18.10.2005

Galileo steht auf der Kippe

Bei Europas Satelliten-Navigations-Projekt Galileo gibt es wieder Streit.


Galileo steht auf der Kippe

Bei Europas Satelliten-Navigations-Projekt Galileo gibt es wieder Streit.

Paris (dpa) - Es soll mehr als 140 000 Arbeitsplätze schaffen, die investierten Milliarden um ein Mehrfaches in die Kassen zurückbringen und Europa aus dem Schatten eines US-Monopols treten lassen. Galileo ist ein Prestigeprojekt der Satelliten-Navigation, dessen Bedeutung in der «Alten Welt» jedem in Wirtschaft, Politik und Raumfahrt klar ist. Und doch - oder gerade deswegen - steht das ehrgeizige Vorhaben, für etwa 3,5 Milliarden Euro 30 Satelliten in das Weltall zu hieven und sich damit von dem amerikanischen GPS-System freizumachen, einmal mehr in den Sternen. Denn es geht um Geld, um Einfluss und Aufträge. Der wieder aufgeflammte Streit bedroht die ersten Galileo-Teststarts.

Dringend benötigte Mittel in Höhe von fast 430 Millionen Euro für die nächste Galileo-Vorbereitungsphase blieben auf einer Ratssitzung der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) blockiert. Deutschland, aber auch Spanien, Großbritannien und Finnland stellten sich quer - «wir wollen eine faire Lösung für alle, Deutschland wird mit seinem Beitrag nicht nur die Luft- und Raumfahrtindustrie in Südeuropa und Frankreich finanzieren», sagte Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD). Im Klartext wird ein im Mai 2003 zunächst beigelegter Streit neu aufgelegt. Als größter Projektzahler (500 Millionen Euro) will Berlin das Galileo-Hauptkontrollzentrum in Deutschland, ein deutsches Unternehmen im Betreiberkonsortium und Beteiligung am Systemaufbau.

«Um diese beiden Probleme geht es jetzt doch gar nicht», kritisiert der Navigations-Direktor der ESA, Dominique Detain, die Blockade im Kreis der europäischen Raumfahrt: «Bevor man eine Kuh schlachten kann, muss sie doch erst einmal aufgepäppelt werden.» Sollte es in den nächsten Wochen bei der Suche in den Gremien keine Lösung geben, dann geht nicht nur weitere wertvolle Zeit verloren, das Projekt dürfte auch um einiges mehr kosten. «Wenn bis Ende des Monats keine Lösung für die Kostenausteilung gefunden wird, steht das ganze Vorhaben in Frage», hatte der Chef der italienischen Raumfahrt, Sergio Vetrella gewarnt, auch er im Interesse der eigenen Wirtschaft.

Der erste Galileo-Testsatellit könnte noch vor Jahresende vom russischen Kosmodrom Baikonur in der kasachischen Wüste aus den Weg in den Weltraum antreten, starten muss er nach Detains Angaben aus Gründen der Frequenznutzung in jedem Fall bis Juni 2006. «Nach den ersten 150 Millionen für sechs Monate hätten die zusätzlichen Gelder für die Projekt-Testphase bereits seit Juli bewilligt sein müssen», drängelt der ESA-Mann: «Man fährt doch auch nicht einfach so in den Urlaub, ohne zu wissen, ob man denn überhaupt den Leihwagen bezahlen kann.» Doch während es jetzt um Entwicklung, den Bau und das Testen von Satelliten geht, streitet Europa um den späteren Galileo-Betrieb.

Und das steht bei dem europäischen Prestigesystem auf dem Spiel: Die Galileo-Argusaugen sollen den Heimatplaneten aus einer Höhe von genau 23 616 Kilometern aus beobachten. Flugzeuge, Schiffe und Autos können präzise und sicher geortet oder gesteuert werden. Galileo kann, überwacht von zwei Kontrollzentren, in der Landwirtschaft, für die Umweltpolitik und bei Suchdiensten eingesetzt werden. Es bleibt abzuwarten, ob Europa doch noch einmal auf einen Nenner kommt, um sich einen Teil des zukunftsweisenden Navigationsmarktes zu sichern.

Hanns-Jochen Kaffsack, dpa

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