05.01.2016

Fusionsplasma, Klimavertrag und Forschungsboom bei Speichern

Jahresrückblick auf die Highlights der Energieforschung 2015.

Trotz konstanter Kohleverstromung stieg in Deutschland der Anteil der erneuerbaren Strom­erzeugung auf einen Rekordwert von etwa 33 Prozent. Damit halten Biomasse, Wind-, Wasser- und Solarkraft 12,6 Prozent des Gesamt­energie­bedarfs. Für eine weitere Zunahme werden neue Techno­logien beim Speichern, Strom­transport und Erzeugung eine wachsende Rolle spielen. Die dafür notwendige Dynamik zeigte sich 2015 auch in der Forschung, die vor allem bei Batterien und der Photo­voltaik zu viel verspre­chenden Fort­schritten führte.

Abb.: Mehrere Prototypen im Labor der University of Cambridge (Bild: T. Liu, C. Grey, G. Bocchetti)

Lithiumionen-Systeme stehen wegen ihrer Bedeutung für eine verbreitete und erschwingliche Elektro­mobilität im Mittel­punkt des Forscher­interesses. Neue Material­kombinationen testete eine Arbeits­gruppe am Karlsruhe Institut für Techno­logie und erreichte mit einer Lithium­vanadium­oxid­fluorid-Verbindung eine hohe Speicher­kapazität von 420 mAh/g. Für Lithium-Luft-Akkus, das theore­tisch mit Abstand effizien­teste Lithium­system, gingen Clare Grey und Kollegen an der University of Cambridge das große Problem der bisher mangel­haften Lang­lebig­keit erfolg­reich an. Dank eines Zusatzes von Lithium­jodid und etwas Wasser liefen in der neuen Akkuzelle etwas veränderte elektro­chemische Reaktionen ab als in früheren Prototypen. Dadurch erreichte ihr Versuchs­akku eine sehr hohe Energie­effizienz von 93,2 Prozent bei einer spezi­fischen Energie­dichte von 5760 Wh/g. Insgesamt funktio­nierte der neue Akku zuverlässig über 2000 Ladezyklen und nahm damit eine wesent­liche Hürde auf dem Weg zur Einsatz­reife. Flüssige Elektrolyte auf Wasserbasis könnten zusätzlich giftige organische Lösungs­mittel über­flüssig machen. Erste Proto­typen dazu entstanden an der University of Maryland in College Park.

Den steigenden Bedarf am Leichtmetall Lithium im Blick suchen zahlreiche Forscher­gruppen auch nach langfristig günstigen Alter­nativen. Sowohl Batterien mit Elektroden aus Kalzium- und Kalium­verbin­dungen wurden weiter entwickelt. Eine Katzengold-Batterie, bestehend aus Eisen, Schwefel, Natrium und Magnesium, konstruierten schweizerische Forscher am Forschungs­labor für Material­forschung Empa und der ETH Zürich. Das Magnesium der Anode ist nicht nur viel günstiger, sondern auch sicherer als das leicht brennbare Lithium. Der Prototyp überstand vierzig Lade- und Entlade­zyklen, ohne an Leistungs­fähigkeit einzubüßen. Ein vielver­sprechender Ansatz, doch muss dieser elektro­chemische Speicher bis zur Einsatz­reife noch dringend optimiert werden.

Abb.: Flussbatterie als Windstromspeicher: In diesem Prototyp zirkulieren günstige Flüssigkeiten, die elektrische Ladungen aufnehmen können. (Bild: Harvard U.)

Für Elektroautos eignet sich die Katzengold-Batterie wegen geringer Leistung allerdings nicht. Die Forscher sehen aber ein Potenzial vor allem für große Netz­speicher­batterien. Das gleiche Ziel verfolgen Roy Gordon und seine Kollegen von der amerika­nischen Harvard University in Cambridge. Sie verbesserten Fluss­batterien – auch Redox-Flow-Batterien genannt, die als viel versprechende Kandidaten für die Zwischen­speicherung von überschüs­sigem Strom aus Wind- und Solarparks gelten. Mit Chinonen und Hexa­cyano­ferrat schlugen die Kosten der verwendeten Chemikalien nur mit knapp 25 Euro pro Kilowatt­stunde gespeicherten Stroms zu Buche. Die Material­kosten für andere Fluss­bat­terien, die Vanadium-Verbindungen nutzen, rangieren dagegen bei über 70 Euro. Gut hundert Ladezyklen hielten diese sehr gut auf große Strom­speicher skalierbaren Flüssig­batterien bei hoher Effizienz von 84 Prozent. Einige tausend Zyklen sind das gesetzte Ziel. Diesem rückten Akku­forscher in Jena mit bis zu 10.000 Ladezyklen bei etwa achtzig Prozent Effizienz schon deutlich näher. Die Elektroden der deutschen Fluss­batterie enthielten organische Substanzen – kurz TEMPO und Viologen genannt. Als flüssigen Elektrolyten nutzen die Forscher eine einfache Kochsalz­lösung und ersetzten damit die bisher genutzten, stark korrosiven und teils bromhaltigen Flüssig­keiten.

Bei der Suche nach leistungsfähigeren und vor allem günstigeren Solar­zellen stand wie schon 2014 die Verbesserung von Perowskit-Zellen im Mittelpunkt. Das Team um Bernd Rech und Lars Korte am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie realisierte eine monoli­thische Tandem­zelle auf der Basis von Silizium und einer dünnen Perowskit-Schicht. Der erste Prototyp erreichte einen beachtlichen Wirkungs­grad von 18 Prozent. Eine Struktu­rierung des Wafers mit Licht­einfang­strukturen, etwa Zufalls­pyramiden, könnte die Effizienz bis auf 25 oder sogar 30 Prozent steigern. An der Empa in der Schweiz entstand dagegen eine Tandemzelle aus Perowskit und einer Dünnschicht-CIGS-Zelle (Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid) mit sogar 20,5 Prozent Wirkungsgrad.

