27.07.2016

Gammastrahlen aus den Tiefen des Alls

Extragalaktischer Gamma-Hintergrund könnte zum Teil von Schock­fronten um Quasare stammen.

Seit etwa vier Jahrzehnten ist der extragalaktische Gamma­strahlungs­hinter­grund bekannt. Seine Quellen geben aber noch immer Rätsel auf. So gehen Forscher zwar davon aus, dass im niederenergetischen Bereich bis hin zu etlichen Megaelektronenvolt vor allem Radiogalaxien und Galaxien mit hoher Sternentstehungsrate für den Gammastrahlungshintergrund verantwortlich sind. Bei hohen Energien – insbesondere ab einigen Gigaelektronenvolt – sind es vor allem Blazare, die solch harte Gammastrahlung erzeugen. Im mittleren Energiebereich von etwa 0,1 bis 10 Gigaelektronenvolt gibt es jedoch eine überraschende Lücke zwischen den Beobachtungsdaten und den theoretischen Modellen zu ihrer Erklärung.

Abb.: Spektralverteilung des extragalaktischen Gammastrahlung-Hintergrunds. (Bild: X. Wang & A. Loeb)

Zwischen zwanzig und vierzig Prozent des extragalaktischen Gamma­strahlungs­hinter­grunds, wie er aus Messungen verschie­dener irdischer und satelliten­ge­stützter Obser­vatorien bekannt ist, lassen sich mit diesen Quellen nicht erklären. Zwei Forscher der Harvard Uni­versity haben deshalb jetzt mit Hilfe neuer Modelle dargelegt, dass die durch aus­strömende Gas­massen um aktive galak­tische Kerne verur­sachten Schock­fronten für diese Strahlung verant­wortlich sein könnten.

Ähnlich wie Supernova-Überreste erzeugen Quasare starke Materie­flüsse, die anfangs mit etwa einem Zehntel der Licht­geschwin­digkeit nach außen strömen. Treffen diese Aus­flüsse auf die inter­stellare Materie, bilden sich zwei Schock­fronten heraus: Eine äußere, die das inter­stellare Medium be­schleu­nigt, und eine innere, an der die aus­strömende Materie abge­bremst wird. In diesen Schock­fronten wird ein kleiner Prozent­satz der ent­haltenen Energie in extrem hoch­ener­getische Protonen umge­setzt. Treffen diese Protonen ihrer­seits auf andere Protonen der inter­stellaren Materie, ent­stehen unter anderem neutrale Pionen, die wiederum sehr schnell in zwei hoch­ener­getische Gamma­teilchen zer­strahlen.

Diverse Effekte schwächen die extragalaktische Gamma­strahlung wieder ab. Unter anderem über den Prozess der Elektron-Positron-Paar­erzeugung bei Kolli­sionen mit Photonen des diffusen extra­galak­tischen Hinter­grund­lichts ver­lieren die Gamma­quanten Energie. Dieses diffuse Hinter­grund­licht stammt vor allem von Galaxien mit hoher Stern­entstehungs­rate und aktiven galak­tischen Kernen und leuchtet haupt­sächlich im optischen und ultra­violetten Bereich. Die Paar­erzeugung spielt vor allem bei höheren Energien und längeren Distanzen eine Rolle. Die hoch­relati­vis­tischen Elektronen und Positronen sollten wiederum über den inversen Compton-Effekt mit dem kosmischen Mikro­wellen­hinter­grund in Wechsel­wirkung treten und dabei sekundäre Gamma­strahlung erzeugen. Diese Sekundär­photonen ließen sich bislang nicht nach­weisen – hieraus lassen sich aber Schlüsse über die Inten­sität und zeit­liche Entwicklung des Hinter­grund­lichts ziehen.

Unter Berücksichtigung solcher Effekte konnten die Forscher das Spektrum der extra­galak­tischen Gamma­strahlung sehr gut model­lieren. Den bislang ange­nommenen Ein­fluss von Radio­galaxien auf das Gamma-Spektrum im Giga­elektronen­volt-Bereich mussten die Forscher um einen Faktor zwei bis fünf deutlich nach unten korri­gieren. Er beträgt wohl nur unter zehn Prozent. In Einklang mit neuesten Beob­achtungs­daten steht hingegen die Hypo­these, dass Materie­aus­flüsse von Quasaren rund zwanzig bis vierzig Prozent der extra­galak­tischen Gamma­strahlung aus­machen können. Das Gamma­strahlen-Welt­raum­tele­skop Fermi hat unlängst eine fünfzig Monate lange Beob­achtungs­kampagne abge­schlossen und dabei den inte­grierten Fluss der extra­galak­tischen Gamma­strahlung mit hoher Genauig­keit ermittelt.

Zwar lassen sich die Quellen dieser Strahlung nicht mit heutiger Technik auf­lösen. Diese Situ­ation dürfte sich aber schon in nicht allzu ferner Zukunft ändern. Künftige Radio­obser­va­torien dürften in der Lage sein, die Schock­fronten solcher relati­vi­stischen Quasar-Aus­flüsse abzu­bilden. Die Elek­tronen in diesen Materie­strömen erzeugen über Synchro­tron­strahlung genau an diesen Schock­fronten intensive Radio­strahlung. Deren Vermessung sollte also sehr viel besseren Auf­schluss über diese aktiven Regionen liefern.

Die Forscher erhoffen sich deshalb insbesondere vom Square Kilometer Array – das sich gegen­wärtig noch in der Fertig­stellung befindet –, dass dieses dank seiner großen Empfind­lich­keit und Winkel­auf­lösung das Studium solcher Materie­aus­flüsse zulässt. Im Gamma-Bereich strahlen sie zu schwach, um als Punkt­quellen sicht­bar zu sein. Natürlich könnten auch weitere Quellen exis­tieren, die einen ent­sprechend geringeren Beitrag zum extra­galak­tischen Gamma­strahlungs­spektrum liefern. Vermut­lich werden auch zu deren Nachweis kombi­nierte Messungen aus sehr unter­schied­lichen Wellen­längen­bereichen ent­scheidend sein.

Dirk Eidemüller

RK

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