04.07.2018

Geboren beim Planetencrash

Die meisten Asteroiden stammen von einer Hand­voll Ursprungs­körpern ab.

Auch wenn Asteroiden nur einen kleinen Teil der Masse in unserem Sonnen­system aus­machen, so ist ihre schiere Zahl doch beein­druckend: Über 650.000 dieser Gesteins­brocken sind mittler­weile bekannt. Die Umlauf­bahnen der Körper im Asteroiden­gürtel zwischen Mars und Jupiter liegen bei etwa 2 bis 3,4 Astro­no­mischen Ein­heiten. Durch Reso­nanzen mit der Umlauf­bahn des Jupiter unter­teilt sich der Asteroiden-Haupt­gürtel in einen inneren, mitt­leren und äußeren Gürtel. Im inneren Teil mit einer Sonnen­ent­fernung von bis zu 2,5 Astro­no­mischen Ein­heiten sind bereits rund 200.000 Gesteins­körper identi­fiziert.

Abb.: Acht Asteroiden, die schon von Raum­sonden erforscht wurden. (Bild: NASA / JAXA / ESA)

Der Ursprung dieser Körper ist jedoch bislang nur schwer aus­zu­machen. Es gibt ein paar Asteroiden­familien, die sich auf je einen gemein­samen Ursprungs­körper zurück­führen lassen. Nach der Bildung der Himmels­körper in der proto­plane­taren Scheibe in der Früh­zeit unseres Sonnen­systems hatten sich auch im Asteroiden­gürtel einige größere Körper gebildet, die auf­grund der domi­nie­renden Gravita­tions­wirkung des Gas­riesen Jupiter aber nicht weiter wachsen konnten. Im Lauf der Jahr­millionen kam es dann wieder­holt zu Kolli­sionen, bei denen diese Körper fragmen­tierten und eine Viel­zahl kleinerer Gesteins­brocken frei­gesetzt wurde. Eine solche Asteroiden­familie kann durch­aus mehrere Prozent der Gesamt­zahl an Körpern im Haupt­gürtel aus­machen.

Für das Verständnis der Entwicklung unseres Sonnensystems ist es wichtig zu wissen, wie viele Asteroiden solchen Familien ent­stammen oder unab­hängig von größeren Körpern ent­standen sind. Der Nach­weis, wie viele Körper es ursprüng­lich gab, ist jedoch schwierig zu führen, da sich die Kompo­si­tion nicht einfach bestimmen lässt und die Bahnen sich im Lauf der Zeit aus­ein­ander bewegt haben. Ein Astronomen­team um Stanley Dermott von der Uni­ver­sität Florida schlägt nun eine neue Methode vor, um Asteroiden mit famili­ärer Abstam­mung von Einzel­gängern zu unter­scheiden.

Die fünf größten Asteroidenfamilien im inneren Gürtel – Flora, Vesta, Nysa, Polana und Eulalia – zeigen jeweils charak­teris­tische Ver­tei­lungen von Bahn­neigung und Exzen­tri­zität. Bei den Asteroiden, die sich bis­lang nicht einer Familie zuordnen ließen, weicht das Ver­hältnis von Größe und Bahn teil­weise deut­lich von den anderen ab. Diese Ver­tei­lung ist nach Ansicht der Astro­nomen ein Hinweis darauf, dass diese Körper nicht zu den bekannten Familien gehören, sondern zu älteren „Geister­familien“, die so alt sind, dass ihr Ursprung sich auf­grund von Kolli­sionen und orbi­aler Dynamik nicht mit her­kömm­lichen Methoden rekon­stru­ieren lässt.

Insgesamt gehören etwa 85 Prozent der Asteroiden im inneren Gürtel zu den fünf großen Familien. Die übrigen 15 Prozent könnten zum Teil eben­falls von den­selben Ursprungs­körpern stammen und sich dann auf­grund komplexer Dynamiken hin zu anderen Umlauf­bahnen bewegt haben. Ver­mut­lich stammen sie aber von alten, bis­lang nicht identi­fi­zierten Geister­familien.

Abb.: Drei Phasen der Asteroidenentstehung. Zunächst gab es wenige, dafür größere Objekte (a), die durch Kolli­sionen frag­men­tierten (b) und sich schließ­lich auf unter­schied­liche Umlauf­bahnen (c) ver­teilten. (Bild: LPI / CLSE / D. A. Kring / NASA / USGS)

Die Frage, wie viele Himmelskörper es ursprünglich im Bereich zwischen Mars und Jupiter gab, stellt sich auch anhand der Meteo­riten, die auf der Erde gefunden werden. Denn obwohl Zehn­tausende dieser Gesteins- und Metall­klumpen in ver­schie­denen Größen in wissen­schaft­lichen Samm­lungen vor­liegen, scheinen die aller­meisten von nur einigen Dutzend Körpern abzu­stammen. Anschei­nend haben sich aller­dings sowohl die Ein­schlags­raten von Meteo­riten als auch deren Typ im Lauf der Erd­geschichte immer wieder geändert, was sich wohl auf Kolli­sionen zwischen größeren Asteroiden zurück­führen lässt.

Vermutlich stammen also nicht nur die Himmelskörper im inneren Asteroidengürtel, sondern auch die im mittleren und äußeren Asteroidengürtel von nur wenigen Ursprungskörpern ab. Und so kataklysmisch, wie die Geburt dieser Gesteins­brocken sich gestaltet hat, so gefähr­lich wäre der – wenn auch unwahr­schein­liche – Fall, dass einer von ihnen direkten Kurs auf die Erde nimmt. Die Kenntnis der Zusammen­setzung und inneren Struktur von Asteroiden ist ent­scheidend, wenn man sich Gedanken über die Abwehr einer solchen Kata­strophe macht.

Die neuen Analysen der Asteroidenbahnen decken sich jedenfalls mit der Unter­suchung von Meteo­riten auf der Erde und sprechen dafür, dass die Plane­tesi­male im frühen Sonnen­system wenig an der Zahl und dafür dem­ent­spre­chend massiv waren. Außerdem scheinen die Mitglieder je einer Familie in ihrer Zusammen­setzung ziemlich homogen zu sein, was gegen eine Diffe­ren­zierung ihrer Ursprungs­körper spricht. Diese können also auch nicht zu groß gewesen sein, denn sonst hätten geo­lo­gische Prozesse ein­setzen können, die diese Homo­ge­nität beein­trächtigt hätten.

Dieses Szenario lässt aber auch einige Fragen offen. Wenn es nur wenige Körper im Bereich des Haupt­gürtels gab, woher kamen dann die Kolli­sions­partner? Könnten es viel­leicht sogar Körper aus dem äußeren Sonnen­system gewesen sein? Die Beant­wor­tung dieser Fragen wird zum guten Teil von neuen, besseren Durch­muste­rungen abhängen. Das Large Synoptic Survey Tele­scope, das 2019 erstes Licht sehen soll, wird neben je rund zehn Milli­arden Sternen und Galaxien ver­mut­lich auch um die fünf Millionen Objekte im Asteroiden­gürtel nach­weisen können.

Dirk Eidemüller

RK

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