28.05.2015

Gedreht, nicht geschüttelt

Erstmals Helikonwellen mit beliebiger Orientierung in ungebundenem Plasma erzeugt.

Helikonwellen aus Plasma besitzen eine Reihe besonderer Eigenschaften. Der Struktur nach handelt es sich um Whistler-Moden in magnetisiertem Plasma mit schraubenförmiger Phasenfront. Bekannt sind sie aus atmosphärischen Entladungen bei Blitzen: Über Gewitterfronten bilden sich sehr niederfrequenten elektromagnetischen Wellen mit Frequenzen zwischen einem und dreißig Kilohertz, die sich in einem passenden Empfänger akustisch als Pfeifen manifestieren – daher ihr Name. Helikonwellen treten sowohl in Festkörper-Plasmen wie auch in gasförmigen Plasmen in Entladungsröhren auf. Dort unterliegen sie jedoch unterschiedlichen Randbedingungen und Wechselwirkungen mit den Atomen des Festkörpers oder mit der Oberfläche der Entladungsröhre.

Abb.: Versuchsaufbau: Entladungskammer mit Antennen (Bild: R. L. Stenzel, J. M. Urrutia)

Das Verständnis solcher Wellen ist nicht nur für die irdische Ionosphäre von Belang. Auch die Weltraum-Plasmaphysik kennt verschiedene helikale Plasma-Anregungsmoden. An der Australian National University gibt es sogar Pläne, mit Hilfe eines „Helicon Double Layer Thruster“ die Reise zum Mars anzutreten. Ein solcher Plasmaantrieb könnte sehr viel Gewicht und damit auch Zeit sparen. Aber auch in Fusionsexperimenten treten Anregungsmoden mit unterschiedlicher Topologie auf, die meist schwierig zu kontrollieren sind.

Reiner Stenzel und Manuel Urrutia von der University of California in Los Angeles ist es gelungen, solche helikalen Plasmawellen auch in einem ungebundenen Plasma zu erzeugen und damit die natürlichen Ausbreitungsbedingungen der Helikonwellen nachzustellen. Das ist insbesondere deshalb wichtig, weil Helikonwellen nicht nur in azimutaler Richtung Wellenzahlen besitzen, sondern auch in axialer Richtung sowie parallel zu den magnetischen Feldlinien.

Die Forscher konnten mit ihrem Versuchsaufbau erstmals solche Wellen mit positiven und negativen Moden – also im und gegen den Uhrzeigersinn rotierend – erzeugen und dreidimensional exakt vermessen. Hierzu füllten sie ihre 1,5 auf 2,5 Meter große Entladungskammer mit Argon bei einem Druck von rund 5 Mikrobar. Das Entladungsgerät produzierte darin ein gepulstes Plasma mit einer Dichte von rund 1011 Teilchen pro Kubikzentimeter und einer Elektronentemperatur von zwei Elektronenvolt, das Ganze in einem Magnetfeld von fünf Gauß.

Abb.: Von einer Hexapol-Antenne angeregte Helikonwelle mit Modenzahl m = 3. (Bild: R. L. Stenzel, J. M. Urrutia)

Die Wellenamplituden waren mit einem Wert von unter einem Zehntel Gauß schwach genug, so dass keine nichtlinearen Effekte auftraten. Die Pulsfrequenz lag bei einem Hertz. In diese Plasmapulse konnten die Wissenschaftler dann mit diversen Antennen-Anordnungen verschiedene Felder einkoppeln, die dann die Helikonwellen hervorriefen. Dank der guten Kontrolle über die Entladungsparameter waren die Pulse sehr gut reproduzierbar. Das vereinfachte die Messung der exakten Wellenform enorm, denn so konnten die Forscher die dreidimensionale Topologie des Feldes einfach mit einer einzigen Messantenne bestimmen, ohne dabei das Plasma zu stören oder etwa Verwirbelungen zu erzeugen. Elektronenplasmen in Festkörpern lassen sich zum Beispiel schwer nicht-invasiv ausmessen.

Die Forscher experimentierten auch mit unterschiedlichen Modenzahlen. Abhängig von der Anordnung eingesetzter Antennen konnten sie nicht nur einfache, sondern auch mehrfach verdrillte Topologien erzeugen. Die genaue Form hing auch von der elektrischen Ansteuerung der Antennen ab. Ein hexagonales Antennenfeld erlaubte etwa die Entstehung rechts- wie linksdrehender Wellen mit einer Modenzahl von m = 3. Mit einem Antennenfeld von 16 Antennen konnten die Forscher stark verdrillte Helikonwellen mit einer Modenzahl von m = 8 herstellen.

Es gelang den Forschern insbesondere, sowohl rechts- wie auch linksdrehende Wellen zu produzieren. Es ist bislang in der Plasmaphysik ein Rätsel, warum viele Experimente damit Schwierigkeiten haben. Bei diesem Aufbau stellte sich aber heraus, dass es nur eine Frage der Antennen war, ob die Helikonwellen eine rechts- oder linkshändige Orientierung besaßen. Beide Arten von Wellen ließen sich in gleicher Amplitude erzeugen. Auch bei der Ausbreitungsgeschwindigkeit zeigte sich kein Unterschied. Mit diesen Ergebnissen eröffnen sich nun neue Möglichkeiten zum Studium solcher Wellen.

Dirk Eidemüller

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