Abb.: Aufnahmen mit dem Raster-Elektronen­mikroskop zeigen, wie regelmäßig die in ein Silizium-Substrat eingeätzten Trichter angeordnet sind (links: Längenskala fünf Mikrometer, rechts: ein Mikrometer). Die Trichter durchmessen oben rund 800 Nanometer und laufen unten auf etwa hundert Nanometer spitz zu. (Bild: MPL)

So wird es nicht mehr lange dauern, bis günstige Perowskite in der Serienfertigung von Solarzellen Einzug halten werden. Parallel werden aber auch die etablierten Silizium­zellen weiter optimiert. Mit winzigen Mikrotrichtern erhöhten HZB-Forscher die Licht­absorption um 65 Prozent. Dieser bionische Ansatz mit den zapfen­förmigen Sehzelle im Auge als Vorbild könnten Wirkungs­grade weiter erhöht werden. Optische Tarn­kappen aus Meta­materialien sollen das gleich Ziel erreichen, indem sie das Sonnen­licht um Objekte wie etwa die Kontakte, die eigentlich einen Schatten auf das Solar­panel werfen, herumführen. Doch diese Idee, ersonnen am Karlsruhe Institut für Technologie, muss ihr theore­tisches Potenzial mit einer Wirkungsgrad­steigerung um bis zu zehn Prozent erst noch belegen.

Abseits der erneuerbaren Energien kann 2015 die Kernfusion entgegen der wegen hoher Kosten und langer Entwicklungszeit weit verbreiteten Skepsis als Erfolgs­jahr verbuchen. Nach intensiver Planung und jahrelanger Bauzeit wurde im Greifs­walder Testreaktor Wendelstein 7-X das erste Plasma erzeugt. Das Helium­plasma erreichte eine Temperatur von etwa einer Million Grad, nachdem die Mikrowellenheizung dem Gas im Plasmagefäß etwa 1,3 Megawatt Leistung zuführte. Trotz der extrem kompli­zierten Geometrie der Magnetspulen gewähr­leisteten die Magnet­felder eines Stellarators einen sicheren Plasma­einschluss. Mit Spannung werden nun die weiteren Ergebnisse der Fusions­experimente an diesem weltweit einzigartigen Testreaktor erwartet. Der Bau des Tokamak-Fusions­reaktors Iter im französischen Cadarache, das bisher größte, multi­nationale Projekt seiner Art, schreitet derweil voran. Ende 2015 wurde ein neuer Zeit-und Kostenplan erarbeitet, der eine Inbetrieb­nahme Mitte kommenden Jahrzehnts wahrscheinlich werden lässt. Iter könnte dann der erste Fusionsreaktor sein, der bei der Fusion mehr Energie freisetzt als zum Betrieb der Anlage nötig ist.

Abb.: Das erste Plasma in Wendelstein 7-X bestand aus Helium. Es dauerte eine Zehntel Sekunde und erreichte eine Temperatur von rund einer Million Grad Celsius. (Bild: IPP)

Weniger spektakulär, doch für die laufende Energiewende von großer Wichtigkeit, sind Verfahren, um das Stromnetz parallel zum laufenden Ausbau besser zu stabili­sieren. Mit mathematischen Methoden wollen Forscher vom Potsdam-Institut für Klima­folgen­forschung die Blackout-Gefahr bei einem zunehmenden Anteil fluktuierender Strom­einspeiser senken. Eine dezentrale, sich selbst organisierende Steuerung favorisiert dagegen eine Arbeits­gruppe am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbst­organisation, um den vielen Klein­kraft­werken mit schwankender Leistungs­abgabe besser gerecht zu werden. Eine bessere Planung zukünftiger Windparks sieht eine internationale Forscher­gruppe, geführt von Wissen­schaftlern des Max-Planck-Instituts für Biogeo­chemie in Jena, für notwendig an. Ihre Simulationen betrachtete durch zahlreiche Windräder abgeschwächte Winde, die die Strom­ausbeute benachbarter Anlagen reduzieren könnte. Das Ausbremsen des Windes führe dazu, dass maximal etwa ein Watt pro Quadrat­meter in dieser Region erzeugt werden könne. Diese Studie stieß auf viel Aufmerk­samkeit, wurde jedoch teils sehr skeptisch beurteilt.

Ergänzt durch neue Ergebnisse auf dem Feld der Wasserstoff­gewinnung mit Sonnen­licht und der künst­lichen Photo­synthese schritt 2015 die Energieforschung mit Schwerpunkt auf den erneuerbaren Quellen sehr stark voran. Diese Dynamik wird sich auch in den nächsten Jahren fortsetzen, wenn nicht sogar noch steigern. Das von 195 Staaten verabschiedete Klima­abkommen von Paris, das das Zwei-Grad-Ziel, regel­mäßige Evaluationen der Klima­schutz­maßnahmen aller Nationen und Transfer­leistungen in Mil­liarden­höhe vorsieht, wird diesen Trend weiter unter­stützen. So ist es nicht unwahr­scheinlich, dass nun auch stärker in viel versprechende Ergeb­nisse der Energi­eforschung investiert werden, um markt­reife sowie klima­schützende Techno­logien weiter voran zu bringen.

Jan Oliver Löfken

OD / RK

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