Geboren beim Planetencrash
Die meisten Asteroiden stammen von einer Handvoll Ursprungskörpern ab.
Auch wenn Asteroiden nur einen kleinen Teil der Masse in unserem Sonnensystem ausmachen, so ist ihre schiere Zahl doch beeindruckend: Über 650.000 dieser Gesteinsbrocken sind mittlerweile bekannt. Die Umlaufbahnen der Körper im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter liegen bei etwa 2 bis 3,4 Astronomischen Einheiten. Durch Resonanzen mit der Umlaufbahn des Jupiter unterteilt sich der Asteroiden-
Abb.: Acht Asteroiden, die schon von Raumsonden erforscht wurden. (Bild: NASA / JAXA / ESA)
Der Ursprung dieser Körper ist jedoch bislang nur schwer auszumachen. Es gibt ein paar Asteroidenfamilien, die sich auf je einen gemeinsamen Ursprungskörper zurückführen lassen. Nach der Bildung der Himmelskörper in der protoplanetaren Scheibe in der Frühzeit unseres Sonnensystems hatten sich auch im Asteroidengürtel einige größere Körper gebildet, die aufgrund der dominierenden Gravitationswirkung des Gasriesen Jupiter aber nicht weiter wachsen konnten. Im Lauf der Jahrmillionen kam es dann wiederholt zu Kollisionen, bei denen diese Körper fragmentierten und eine Vielzahl kleinerer Gesteinsbrocken freigesetzt wurde. Eine solche Asteroidenfamilie kann durchaus mehrere Prozent der Gesamtzahl an Körpern im Hauptgürtel ausmachen.
Für das Verständnis der Entwicklung unseres Sonnensystems ist es wichtig zu wissen, wie viele Asteroiden solchen Familien entstammen oder unabhängig von größeren Körpern entstanden sind. Der Nachweis, wie viele Körper es ursprünglich gab, ist jedoch schwierig zu führen, da sich die Komposition nicht einfach bestimmen lässt und die Bahnen sich im Lauf der Zeit auseinander bewegt haben. Ein Astronomenteam um Stanley Dermott von der Universität Florida schlägt nun eine neue Methode vor, um Asteroiden mit familiärer Abstammung von Einzelgängern zu unterscheiden.
Die fünf größten Asteroidenfamilien im inneren Gürtel – Flora, Vesta, Nysa, Polana und Eulalia – zeigen jeweils charakteristische Verteilungen von Bahnneigung und Exzentrizität. Bei den Asteroiden, die sich bislang nicht einer Familie zuordnen ließen, weicht das Verhältnis von Größe und Bahn teilweise deutlich von den anderen ab. Diese Verteilung ist nach Ansicht der Astronomen ein Hinweis darauf, dass diese Körper nicht zu den bekannten Familien gehören, sondern zu älteren „Geisterfamilien“, die so alt sind, dass ihr Ursprung sich aufgrund von Kollisionen und orbialer Dynamik nicht mit herkömmlichen Methoden rekonstruieren lässt.
Insgesamt gehören etwa 85 Prozent der Asteroiden im inneren Gürtel zu den fünf großen Familien. Die übrigen 15 Prozent könnten zum Teil ebenfalls von denselben Ursprungskörpern stammen und sich dann aufgrund komplexer Dynamiken hin zu anderen Umlaufbahnen bewegt haben. Vermutlich stammen sie aber von alten, bislang nicht identifizierten Geisterfamilien.
Abb.: Drei Phasen der Asteroidenentstehung. Zunächst gab es wenige, dafür größere Objekte (a), die durch Kollisionen fragmentierten (b) und sich schließlich auf unterschiedliche Umlaufbahnen (c) verteilten. (Bild: LPI / CLSE / D. A. Kring / NASA / USGS)
Die Frage, wie viele Himmelskörper es ursprünglich im Bereich zwischen Mars und Jupiter gab, stellt sich auch anhand der Meteoriten, die auf der Erde gefunden werden. Denn obwohl Zehntausende dieser Gesteins- und Metallklumpen in verschiedenen Größen in wissenschaftlichen Sammlungen vorliegen, scheinen die allermeisten von nur einigen Dutzend Körpern abzustammen. Anscheinend haben sich allerdings sowohl die Einschlagsraten von Meteoriten als auch deren Typ im Lauf der Erdgeschichte immer wieder geändert, was sich wohl auf Kollisionen zwischen größeren Asteroiden zurückführen lässt.
Vermutlich stammen also nicht nur die Himmelskörper im inneren Asteroidengürtel, sondern auch die im mittleren und äußeren Asteroidengürtel von nur wenigen Ursprungskörpern ab. Und so kataklysmisch, wie die Geburt dieser Gesteinsbrocken sich gestaltet hat, so gefährlich wäre der – wenn auch unwahrscheinliche – Fall, dass einer von ihnen direkten Kurs auf die Erde nimmt. Die Kenntnis der Zusammensetzung und inneren Struktur von Asteroiden ist entscheidend, wenn man sich Gedanken über die Abwehr einer solchen Katastrophe macht.
Die neuen Analysen der Asteroidenbahnen decken sich jedenfalls mit der Untersuchung von Meteoriten auf der Erde und sprechen dafür, dass die Planetesimale im frühen Sonnensystem wenig an der Zahl und dafür dementsprechend massiv waren. Außerdem scheinen die Mitglieder je einer Familie in ihrer Zusammensetzung ziemlich homogen zu sein, was gegen eine Differenzierung ihrer Ursprungskörper spricht. Diese können also auch nicht zu groß gewesen sein, denn sonst hätten geologische Prozesse einsetzen können, die diese Homogenität beeinträchtigt hätten.
Dieses Szenario lässt aber auch einige Fragen offen. Wenn es nur wenige Körper im Bereich des Hauptgürtels gab, woher kamen dann die Kollisionspartner? Könnten es vielleicht sogar Körper aus dem äußeren Sonnensystem gewesen sein? Die Beantwortung dieser Fragen wird zum guten Teil von neuen, besseren Durchmusterungen abhängen. Das Large Synoptic Survey Telescope, das 2019 erstes Licht sehen soll, wird neben je rund zehn Milliarden Sternen und Galaxien vermutlich auch um die fünf Millionen Objekte im Asteroidengürtel nachweisen können.
Dirk Eidemüller
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RK