11.01.2018

Galaxien reifen schnell

Schon im jungen Kosmos zeigen Galaxien eine aus­ge­prägte Rota­tions­struktur.

Von den frühen Galaxien im Universum ist nur wenig bekannt. Von ihnen trennen uns nicht nur enorme Distanzen, so dass ihr Licht extrem schwach und stark rot­ver­schoben ist. Zum Zeit­punkt, als sie ihr Licht aus­sandten, war das All auch von neutralem Wasser­stoff­gas erfüllt, das in astro­no­misch wich­tigen Spektral­berei­chen Licht streut oder absor­biert. Das macht Unter­suchungen schwierig: Denn erst die inten­sive Strahlung der jungen Galaxien mit hoher Stern­ent­stehungs­rate hat zur Reioni­sie­rung der kosmischen Materie geführt und dadurch die inter­galak­tische Materie in diesen Spektral­bereichen trans­pa­rent werden lassen.

Abb.: Hubble-Aufnahme des Nachthimmels vom Ort der beiden Galaxien mit den ALMA-Daten als Inset. (Bild: NASA / ESA / ALMA / ESO / NAOJ / NRAO / P. Oesch, U. Genf / R. Smit U. Cambridge)

Eine für die Astronomie besonders wichtige Spektral­linie, die Lyman-Alpha-Linie, wird von neutralem Wasser­stoff­gas stark gestreut und eignet sich deshalb nur bedingt für Unter­suchungen der frühesten Galaxien. Dank der Fähig­keiten des Atacama Large Milli­meter/Submilli­meter Array, kurz ALMA, sind inzwischen aber auch Analysen bei einigen anderen interes­santen Wellen­längen möglich. Ein inter­natio­nales Astro­nomen­team um Renske Smit von der Uni Cambridge hat nun mit Hilfe von ALMA sowie des Welt­raum­tele­skops Hubble zwei weit ent­fernte Galaxien unter die Lupe genommen. Ihre Rot­ver­schie­bung lag bei knapp unter sieben, was einem Alter von rund 800 Milli­onen Jahren nach dem Urknall ent­spricht.

Zur Charakterisierung der Galaxien wählten die Wissen­schaftler eine Spektral­linie von Kohlen­stoff. Diese Linie mit einer Wellen­länge 157,74 Mikro­metern stammt von ein­fach ioni­siertem Kohlen­stoff und ist ein Indi­kator für abküh­lendes Gas. Nach Annahme der Astro­nomen sollte sie im frühen Uni­versum ziem­lich stark gewesen sein. Bislang war es jedoch nicht gelungen, Galaxien aus der kosmischen „Kinder­stube“ mit fehlender Lyman-Alpha-Emission anhand dieser Kohlen­stoff-Linie zu identi­fi­zieren.

Damit wollten die Forscher insbesondere die Frage beantworten, ob diese frühen Galaxien bereits eine deut­lich erkenn­bare Rotation besitzen. Dies ist ein Indi­kator für die „Reife“ einer Galaxie, denn nach vielen Jahr­milli­onen bildet sich eine klare Rota­tions­struktur heraus. Junge Galaxie, in die viel Gas ein­fällt oder die mit anderen Zwerg­galaxien fusio­nieren, zeigen meist eine eher unge­ord­nete Struktur. Zusätz­lich entstehen in jungen Galaxien mit großen, auf­ein­ander prallenden Gas­massen auch Regionen mit hoher Stern­ent­stehungs­rate. Dies führt zu ent­sprechend vielen Super­novae von schnell ver­glühenden, massiven Sterne, die die galak­tischen Gas­massen heftig durch­ein­ander wirbeln und die Ent­wick­lung zu einer geord­neten Rota­tion weiter ver­zögern.

Die Wissenschaftler erwarteten bei den beiden nun unter­suchten Galaxien des­halb eigent­lich eine eher chao­tische Struktur und keinen wohl­geord­neten Dreh­sinn. Im Licht der Kohlen­stoff-Linien, das 12,9 Milli­arden Jahre unter­wegs war, zeich­nete sich aber ein klarer Geschwin­dig­keits­gradient ab. Dieser wies ähn­liche dyna­mische Eigen­schaften auf wie das Licht späterer Galaxien, die sich über die Lyman-Alpha-Linie charak­teri­sieren lassen. Diese rund zwei Milli­arden Jahre älteren Galaxien bestehen aus einer turbu­lenten, aber aus­ge­prägten Scheibe mit deut­lich sicht­barem Dreh­sinn.

Das ist noch kein zwingender Hinweis, dass die beiden nun unter­suchten Galaxien bereits eben­falls genau diese Struktur auf­weisen. Die Signale sind sehr schwach und könnten zumin­dest teil­weise auch von anderen Prozessen stammen. Eine Möglich­keit wäre die Ver­schmel­zung von Galaxien, von denen min­des­tens eine die Kohlen­stoff-Linie emit­tiert. Auch aus- oder ein­strömende Gas­massen könnten ein solches Signal hervor­rufen. Das Signal weist jedoch auf eine kine­ma­tisch klar organi­sierte Rota­tions­struktur hin. Es ist des­halb ein wichtiger Hinweis, wie schnell sich bereits einige der ersten Galaxien ent­wickeln konnten, als das Uni­versum erst sechs Prozent seines heutigen Alters hatte.

„Für Galaxien in der ersten Epoche der Galaxienentstehung, wie wir sie nun unter­sucht haben, haben wir noch nie die Geschwin­dig­keits­struktur ihrer Gas­massen gesehen“, sagt Renske Smit. Anhand der gewählten Methode werden sich aber in Zukunft weitere Galaxien unter­suchen lassen – und damit lässt sich auch die Frage beant­worten, wie schnell Galaxien „erwachsen“ werden.

Die Einschätzung, wie entwickelt Galaxien zu diesem frühen Zeit­punkt der kosmischen Geschichte bereits waren, hängt aber nicht allein von ihrer Rota­tion ab, sondern auch von ihrer chemischen Zusammen­setzung. Da die erste Sternen­genera­tion allein aus Wasser­stoff und Helium bestehen konnte und die schwereren chemischen Elemente erst aus der Asche dieser Sterne hervor­gingen, werden kommende Messungen an so frühen Galaxien insbe­sondere die Häufig­keit der ver­schie­denen Elemente angehen. Dies dürfte vor allem mit dem Start des James-Webb-Welt­raum­tele­skops interes­sant werden, das zu solchen Bestim­mungen in der Lage ist und dessen Mission kommendes Jahr beginnen soll.

Dirk Eidemüller

RK

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