Seit 15 Jahren durchmustern die HESS-Teleskope die Milchstraße nach Quellen von Gammastrahlung. Die an dem Projekt beteiligten Forscher interessieren sich unter anderem für Quellen von Gammastrahlung im TeV-Energiebereich. Erstmals konnten sie jetzt Himmelsobjekte in der Milchstraße allein aufgrund der Aussendung solcher Strahlung klassifizieren. Es handelt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Supernova-Überreste, die als Himmelsobjekte nach der Explosion massereicher Sterne zurückbleiben.
Abb.: Positionen der neu entdeckten Supernova-Überrest-Kandidaten, die sehr hochenergetische Gammastrahlen aussenden (untere Abbildungen), auf der Karte der HESS-Durchmusterung der Milchstraßenebene (in der Mitte der oberen Abbildung). Die HESS-Durchmusterungskarte ist mit einer Karte des molekularen Gases unterlegt, welche mit dem Planck-Satelliten von der gesamten Himmelssphäre erzeugt wurde. (Bild: HESS-Kollaboration)
Mehr als zweihundert TeV-Gammaquellen sind bisher sowohl in der Milchstraße als auch im extragalaktischen Raum bekannt. „Häufig können wir die Strahlung bekannten astrophysikalischen Objekten zuordnen, die bereits zuvor mit konventionellen Teleskopen in niedrigeren Frequenzbändern untersucht wurden, zum Beispiel im Bereich von optischen Wellenlängen oder Radiowellenlängen“, sagt Gerd Pühlhofer von der Uni Tübingen. „Interessanterweise wurden mit der systematischen Durchmusterung der Ebene der Milchstraße durch die HESS-Teleskope aber auch viele neue Quellen entdeckt, die nicht oder nicht eindeutig mit Objekten in niedrigeren Frequenzbereichen assoziiert sind.“ Umgekehrt seien die Daten der TeV-Strahlung allein üblicherweise nicht ausreichend, um eine Quelle einem bestimmten Typ von astrophysikalischem Objekt zuzuordnen. „Diese nicht identifizierten Objekte bleiben ein großes Rätsel in der Gammastrahlenastronomie.“
Doch die hochentwickelten HESS-Teleskope liefern so detailreiche Daten, dass die Forscher jetzt weitergekommen sind. „Zum ersten Mal sind wir in der Lage, nicht identifizierte TeV-Quellen allein durch eben diese Daten einer bestimmten Objektklasse zuzuordnen“, sagt Pühlhofer. „Drei bestimmte Quellen sind mit hoher Wahrscheinlichkeit Supernova-Überreste.“
Ein Supernova-Überrest ist ein Himmelsobjekt, das sich nach der Explosion eines massereichen Sterns am Ende seiner Lebensdauer ausbildet. Die Materie, die durch eine solche Explosion herausgeschleudert wird, führt zu Schockwellen, die sich in den interstellaren Raum ausbreiten. Dort wird die Materie aufgeheizt und Teilchen auf relativistische Geschwindigkeiten beschleunigt. Die Teilchen reagieren mit Licht und Gas in der Nähe ihres Entstehungsortes und produzieren dadurch die hochenergetische Gammastrahlung. „Wir wissen seit über einem Jahrzehnt, dass manche der dreihundert bekannten Supernova-Überreste in unserer Galaxie stark im TeV-Licht strahlen“, erklärt der Daniel Gottschall, ebenfalls Uni Tübingen. Doch all diese Objekte waren bereits aus Beobachtungen in anderen Wellenlängen bekannt und als Supernova-Überreste klassifiziert.
Es bleibe die Frage, so Pühlhofer, warum diese Supernova-Überreste bisher jeder Beobachtung entgangen sind: „Sie sind so groß wie der Vollmond, allerdings sowohl für das menschliche Auge als auch für optische Teleskope völlig unsichtbar.“ Er hält es für möglich, dass sie bei früheren Himmelsdurchmusterungen wegen ihrer Position in der Milchstraße und ihrer großen Ausdehnung nicht von den vielen anderen Objekten zu unterscheiden gewesen sind oder zumindest teilweise durch Gase im Vordergrund verdeckt sind. „Eine aufregendere Möglichkeit wäre, dass die Supernova-Überreste sich in ihrer Zusammensetzung von den anderen großen Überresten, die bisher mit den HESS-Teleskopen untersucht wurden, substanziell unterscheiden“, so der Forscher weiter. „Sie könnten zu einer speziellen Sorte von Supernova-Überresten gehören, deren Gammastrahlung durch Hadronen ausgelöst wird.“
Für ihre weiteren Forschungen in der TeV-Gammastrahlen-Astronomie setzen die Wissenschaftler auf die noch empfindlicheren Geräte der nächsten Generation, etwa das Cherenkov Telescope Array, das zurzeit entwickelt wird. Es soll im nächsten Jahrzehnt in Betrieb gehen und von der Erde aus ein noch genaueres Bild von der Gammastrahlung in der Milchstraße liefern.
EKU / RK