Gamma-Teleskope messen Durchmesser ferner Sterne
Stellare Intensitätsinterferometrie als vielversprechende Zweitnutzung von Gammastrahlen-Observatorien.
Ein internationales Forscherteam hat spezialisierte Gammastrahlen-Teleskope dank einer wiederbelebten Technik zu einem großen virtuellen Teleskop zusammengeschaltet und damit die Durchmesser hunderte Lichtjahre entfernter Sterne gemessen. Die vor knapp fünfzig Jahren entwickelte Methode der stellaren Intensitätsinterferometrie SII könnte eine vielversprechende Zweitnutzung von Gammastrahlen-Observatorien wie dem künftigen Cherenkov Telescope Array erlauben.
Die Wissenschaftler verwendeten die vier Teleskope des „Very Energetic Radiation Imaging Telescope Array System“ VERITAS in den USA, um die Ausdehnung des fünfhundert Lichtjahre entfernten blauen Riesen Beta Canis Majoris und des zweitausend Lichtjahre entfernten Überriesen Epsilon Orionis zu bestimmen. „Ein gutes Verständnis der Sternphysik ist wichtig für eine ganze Reihe astronomischer Fachgebiete, von der Suche nach Exoplaneten bis hin zur Kosmologie“, erläutert Nolan Matthews von der University of Utah, einer der beteiligten Forscher. „Allerdings werden Sterne wegen ihrer großen Entfernung von der Erde oft als Punktlichtquellen gesehen.“ Die Interferometrie habe sich als sehr erfolgreiche Technik erwiesen, wenn es darum gehe, eine ausreichende Winkelauflösung zur Untersuchung von Sternen zu erreichen. „Wir haben gezeigt, dass optische Intensitätsinterferometrie-Messungen mit einer Matrix aus vielen Teleskopen möglich sind, die wiederum unserem Verständnis von Sternsystemen helfen werden“, sagt Matthews.
Normalerweise spähen die VERITAS-Teleskope nach den schwachen blauen Blitzen der Tscherenkow-Strahlung, die entsteht, wenn kosmische Gammastrahlen auf die Erdatmosphäre treffen. Diese Beobachtungen sind jedoch auf dunkle mondlose Stunden beschränkt. Das Team nutzte für seine Studie im Dezember 2019 eine Zeit, als VERITAS seine normalen Beobachtungen nicht durchführen konnte. „Dank moderner Elektronik konnten wir die Lichtsignale der einzelnen Teleskope per Computer kombinieren. Das resultierende Instrument hat die optische Auflösung eines Reflektors von der Größe eines Fußballfelds“, erklärt Forschungsleiter David Kieda von der University of Utah. „Das ist die erste Anwendung der ursprünglichen Hanbury-Brown-Twiss-Methode bei einer Matrix optischer Teleskope.“
Das Team beobachtete beide Sterne mehrere Stunden lang. Die Messungen ergaben Winkeldurchmesser von 0,523 Millibogensekunden für Beta Canis Majoris und 0,631 Millibogensekunden für Epsilon Orionis. „Die Messwerte für beide Sterne stimmen gut mit früheren Messungen überein, die in den 1970er Jahren mit derselben Technik mit den Narrabri-Teleskopen durchgeführt wurden“, berichtet Tarek Hassan vom DESY, der an der Auswertung der VERITAS-Messungen beteiligt war. Die von 1963 bis 1974 betriebenen Narrabri-Teleskope waren die ersten Instrumente, die Sterndurchmesser mit Hilfe der stellaren Intensitätsinterferometrie bestimmt haben. Das VERITAS-Team konnte jetzt erhebliche Verbesserungen der Empfindlichkeit der Technik zeigen und auch ihre Skalierbarkeit dank digitaler Elektronik.
Mit der Methode lassen sich auch Dutzende von Teleskopen kombinieren, betonen die Forscher. Das könnte sich als eine interessante Option für nicht nutzbare Beobachtungszeit am künftigen Cherenkov Telescope Array erweisen. Es wird das größte Gammastrahlen-Observatorium der Welt sein. Das CTA wird Gammateleskope in drei Größenklassen umfassen, DESY ist für die mittelgroßen Teleskope verantwortlich. „Das CTA wird bis zu 99 Teleskope mit Kilometer-Basislinien auf der Südhalbkugel und 19 Teleskope mit mehreren hundert Metern Basislinien auf der Nordhalbkugel besitzen“, erläutert Hassan. „Stellare Intensitätsinterferometrie-Messungen mit dem CTA könnte uns künftig erlauben, Sterne mit beispielloser Winkelauflösung zu untersuchen.“
Die Intensitätsinterferometrie könnte es den Wissenschaftlern dabei nicht nur ermöglichen, die Durchmesser von Sternen zu bestimmen, sondern auch Sternoberflächen abzubilden und die Eigenschaften von Systemen wie wechselwirkenden Doppelsternen, schnell rotierenden Sternen oder pulsierender Cepheiden-Variablen zu messen.
DESY / RK
Weiter Infos
- Originalveröffentlichung
The VERITAS Collaboration: Stellar Intensity Interferometry with the VERITAS array, Nat. Astron., online 20. Juli 2020; DOI: 10.1038/s41550-020-1143-y - VERITAS – Very Energetic Radiation Imaging Telescope Array System, The VERITAS Collaboration