12.08.2016

Fusion mit dem gewissen Dreh

Kernspinpolarisiertes Deuterium soll Verschmelzungsrate bei Kernfusion deutlich erhöhen.

In Fusionsexperimenten sollen die Atomkerne der Wasserstoffvarianten (Isotope) Deuterium und Tritium zu Heliumkernen verschmelzen, um dabei große Mengen Energie zu gewinnen. Physiker aus Düsseldorf, Jülich und vom russischen Budker-Institut – einem international bekannten Beschleuniger­zentrum in Novosibirsk – wollen gemeinsam eine Anlage entwickeln, mit der sie die Wahrscheinlichkeit und damit die Reaktions­rate für diese Fusions­prozesse deutlich erhöhen: Sie wollen in den nächsten Jahren eine Strahlquelle für kern­spin­polarisierte Deuterium-Moleküle aufbauen. Das Projekt wird gemeinsam von der Deutschen Forschungs­gemeinschaft (DFG) und der Russian Science Foundation (RSF) in den nächsten drei Jahren mit insgesamt mehr als 500.000 Euro gefördert.

Abb.: Lamb-Shift-Polarimeter, gebaut am Forschungszentrum Jülich (Bild: R. Engels)

Jeder Atomkern hat einen Spin, der bei jedem Isotop zwar die gleiche Größe hat, aber in unterschiedliche Richtungen weist. Bei spinpolarisierten Kernen weisen diese Spins alle in dieselbe Richtung. Solchermaßen ausgewählte Kerne sind für Fusions­experimente besonders interessant, da man mit ihnen die Verschmelzungsrate deutlich – um rund fünfzig Prozent – erhöhen kann. Damit steigt die Energie­ausbeute erheblich. Darüber hinaus haben Fusions­reaktionen spinpolarisierter Kerne eine besondere räumliche Charakteristik, die für den Bau von Reaktoren genutzt werden kann.

Die Physiker wollen konkret polarisierte Deuterium-Moleküle gewinnen, die sich als verbesserter Treibstoff in der Kernfusion nutzen lassen. Dabei gehen sie einen neuen Weg: Statt polarisierte Deuterium­moleküle aus zwei polarisierten Deuterium­atomen herzustellen, die ihrerseits aus einer polarisierten Atomquelle kommen müssen, starten sie direkt mit unpolarisiertem Deuterium­gas. Durchläuft ein Strahl unpolarisierter Deuterium­moleküle ein Magnetfeld, wird er entsprechend der Spineinstellung räumlich aufgespalten, so dass man Moleküle mit dem gewünschten Spin direkt abgreifen kann. Im geplanten Experiment wählt man eine Magnet­feld­anordnung, bei der Moleküle der gewünschten Polarisations­richtung gebündelt werden, während andere Polarisations­richtungen gestreut werden. Dieser Ansatz vereinfacht den Aufbau, erhöht die Effizienz der Trennung und damit den erzielbaren Teilchen­fluss.

Die Expertise beim Aufbau der Trenn­apparatur, die mit supraleitenden Magneten arbeitet, liegt bei den russischen Projekt­partnern am Budker-Institut. In Jülich wird ein spezielles „Lamb-Shift-Polarimeter“ aufgebaut, mit dem sich die Kern­polarisation sehr genau messen lässt, um die Quelle im Hinblick auf hohe Polarisations­ausbeute zu optimieren. Weltweit wird es das fünfte Gerät seiner Art sein, wobei das Forschungs­zentrum Jülich allein vier der Geräte gebaut hat und somit weltweit führend in dieser Technologie ist. An der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf wird die Quelle schließlich in Laser­experimenten eingesetzt.

Zunächst wollen die Forscher zeigen, dass der gewählte Ansatz funktioniert und dass der Aufbau in der Lage ist, polarisierte Wasserstoff- und später Deuterium-Molekülstrahlen mit einem hohen Fluss zu erzeugen. „Im Endeffekt wollen wir die Quelle für Laser-Fusions­experimente einsetzen“, so Markus Büscher vom Institut für Laser- und Plasma­physik der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. „Diese Messungen wollen wir am Düsseldorfer Hoch­leistungs­laser ARCTURUS oder auch am PHELIX-Laser an der GSI in Darmstadt machen“, so Büscher weiter.

U. Düsseldorf / DE

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