Galaxien hinter einer Gravitationslinse
James-Webb-Teleskop liefert Daten für genauere Massenverteilung.
Dank des ersten wissenschaftlichen Bildes, das diesen Monat vom James Webb Space Telescope (JWST) veröffentlicht wurde, konnte ein internationales Team unter Leitung von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Astrophysik und der Technischen Universität München ein verbessertes Modell für die Massenverteilung des Galaxienhaufens SMACS J0723.3−7327 erstellen. Als Gravitationslinse vervielfacht und vergrößert dieser Galaxienhaufen Bilder von Hintergrundgalaxien. Eine Familie solcher Mehrfachbilder gehört zu einer Galaxie, deren Entfernung sich mithilfe des neuen Modells auf 13 Milliarden Lichtjahre schätzen lässt.
Vor JWST waren hinter SMACS J0723.3−7327 insgesamt 19 Mehrfachbilder von sechs Hintergrundquellen bekannt. Die JWST-Daten enthüllten nun 27 zusätzliche Mehrfachbilder von zehn weiteren Objekten. „In diesem ersten Schritt haben wir die Daten dieses brandneuen Teleskops verwendet, um den Linseneffekt von SMACS0723 mit großer Genauigkeit zu modellieren“, sagt Gabriel Bartosch Caminha vom Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA), der Technischen Universität München und dem German Centre for Cosmological Lensing (GCCL). Die Forschenden verwendeten zunächst Daten des Hubble Space Telescopes (HST) und des Multi Unit Spectroscopic Explorers (MUSE), um ein „Pre-JWST“-Linsenmodell zu erstellen, und verfeinerten es dann mit den neu verfügbaren JWST-Nahinfrarotdaten. „Die JWST-Aufnahmen sind absolut verblüffend und wunderschön. Sie zeigen viel mehr Mehrfachbilder von Hintergrundquellen, die es uns ermöglichten, unser Massenmodell für die Gravitationslinse erheblich zu verbessern“, fügt er hinzu.
Von den neu entdeckten, gelinsten Objekten gibt es bisher noch keine Entfernungsschätzungen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verwendeten ihr neues Modell für die Massenverteilung, um die Entfernung dieser Linsengalaxien abzuschätzen. Ein Objekt scheint sich demnach in der erstaunlichen Entfernung von 13 Milliarden Lichtjahren zu befinden (Rotverschiebung > 7,5), das heißt sein Licht wurde in den frühen Entwicklungsstadien unseres Universums emittiert. Von dieser Galaxie entstanden drei Mehrfachbilder und ihre Helligkeit wurde insgesamt um etwa das zwanzigfache verstärkt.
Um solche weit entfernten Objekte zu untersuchen, ist es jedoch von grundlegender Bedeutung, den Linseneffekt des Galaxienhaufens im Vordergrund genau zu beschreiben. „Unser genaues Massenmodell bildet die Grundlage für die Untersuchung der JWST-Daten“, sagt Sherry Suyu. „Die spektakulären JWST-Bilder zeigen eine große Vielfalt stark gelinster Galaxien, die dank unseres genauen Modells jetzt im Detail untersucht werden können“, erläutert sie. Das neue Modell für die Massenverteilung des Vordergrundhaufens ist in der Lage, die Positionen aller Mehrfachbilder mit hoher Genauigkeit zu reproduzieren und ist damit eines der besten verfügbaren Massenmodelle.
Für Folgestudien dieser Quellen werden die Linsenmodelle, einschließlich Vergrößerungskarten und Rotverschiebungen, die aus dem Modell geschätzt werden, öffentlich zugänglich gemacht. „Wir freuen uns sehr darüber“, fügt Suyu hinzu, „und wir warten gespannt auf zukünftige JWST-Beobachtungen anderer Galaxienhaufen mit starkem Linseneffekt. Diese werden es uns nicht nur ermöglichen, die Massenverteilungen von Galaxienhaufen besser einzugrenzen, sondern auch Galaxien mit hoher Rotverschiebung zu untersuchen.“
MPA / TUM / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
G. B. Caminha et al.: First JWST observations of a gravitational lens: Mass model of new multiple images with near-infrared observations of SMACS~J0723.3−7327, arXiv:2207.07567 [astro-ph.GA] (2022); DOI: 10.48550/arXiv.2207.07567 - Kosmologie, Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching