08.05.2007

Galileo um jeden Preis

Der Pakt mit der Industrie offensichtlich gescheitert. Beim Satelliten-Navigationssystem Galileo will jetzt der Staat einspringen und versuchen, Europas größtes Industrieprojekt zu retten.

Brüssel (dpa) - Der Geduldsfaden ist gerissen, der Pakt mit der Industrie offensichtlich gescheitert. Beim Satelliten-Navigationssystem Galileo will jetzt der Staat einspringen und versuchen, Europas größtes Industrieprojekt zu retten. Der noch vage Vorschlag des deutschen Verkehrsministers Wolfgang Tiefensee, die 30 Satelliten in öffentlicher Regie ins All zu schießen, könnte den Steuerzahler Millionen kosten. Ob sich das jemals auszahlen wird, ist ungewiss. Umso klarer ist die Botschaft: Die EU, in der Deutschland mit der Ratspräsidentschaft derzeit das Sagen hat, hält an ihrem Prestigeprojekt fest - koste es, was es wolle. Dem Firmenkonsortium um den deutsch-französischen Luftfahrtgiganten EADS warfen Politiker am Montag Versagen vor.

Die von der Politik und der Industrie geweckten Erwartungen an Galileo sind hoch: Das System soll für Autofahrer oder Rettungsdienste eine metergenaue Ortung ermöglichen sowie für Wirtschaftswachstum und gut 150 000 Arbeitsplätze sorgen. Befürchtet wird nun ein Imageschaden - ähnlich wie bei den Verzögerungen beim Großflugzeug A 380 der EADS-Tochtergesellschaft Airbus. Zudem ist unsicher, ob sich mit Galileo einst Geld verdienen lässt. Die Konkurrenz in China und Russland ist längst am Start und auch für das amerikanische System GPS, dem Galileo ab 2012 mit genaueren und verlässlicheren Signalen Konkurrenz machen soll, ist bereits eine verbesserte Version geplant.

Und so bleibt zunächst offen, weshalb das Konsortium die für diesen Donnerstag gesetzte Frist der EU zur Erfüllung wichtiger Auflagen wie die Schaffung klarer Strukturen offenbar verstreichen lassen will. Können sich die acht Firmen aus fünf EU-Ländern wirklich schlicht nicht einigen, wer das Sagen hat? Oder ist dem Management Galileo doch zu riskant? Kein Ton dringt derzeit aus den Zentralen.

Aufbaukosten und Risiken des rund vier Milliarden Euro teuren Projekts soll jetzt wohl weitgehend der Steuerzahler tragen. Schon bislang hat der Streit zwischen den EU-Ländern um Geld und den Sitz von Kontrollzentren immer wieder zu Verzögerungen geführt und Mehrkosten in Millionenhöhe verursacht. Auch der neue Starttermin im Jahr 2011 gilt nicht mehr als sicher. «Galileo ist in einer tiefen und ernsthaften Krise», warnt Tiefensee. «Wir werden einen Vorschlag machen, der die öffentliche Hand in der Aufbauphase wesentlich stärker zum Zuge bringt.»

Um welche Beträge es genau geht, wollte der Minister nicht sagen. Die Bundestagsabgeordnete Ulrike Flach forderte umgehend Klarheit. «Minister Tiefensee muss seine vagen Ankündigungen auch finanziell untersetzen», sagte die FDP-Politikerin der dpa. «Wer zahlt, wenn die Industrie ausfällt?» Der deutsche Finanzminister sei dazu «sicher nicht» bereit.

Aus dem Europaparlament hagelte es harsche Kritik an der Industrie. Der konservative Abgeordnete Alexander Radwan (CSU) warf der Industrie Verantwortungslosigkeit vor. «Der Forderung, endlich tragfähige Anwendungen für das System zu entwickeln, ist sie nicht nachgekommen.» Der Aufbau in öffentlicher Regie sei die «einzig verbleibende Alternative». Dies bedeute aber, dass Galileo einer militärischen Nutzung offenstehen müsse. Es sei kaum zu erklären, dass mit Galileo ein zukunftsfähiges europäisches System zur Verfügung stehe, die Bundeswehr und ihre Partnerverbände aber noch über das amerikanische GPS orteten.

Dorothée Junkers, dpa

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