Galaxienhaufen: Kühlung löst Sternentstehung aus
Stärkste Röntgenstrahlung, höchste Sternentstehungsrate, massereichster Abkühlungsfluss - „Phoenix“-Haufen stellt neue Rekorde auf.
Astronomen haben erstmals einen „Cooling Flow“ beobachtet, der das Zentrum eines Galaxienhaufens kühlt. Der Strom abgekühlten Gases führe zur explosionsartigen Entstehung neuer Sterne in der zentralen Galaxie des „Phoenix“ genannten Haufens, schreibt das internationale Forscherteam um Michael McDonald vom Massachusetts Institute of Technology. Bislang waren die Astronomen davon ausgegangen, dass solche als „Starburst“ bekannten Entstehungsprozesse nur durch die Kollision und Verschmelzung von Galaxien ausgelöst werden.
Abb.: Beispiel eines Galaxienhaufens mit starker Röntgenstrahlung: MACS J0717.5+3745. Überlagerung einer Hubble-Aufnahme (Galaxien) mit einer Chandra-Röntgenaufnahme (heißes Gas). (Bild: NASA/ESA)
Phoenix, mit einer Rotverschiebung von 0,596 rund 5,6 Milliarden Lichtjahre entfernt, zählt mit 25 × 1014 Sonnenmassen zu den massereichsten Galaxienhaufen im Kosmos. Mit seinen physikalischen Eigenschaften stellt er gleich mehrere neue Rekorde auf: Mit einer Röntgenleuchtkraft von 8,2 × 1045 Erg pro Sekunde übertrifft er alle bekannten Haufen ebenso wie mit der beobachteten Sternentstehungsrate von 740 Sonnenmassen pro Jahr. Dieser Starburst wird offenbar durch einen extremen Cooling Flow von rund 3800 Sonnenmassen pro Jahr gefüttert.
„In den Kernen einiger Haufen ist das heiße Plasma zwischen den Galaxien dicht genug, um innerhalb der Lebensdauer des Haufens durch Strahlung abzukühlen“, schreiben Michael McDonald und seine Kollegen. Zwar zeigen Beobachtungen bei vielen Galaxienhaufen tatsächlich die kühlende Röntgenstrahlung dieses Gases, doch bislang konnten nirgends entsprechend große Ströme abgekühlten Gases aufgespürt werden. Es muss deshalb, so folgern die Astrophysiker, einen Prozess geben, der der Abkühlung des Gases entgegenwirkt.
Neben dem Starburst besitzt die zentrale Galaxie von Phoenix auch noch einen aktiven Galaxienkern. Da die Astronomen im heutigen Kosmos keine Systeme mit derart starken Abkühlungsflüssen und hohen Sternentstehungsraten beobachten, muss Phoenix entweder eine seltene Ausnahme sein – oder der Mechanismus, der die Abkühlung unterdrückt, war im jungen Universum weniger effektiv als heute.
„Möglicherweise sehen wir dieses System in einem kleinen Zeitfenster, in dem der aktive Galaxienkern von dem Abkühlungsfluss gefüttert wird, aber der Energieausstoß des Kerns noch nicht ausreicht, um den Abkühlungsfluss signifikant zu stoppen“, schreiben die Forscher. In jedem Fall könne die extreme Neuentstehung von Sternen nicht viel länger als 100 Millionen Jahre andauern – sonst würde die Altersverteilung der Sterne zu sehr von jener in den Zentralgalaxien von Haufen im heutige Kosmos abweichen.
Rainer Kayser
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