01.08.2022

Galaxien hinter einer Gravitationslinse

James-Webb-Teleskop liefert Daten für genauere Massenverteilung.

Dank des ersten wissenschaftlichen Bildes, das diesen Monat vom James Webb Space Telescope (JWST) veröffentlicht wurde, konnte ein inter­nationales Team unter Leitung von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Astrophysik und der Technischen Universität München ein verbessertes Modell für die Massen­verteilung des Galaxien­haufens SMACS J0723.3−7327 erstellen. Als Gravitations­linse vervielfacht und vergrößert dieser Galaxien­haufen Bilder von Hintergrund­galaxien. Eine Familie solcher Mehrfachbilder gehört zu einer Galaxie, deren Entfernung sich mithilfe des neuen Modells auf 13 Milliarden Lichtjahre schätzen lässt.

Abb.: Das erste Bild des James-Webb-Space-Teleskops vom Galaxien­haufen SMACS...
Abb.: Das erste Bild des James-Webb-Space-Teleskops vom Galaxien­haufen SMACS J0723 enthüllt stark gelinste Hintergrund­galaxien in beispiel­losen Einzel­heiten. (Bild: NASA / ESA / CSA / STScI)

Vor JWST waren hinter SMACS J0723.3−7327 insgesamt 19 Mehrfachbilder von sechs Hintergrund­quellen bekannt. Die JWST-Daten enthüllten nun 27 zusätzliche Mehrfach­bilder von zehn weiteren Objekten. „In diesem ersten Schritt haben wir die Daten dieses brandneuen Teleskops verwendet, um den Linsen­effekt von SMACS0723 mit großer Genauigkeit zu modellieren“, sagt Gabriel Bartosch Caminha vom Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA), der Technischen Universität München und dem German Centre for Cosmological Lensing (GCCL). Die Forschenden verwendeten zunächst Daten des Hubble Space Telescopes (HST) und des Multi Unit Spectro­scopic Explorers (MUSE), um ein „Pre-JWST“-Linsenmodell zu erstellen, und verfei­nerten es dann mit den neu verfügbaren JWST-Nahinfrarot­daten. „Die JWST-Aufnahmen sind absolut verblüffend und wunderschön. Sie zeigen viel mehr Mehrfach­bilder von Hintergrund­quellen, die es uns ermöglichten, unser Massenmodell für die Gravitations­linse erheblich zu verbessern“, fügt er hinzu.

Von den neu entdeckten, gelinsten Objekten gibt es bisher noch keine Entfernungs­schätzungen. Die Wissen­schaftlerinnen und Wissenschaftler verwendeten ihr neues Modell für die Massen­verteilung, um die Entfernung dieser Linsen­galaxien abzuschätzen. Ein Objekt scheint sich demnach in der erstaunlichen Entfernung von 13 Milliarden Lichtjahren zu befinden (Rotverschiebung > 7,5), das heißt sein Licht wurde in den frühen Entwicklungs­stadien unseres Universums emittiert. Von dieser Galaxie entstanden drei Mehrfach­bilder und ihre Helligkeit wurde insgesamt um etwa das zwanzigfache verstärkt. 

Um solche weit entfernten Objekte zu untersuchen, ist es jedoch von grund­legender Bedeutung, den Linseneffekt des Galaxien­haufens im Vordergrund genau zu beschreiben. „Unser genaues Massen­modell bildet die Grundlage für die Untersuchung der JWST-Daten“, sagt Sherry Suyu. „Die spekta­kulären JWST-Bilder zeigen eine große Vielfalt stark gelinster Galaxien, die dank unseres genauen Modells jetzt im Detail untersucht werden können“, erläutert sie. Das neue Modell für die Massen­verteilung des Vordergrund­haufens ist in der Lage, die Positionen aller Mehrfach­bilder mit hoher Genauigkeit zu reproduzieren und ist damit eines der besten verfügbaren Massen­modelle.

Für Folgestudien dieser Quellen werden die Linsenmodelle, einschließlich Vergrößerungs­karten und Rotver­schiebungen, die aus dem Modell geschätzt werden, öffentlich zugänglich gemacht. „Wir freuen uns sehr darüber“, fügt Suyu hinzu, „und wir warten gespannt auf zukünftige JWST-Beobachtungen anderer Galaxien­haufen mit starkem Linseneffekt. Diese werden es uns nicht nur ermöglichen, die Massen­verteilungen von Galaxien­haufen besser einzugrenzen, sondern auch Galaxien mit hoher Rot­verschiebung zu untersuchen.“

MPA / TUM / JOL

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