Fusionsplasma, Klimavertrag und Forschungsboom bei Speichern
Jahresrückblick auf die Highlights der Energieforschung 2015.
Trotz konstanter Kohleverstromung stieg in Deutschland der Anteil der erneuerbaren Stromerzeugung auf einen Rekordwert von etwa 33 Prozent. Damit halten Biomasse, Wind-, Wasser- und Solarkraft 12,6 Prozent des Gesamtenergiebedarfs. Für eine weitere Zunahme werden neue Technologien beim Speichern, Stromtransport und Erzeugung eine wachsende Rolle spielen. Die dafür notwendige Dynamik zeigte sich 2015 auch in der Forschung, die vor allem bei Batterien und der Photovoltaik zu viel versprechenden Fortschritten führte.
Abb.: Mehrere Prototypen im Labor der University of Cambridge (Bild: T. Liu, C. Grey, G. Bocchetti)
Lithiumionen-Systeme stehen wegen ihrer Bedeutung für eine verbreitete und erschwingliche Elektromobilität im Mittelpunkt des Forscherinteresses. Neue Materialkombinationen testete eine Arbeitsgruppe am Karlsruhe Institut für Technologie und erreichte mit einer Lithiumvanadiumoxidfluorid-
Den steigenden Bedarf am Leichtmetall Lithium im Blick suchen zahlreiche Forschergruppen auch nach langfristig günstigen Alternativen. Sowohl Batterien mit Elektroden aus Kalzium- und Kaliumverbindungen wurden weiter entwickelt. Eine Katzengold-Batterie, bestehend aus Eisen, Schwefel, Natrium und Magnesium, konstruierten schweizerische Forscher am Forschungslabor für Materialforschung Empa und der ETH Zürich. Das Magnesium der Anode ist nicht nur viel günstiger, sondern auch sicherer als das leicht brennbare Lithium. Der Prototyp überstand vierzig Lade- und Entladezyklen, ohne an Leistungsfähigkeit einzubüßen. Ein vielversprechender Ansatz, doch muss dieser elektrochemische Speicher bis zur Einsatzreife noch dringend optimiert werden.
Abb.: Flussbatterie als Windstromspeicher: In diesem Prototyp zirkulieren günstige Flüssigkeiten, die elektrische Ladungen aufnehmen können. (Bild: Harvard U.)
Für Elektroautos eignet sich die Katzengold-
Bei der Suche nach leistungsfähigeren und vor allem günstigeren Solarzellen stand wie schon 2014 die Verbesserung von Perowskit-Zellen im Mittelpunkt. Das Team um Bernd Rech und Lars Korte am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie realisierte eine monolithische Tandemzelle auf der Basis von Silizium und einer dünnen Perowskit-Schicht. Der erste Prototyp erreichte einen beachtlichen Wirkungsgrad von 18 Prozent. Eine Strukturierung des Wafers mit Lichteinfangstrukturen, etwa Zufallspyramiden, könnte die Effizienz bis auf 25 oder sogar 30 Prozent steigern. An der Empa in der Schweiz entstand dagegen eine Tandemzelle aus Perowskit und einer Dünnschicht-CIGS-Zelle (Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid) mit sogar 20,5 Prozent Wirkungsgrad.
Abb.: Aufnahmen mit dem Raster-Elektronenmikroskop zeigen, wie regelmäßig die in ein Silizium-Substrat eingeätzten Trichter angeordnet sind (links: Längenskala fünf Mikrometer, rechts: ein Mikrometer). Die Trichter durchmessen oben rund 800 Nanometer und laufen unten auf etwa hundert Nanometer spitz zu. (Bild: MPL)
So wird es nicht mehr lange dauern, bis günstige Perowskite in der Serienfertigung von Solarzellen Einzug halten werden. Parallel werden aber auch die etablierten Siliziumzellen weiter optimiert. Mit winzigen Mikrotrichtern erhöhten HZB-Forscher die Lichtabsorption um 65 Prozent. Dieser bionische Ansatz mit den zapfenförmigen Sehzelle im Auge als Vorbild könnten Wirkungsgrade weiter erhöht werden. Optische Tarnkappen aus Metamaterialien sollen das gleich Ziel erreichen, indem sie das Sonnenlicht um Objekte wie etwa die Kontakte, die eigentlich einen Schatten auf das Solarpanel werfen, herumführen. Doch diese Idee, ersonnen am Karlsruhe Institut für Technologie, muss ihr theoretisches Potenzial mit einer Wirkungsgradsteigerung um bis zu zehn Prozent erst noch belegen.
Abseits der erneuerbaren Energien kann 2015 die Kernfusion entgegen der wegen hoher Kosten und langer Entwicklungszeit weit verbreiteten Skepsis als Erfolgsjahr verbuchen. Nach intensiver Planung und jahrelanger Bauzeit wurde im Greifswalder Testreaktor Wendelstein 7-X das erste Plasma erzeugt. Das Heliumplasma erreichte eine Temperatur von etwa einer Million Grad, nachdem die Mikrowellenheizung dem Gas im Plasmagefäß etwa 1,3 Megawatt Leistung zuführte. Trotz der extrem komplizierten Geometrie der Magnetspulen gewährleisteten die Magnetfelder eines Stellarators einen sicheren Plasmaeinschluss. Mit Spannung werden nun die weiteren Ergebnisse der Fusionsexperimente an diesem weltweit einzigartigen Testreaktor erwartet. Der Bau des Tokamak-Fusionsreaktors Iter im französischen Cadarache, das bisher größte, multinationale Projekt seiner Art, schreitet derweil voran. Ende 2015 wurde ein neuer Zeit-und Kostenplan erarbeitet, der eine Inbetriebnahme Mitte kommenden Jahrzehnts wahrscheinlich werden lässt. Iter könnte dann der erste Fusionsreaktor sein, der bei der Fusion mehr Energie freisetzt als zum Betrieb der Anlage nötig ist.
Abb.: Das erste Plasma in Wendelstein 7-X bestand aus Helium. Es dauerte eine Zehntel Sekunde und erreichte eine Temperatur von rund einer Million Grad Celsius. (Bild: IPP)
Weniger spektakulär, doch für die laufende Energiewende von großer Wichtigkeit, sind Verfahren, um das Stromnetz parallel zum laufenden Ausbau besser zu stabilisieren. Mit mathematischen Methoden wollen Forscher vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung die Blackout-Gefahr bei einem zunehmenden Anteil fluktuierender Stromeinspeiser senken. Eine dezentrale, sich selbst organisierende Steuerung favorisiert dagegen eine Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, um den vielen Kleinkraftwerken mit schwankender Leistungsabgabe besser gerecht zu werden. Eine bessere Planung zukünftiger Windparks sieht eine internationale Forschergruppe, geführt von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena, für notwendig an. Ihre Simulationen betrachtete durch zahlreiche Windräder abgeschwächte Winde, die die Stromausbeute benachbarter Anlagen reduzieren könnte. Das Ausbremsen des Windes führe dazu, dass maximal etwa ein Watt pro Quadratmeter in dieser Region erzeugt werden könne. Diese Studie stieß auf viel Aufmerksamkeit, wurde jedoch teils sehr skeptisch beurteilt.
Ergänzt durch neue Ergebnisse auf dem Feld der Wasserstoffgewinnung mit Sonnenlicht und der künstlichen Photosynthese schritt 2015 die Energieforschung mit Schwerpunkt auf den erneuerbaren Quellen sehr stark voran. Diese Dynamik wird sich auch in den nächsten Jahren fortsetzen, wenn nicht sogar noch steigern. Das von 195 Staaten verabschiedete Klimaabkommen von Paris, das das Zwei-Grad-Ziel, regelmäßige Evaluationen der Klimaschutzmaßnahmen aller Nationen und Transferleistungen in Milliardenhöhe vorsieht, wird diesen Trend weiter unterstützen. So ist es nicht unwahrscheinlich, dass nun auch stärker in viel versprechende Ergebnisse der Energieforschung investiert werden, um marktreife sowie klimaschützende Technologien weiter voran zu bringen.
Jan Oliver Löfken
OD / RK