: 1960 wurde die Epheme­riden-Sekunde fest­gelegt, die aus heutiger Sicht wenig hilf­reich war. Aber im Herbst 1967 hatten sich die­jenigen durch­gesetzt, denen die Chancen der Atom­uhren­technik klar waren. Von nun an galt die moderne Sekunden­definition.

In der PTB tickte 1969 die erste selbstgebaute Cäsium-Atomuhr. Bis heute sind noch drei weitere dazu­gekommen. Die PTB gehört heute zu den führenden „Zeit-Machern“, ihre Cäsium-Atom­uhren haben einen großen Anteil an der Erzeu­gung der inter­natio­nalen Zeit­skala. Und auch die Uhren der nächsten Gene­ration, die optischen Atom­uhren, zeigen hier schon ihr großes Poten­zial – aber das könnte dann das Thema einer Jubiläums­meldung in zehn Jahren sein.

PTB / RK

Anbieter des Monats

Quantum Design GmbH

Quantum Design GmbH

Forschung lebt von Präzision. Seit über 40 Jahren steht Quantum Design für innovative Messtechnik auf höchstem Niveau – entwickelt in Kalifornien, betreut weltweit. Unsere Systeme sind der Goldstandard in der Materialcharakterisierung und ermöglichen tiefe Einblicke in die magnetischen, thermischen und optischen Eigenschaften von neuen Materialien.

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Meist gelesen

Themen