31.05.2017

Funktionelles Material zweifach elektrisch schaltbar

Kontrolliertes Einbringen von Ionen verändert die Eigenschaften dünner Schichten.

Forscher um Pu Yu an der Tsinghua Universität in Peking haben die elektromagnetischen Eigenschaften dünner Schichten, die von einer ionischen Flüssigkeit bedeckt waren, mit einer elektrischen Spannung reversibel geschaltet. Das ließe sich etwa für intelligente Fenster oder für die Spintronik nutzen. Denn geringe Mengen von Fremdatomen, die in ein Kristall­gitter eingefügt werden, können dessen Eigenschaften erheblich verändern. Das macht man sich zum Beispiel beim Dotieren von Halbleiter­materialien zunutze. Elektrisch geladene Fremd­atome oder Ionen kann man aus einer ionischen Flüssigkeit mit elektrischen Feldern in einen von ihr benetzten Kristall hineinzwingen. Dabei können erstaunliche Dinge passieren.

Abb.: Prinzip der elektrisch hervorgerufenen Materialumwandlung. (a) Wird eine negative Spannung angelegt, so wandern die negativen O- und TFSI-Ionen zur dünnen Schicht, in die die O-Ionen dann eindringen. (b) Bei einer positiven Spannung wandern die positiven H- und DEME-Ionen zur dünnen Schicht, in die jetzt die H-Ionen eindringen können. (Bild: N. Lu et al. / NPG)

Das haben Pu Yu und seine Kollegen an dünnen Schichten aus dem keramischen Material Strontium­kobaltoxid (SrCoO2,5) beobachtet. Die verwendete ionische Flüssigkeit DEME-TFSI ist ein bei Zimmer­temperatur flüssiges organisches Salz. Während sie ein schlechter elektrischer Leiter ist, leitet sie Wasserstoff- und Sauerstoffionen sehr gut. Diese Ionen bilden sich durch Elektrolyse aus dem im Salz enthaltenen Wasser.

Wurde eine elektrische Spannung von einigen Volt zwischen der ionischen Flüssigkeit und der dünnen Keramikschicht angelegt, so setzten sich die Ionen in Bewegung. Je nach der Polarität der Spannung wanderten die positiven H-Ionen oder die negativen O-Ionen zur Keramik­schicht und drangen in erheblichem Umfang in sie ein. Aus dem Strontium­kobaltoxid entstand dabei ein neues Material: HSrCoO2,5 bzw. SrCoO3 (hier nahm der Sauerstoff­gehalt um fast zwanzig Prozent zu).

Wurde die angelegte Spannung umgekehrt, so verließen die eingedrungenen Ionen die Schicht wieder und die entgegengesetzt geladenen Atome traten an ihre Stelle. Die Umwandlung zwischen den drei verschiedenen Materialien ließ sich durch die Spannung steuern und war dabei völlig umkehrbar. Solange die Spannung anlag, war die Umwandlung „nichtflüchtig“, also stabil über einen großen Zeitraum und auch bei Temperatur­änderungen.

Abb.: Die Photographie zeigt die unterschiedliche Lichtdurchlässigkeit der drei verschiedenen Materialien; zum Vergleich (ganz links) die unbeschichtete Materialunterlage. (Bild: N. Lu et al. / NPG)

Die eingedrungenen Ionen veränderten die Kristallstruktur der Schicht ebenso wie deren elektronische Band­struktur und der Ladungs­zustand der Kobalt­ionen. Das hatte zur Folge, dass sich die drei Materialien deutlich in ihren optischen, elektrischen und magnetischen Eigenschaften unterschieden. Das zeigten eingehende Untersuchungen mit Röntgenstrahlung und mit dem Elektronen­mikroskop.

So ist das ursprüngliche Strontium­kobaltoxid ein antiferro­magnetischer Nichtleiter, der infrarotes Licht gut durchlässt, sichtbares Licht jedoch weniger gut. Hingegen ist HSrCoO2,5 ein schwach ferromagnetischer Nichtleiter, durchlässig sowohl für sichtbares wie für IR-Licht. Das dritte Material, SrCoO3, ist ein ferromagnetisches Metall, das praktisch licht­undurchlässig ist.

Indem die Forscher die angelegte Spannung variierten, konnten sie die optischen Eigenschaften der dünnen Schicht verändern und zwischen transparent und licht­undurchlässig hin und her schalten (s. Abb.). Das ließe sich beispielweise für intelligente Fenster­scheiben nutzen, deren Licht­durchlässigkeit der einfallenden Sonnenstrahlung angepasst werden kann.

Die Forscher weisen zudem darauf hin, dass sie eine neue Möglichkeit gefunden haben, bei Zimmertemperatur antiferro­magnetische Material­eigenschaften mit elektrischen Feldern zu kontrollieren. Dabei kommt der Übergang zwischen dem antiferro­magnetischen Strontium­kobaltoxid und einer der beiden anderen, ferro­magnetischen Material­formen zum Einsatz. Dies hat viel­versprechende Anwendungs­möglichkeiten in magneto­elektrischen und spin­tronischen Bau­elementen.

Rainer Scharf

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