Funktionelles Material zweifach elektrisch schaltbar
Kontrolliertes Einbringen von Ionen verändert die Eigenschaften dünner Schichten.
Forscher um Pu Yu an der Tsinghua Universität in Peking haben die elektromagnetischen Eigenschaften dünner Schichten, die von einer ionischen Flüssigkeit bedeckt waren, mit einer elektrischen Spannung reversibel geschaltet. Das ließe sich etwa für intelligente Fenster oder für die Spintronik nutzen. Denn geringe Mengen von Fremdatomen, die in ein Kristallgitter eingefügt werden, können dessen Eigenschaften erheblich verändern. Das macht man sich zum Beispiel beim Dotieren von Halbleitermaterialien zunutze. Elektrisch geladene Fremdatome oder Ionen kann man aus einer ionischen Flüssigkeit mit elektrischen Feldern in einen von ihr benetzten Kristall hineinzwingen. Dabei können erstaunliche Dinge passieren.
Abb.: Prinzip der elektrisch hervorgerufenen Materialumwandlung. (a) Wird eine negative Spannung angelegt, so wandern die negativen O- und TFSI-
Das haben Pu Yu und seine Kollegen an dünnen Schichten aus dem keramischen Material Strontiumkobaltoxid (SrCoO2,5) beobachtet. Die verwendete ionische Flüssigkeit DEME-
Wurde eine elektrische Spannung von einigen Volt zwischen der ionischen Flüssigkeit und der dünnen Keramikschicht angelegt, so setzten sich die Ionen in Bewegung. Je nach der Polarität der Spannung wanderten die positiven H-Ionen oder die negativen O-Ionen zur Keramikschicht und drangen in erheblichem Umfang in sie ein. Aus dem Strontiumkobaltoxid entstand dabei ein neues Material: HSrCoO2,5 bzw. SrCoO3 (hier nahm der Sauerstoffgehalt um fast zwanzig Prozent zu).
Wurde die angelegte Spannung umgekehrt, so verließen die eingedrungenen Ionen die Schicht wieder und die entgegengesetzt geladenen Atome traten an ihre Stelle. Die Umwandlung zwischen den drei verschiedenen Materialien ließ sich durch die Spannung steuern und war dabei völlig umkehrbar. Solange die Spannung anlag, war die Umwandlung „nichtflüchtig“, also stabil über einen großen Zeitraum und auch bei Temperaturänderungen.
Abb.: Die Photographie zeigt die unterschiedliche Lichtdurchlässigkeit der drei verschiedenen Materialien; zum Vergleich (ganz links) die unbeschichtete Materialunterlage. (Bild: N. Lu et al. / NPG)
Die eingedrungenen Ionen veränderten die Kristallstruktur der Schicht ebenso wie deren elektronische Bandstruktur und der Ladungszustand der Kobaltionen. Das hatte zur Folge, dass sich die drei Materialien deutlich in ihren optischen, elektrischen und magnetischen Eigenschaften unterschieden. Das zeigten eingehende Untersuchungen mit Röntgenstrahlung und mit dem Elektronenmikroskop.
So ist das ursprüngliche Strontiumkobaltoxid ein antiferromagnetischer Nichtleiter, der infrarotes Licht gut durchlässt, sichtbares Licht jedoch weniger gut. Hingegen ist HSrCoO2,5 ein schwach ferromagnetischer Nichtleiter, durchlässig sowohl für sichtbares wie für IR-Licht. Das dritte Material, SrCoO3, ist ein ferromagnetisches Metall, das praktisch lichtundurchlässig ist.
Indem die Forscher die angelegte Spannung variierten, konnten sie die optischen Eigenschaften der dünnen Schicht verändern und zwischen transparent und lichtundurchlässig hin und her schalten (s. Abb.). Das ließe sich beispielweise für intelligente Fensterscheiben nutzen, deren Lichtdurchlässigkeit der einfallenden Sonnenstrahlung angepasst werden kann.
Die Forscher weisen zudem darauf hin, dass sie eine neue Möglichkeit gefunden haben, bei Zimmertemperatur antiferromagnetische Materialeigenschaften mit elektrischen Feldern zu kontrollieren. Dabei kommt der Übergang zwischen dem antiferromagnetischen Strontiumkobaltoxid und einer der beiden anderen, ferromagnetischen Materialformen zum Einsatz. Dies hat vielversprechende Anwendungsmöglichkeiten in magnetoelektrischen und spintronischen Bauelementen.
Rainer Scharf
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