08.04.2022

Gammastrahlen bieten klaren Blick auf Pulsare

Fermi-Teleskop spürt nach extrem niederfrequenten Gravitationswellen.

Miteinander verschmelzende supermasse­reiche schwarze Löcher in den Zentren wechsel­wirkender Galaxien füllen das Universum mit extrem nieder­frequenten Gravitations­wellen. Astronomen haben bereits mit großen Radio­teleskopen nach diesen Wellen gesucht, um die subtilen Auswirkungen dieser Raumzeit­wellen auf die von Pulsaren in unserer Galaxie ausgesandten Radiowellen zu beobachten. Ein inter­nationales Team von Wissenschaftlern hat nun gezeigt, dass auch hoch­frequente Gammastrahlung, aufgenommen mit dem Fermi-Teleskop der Nasa, für diese Suche genutzt werden kann. Die Verwendung von Gamma­strahlen anstelle von Radiowellen ermöglicht einen klareren Blick auf die Pulsare und bietet eine unabhängige und ergänzende Möglichkeit zum Nachweis von Gravitations­wellen.

Abb.: Illustration des „Large Area Telescope“ auf dem Fermi-Satelliten, der...
Abb.: Illustration des „Large Area Telescope“ auf dem Fermi-Satelliten, der in einer Umlauf­bahn 500 Kilometer über der Erde Gamma­strahlen von Milli­sekunden-Pulsaren sammelt. (Bild: D. Futselaar, MPIfR /artsource.nl)

Im Herzen der meisten Galaxien befindet sich ein super­massereiches schwarzes Loch. Galaxien werden durch ihre heftige Gravitation zueinander hingezogen, und bei ihrer Verschmelzung sinken die zentralen schwarzen Löcher in das neue Zentrum. Wenn diese sich nun spiralförmig nach innen bewegen und selbst miteinander verschmelzen, erzeugen sie extrem langwellige Gravitations­wellen mit Hunderten von Billionen von Kilometern oder mehreren Lichtjahren Abstand zwischen den Wellenkämmen. Das Universum ist voll von solchen verschmelzenden supermasse­reichen schwarzen Löchern, und sie füllen es mit einem Meer von niederfrequenten Raumzeit­wellen. Astronomen suchen seit Jahrzehnten nach diesen Wellen, indem sie die Pulse von Pulsaren, den dichten Überresten masse­reicher Sterne, systematisch beobachten. Pulsare rotieren mit extremer Regelmäßigkeit, und die Astronomen wissen genau, wann jeder Puls zu erwarten ist. Das Meer der Gravitations­wellen verändert jedoch auf subtile Weise den Zeitpunkt, an dem die Impulse die Erde erreichen, und die genaue Beobachtung vieler Pulsare am Himmel kann ihre Anwesenheit aufdecken.

Bei der bisherigen Suche nach diesen Wellen wurden ausschließlich große Radio­teleskope eingesetzt, die Radiowellen sammeln und analysieren. Nun haben die Forschenden diese winzigen Schwankungen der Raumzeit in Daten der Gamma­strahlung gesucht, die über mehr als zehn Jahre mit dem Fermi-Satelliten aufgenommen wurden. Ihre Analyse zeigt, dass der Nachweis dieser Wellen mit nur wenigen Jahren zusätzlicher Beobach­tungen bereits möglich sein könnte. „Fermi untersucht das Universum mit Gammastrahlen, der energiereichsten Form des Lichts. Wir waren überrascht, wie gut es die Art von Pulsaren aufspürt, die wir für die Suche nach diesen Gravitations­wellen benötigen – bisher haben wir mehr als 100 gefunden“, so Matthew Kerr vom U.S. Naval Research Laboratory in Washington. „Das Fermi-Teleskop und die Gammastrahlen haben einige besondere Eigenschaften, die sie zusammen zu einem sehr mächtigen Werkzeug bei dieser Untersuchung machen.“ Kerr leitete diese Studie gemeinsam mit Aditya Parthasarathy vom Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn.

Niederfrequente Radiowellen können einige Objekte durchdringen, während hoch­frequente Gamma­strahlen in energetische Teilchen­schauer explodieren, wenn sie auf Materie treffen. Gravitations­wellen decken ebenfalls ein breites Spektrum ab, wobei massereichere Objekte tendenziell längere Wellen erzeugen. Da es unmöglich ist, einen Detektor zu bauen, der groß genug ist, um Wellen mit Billionen von Kilometern Wellenlänge aufzuspüren, die von miteinander verschmelzenden supermasse­reichen schwarzen Löchern erzeugt werden, verwenden die Astronomen in der Natur bereits vorhandene Detektoren in Form von Pulsar-Timing-Arrays. Dabei handelt es sich um Ansamm­lungen von Millisekunden-Pulsaren, die sowohl in Radiowellen als auch in Gammastrahlen leuchten und sich jede Sekunde Hunderte von Malen um ihre Achse drehen. Wie Leuchttürme scheinen diese Strahlen regelmäßig zu pulsieren, wenn sie über die Erde hinwegziehen, und wenn sie durch das Meer der Gravitations­wellen hindurchgehen, wird ihnen das schwache Grollen entfernter, massereicher schwarzer Löcher aufgeprägt. 

Ursprünglich wurden Pulsare mit Hilfe von Radio­teleskopen entdeckt, und Pulsar-Timing-Array-Experi­mente mit Radioteleskopen sind seit fast zwei Jahrzehnten in Betrieb. Die großen Parabolspiegel sind am empfindlichsten für die Auswirkungen von Gravitations­wellen, aber inter­stellare Effekte erschweren die Analyse der Radiodaten. Das Weltall ist größtenteils leer, aber beim Durchqueren der riesigen Entfernung zwischen einem Pulsar und der Erde treffen die Radiowellen immer noch auf viele Elektronen. Ähnlich wie ein Prisma das sichtbare Licht beugt, verbiegen die inter­stellaren Elektronen die Radiowellen und verändern so ihre Ankunftszeit. Die energiereichen Gammastrahlen werden auf diese Weise nicht beeinflusst, so dass sie eine ergänzende und unab­hängige Methode des „Pulsar Timings“ darstellen.

„Die Fermi-Ergebnisse sind bereits dreißig Prozent so gut wie die Pulsar-Timing-Arrays im Radiobereich, wenn es darum geht, den Gravi­tationswellen­hintergrund nachzuweisen“, sagt Aditya Parthasarathy. „Wenn wir weitere fünf Jahre lang Pulsardaten sammeln und analysieren, wird das System genauso gut sein, mit dem zusätzlichen Vorteil, dass wir uns keine Sorgen um all die verirrten Elektronen machen müssen.“ Ein Pulsar-Timing-Array in Gammawellen­längen, das vor dem Start von Fermi nicht vorgesehen war, stellt eine leistungs­starke neue Ergänzung in der Gravitations­wellen-Astro­physik dar. „Der Nachweis des Gravitations­wellen­hintergrunds mit Pulsaren ist in Reichweite, bleibt aber schwierig. Eine unabhängige Methode, wie sie hier unerwartet durch Fermi gezeigt wurde, ist eine großartige Neuigkeit, sowohl für die Bestätigung zukünftiger Ergebnisse als auch für die Demonstration von Synergien mit Radio­experimenten“, sagt Michael Kramer, Direktor am MPIfR.

TU Wien / JOL

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