Geballter Wasserstoff
Spezielles Metallhydrid könnte den Weg zu Hochtemperatur-Supraleitern ebnen.
Ein Forscherteam aus der Schweiz, den USA und Polen hat eine einzigartig hohe Dichte von Wasserstoffatomen in einem Metallhydrid nachgewiesen. Die kleineren Abstände zwischen den Atomen könnten es ermöglichen, deutlich mehr Wasserstoff in das Material zu packen – bis zu einem Punkt, an dem es bei Raumtemperatur und Normaldruck zum Supraleiter werden könnte.
Die Wissenschaftler führten im Oak Ridge National Laboratory (ORNL) im US-Bundesstaat Tennessee Neutronenstreuexperimente an Zirkonium-Vanadium-Hydrid bei atmosphärischem Druck und bei Temperaturen von bis zu -23 Grad Celsius durch. Die Messungen ergaben überraschend kleine Wasserstoff-Wasserstoff-Atomabständen von nur 1,6 Angström im Vergleich zu 2,1 Angström, die für diese Metallhydride gemäß Theorie vorausgesagt werden. Die ungewöhnlich kleinen Atomabstände sind bemerkenswert und vielversprechend, da der in den Metallen enthaltene Wasserstoff ihre elektronischen Eigenschaften beeinflusst. Andere Materialinen mit ähnlicher Wasserstoff-Anordung zeigen bereits supraleitende Eigenschaften, jedoch nur bei extrem hohen Drücken. „Einige der vielversprechendsten Hochtemperatur-Supraleiter wie Lanthandecahydrid werden bei etwa -20 Grad Celsius supraleitend, bilden sich jedoch leider erst bei einem Druck von 1,6 Millionen Atmosphären“, sagte Rus Hemley von der University of Illinois in Chicago. Dem Forschungsteam gehörten zudem Wissenschaftler der Empa, der Universität Zürich und der Polnischen Akademie der Wissenschaften an.
Das internationale Team benutzte hochauflösende unelastische Neutronenspektroskopie zur Untersuchung der Wasserstoffwechselwirkungen im Metallhydrid. Die Messdaten, einschließlich eines markanten Peaks bei etwa fünfzig Millielektronenvolt, stimmte jedoch nicht mit den Vorhersagen der Modelle überein. Simulationsrechnungen sollten die Erklärung liefern. Diese Computersimulationen bewiesen, dass die unerwartete spektrale Intensität nur dann auftritt, wenn die Abstände zwischen den Wasserstoffatomen kleiner als zwei Angström sind – was in einem Metallhydrid bei Umgebungsdruck und -temperatur noch nie beobachtet worden war. Der ermittelte Abstand von 1,6 Angström ist die erste bekannte Ausnahme vom Switendick-Kriterium in einer bimetallischen Legierung – ein Prinzip, das für stabile Hydride bei Umgebungstemperatur und -druck gilt, wobei der Wasserstoff-Wasserstoff-Abstand nie weniger als 2,1 Angström beträgt.
„Eine wichtige Frage ist nun, ob der von uns beobachtete Effekt speziell auf Zirkonium-Vanadium-Hydrid beschränkt ist oder nicht“, sagt Andreas Borgschulte von der Empa. „Wenn wir theoretische Berechnungen des Materials unter Einhaltung des Switendick-Limits durchführen, können wir den charakteristischen Peak in den Spektren nicht verifizieren. Dies führte uns zu der Schlussfolgerung, dass zumindest in Vanadiumhydrid Wasserstoff-Wasserstoff-Paare mit Abständen unter 2,1 Angström auftreten.“ In künftigen Experimenten planen die Forscher, Zirkonium-Vanadium-Hydrid bei verschiedenen Drücken mehr Wasserstoff zuzusetzen, um zu bestimmen, wieviel Wasserstoff die Legierung in ihrem Gitter speichern kann.
Empa / JOL