Genauer messen mit verschränkten Atomen
In kollektiv gequetschten Zuständen sind die Unschärfen aufeinander abgestimmt.
Forscher an der Stanford University in den USA haben ultrakalte Rubidiumatome in einen gequetschten Quantenzustand gebracht und ihre durch Mikrowellen verursachten Zustandsänderungen mit zuvor unerreichter Genauigkeit ermittelt. Die Atome befanden sich dabei in einem verschränkten Zustand, in dem ihre Zustandsunschärfen miteinander abgestimmt waren.
Abb.: Eine halbe Million Rubidiumatome, in einem optischen Resonator von stehenden Lichtwellen festgehalten, wird in einen gequetschen Zustand gebracht. Anschließende Zustandsmessungen zeigen ein stark verringertes Rauschen. (Bild: O. Hosten et al. / NPG)
In der Quantenmetrologie bemühen Forscher sich, die Eigenschaften und Zustände von mikroskopischen Objekten, Atomen und Feldern möglichst präzise zu messen. Dabei gibt Heisenbergs Unschärfebeziehung eine unüberwindliche Schranke für die Messgenauigkeit konjugierter Größen wie Ort und Impuls vor. Doch meist liegen die Schwankungen der Messwerte weit oberhalb dieser Grenze. Dafür ist das Schrotrauschen verantwortlich, das durch Überlagerung von unabhängigen Zufallsgrößen zustande kommt. Die Resultate von Quantenmessungen haben statistischen Charakter, sodass man eine Messung an identisch präparierten Systemen wiederholen muss, um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten. Will man etwa die relative Phase eines atomaren Zustands oder eines Lichtstrahls bestimmen, so führt man dazu normalerweise Messungen an unabhängig voneinander präparierten Systemen durch, deren Schwankungen sich statistisch überlagern und so das Schrotrauschen ergeben.
Dieses „Standardquantenlimit“ lässt sich jedoch unterbieten, indem man Messungen an Systemen durchführt, die in einem verschränkten Quantenzustand präpariert wurden. Dann nämlich verhalten sie sich bei Messungen aufeinander abgestimmt. Bei früheren Experimenten mit optischen und atomaren Systemen konnten Forscher das Messrauschen auf diese Weise um 12 dB oder sogar 10 dB verringern. Jetzt hat die Gruppe von Mark Kasevich in Stanford das Rauschen bei atomaren Zustandsmessungen um 20 dB reduziert und damit das Standardquantenlimit um den Faktor 100 unterboten.
Abb.: Zwei in z-Richtung gequetschte Zustande auf der Bloch-Kugel. Die Verteilung des gemessenen Spins der Atomwolke ist für die gequetschten Zustände wesentlich schärfer als für einen normalen kohärenten Zustand. (Bild: O. Hosten et al. / NPG)
Die Forscher haben eine halbe Million Rubidium-87-Atome bei einer Temperatur von 25 Mikrokelvin mit einer stehenden Infrarotlichtwelle zwischen zwei Spiegeln festgehalten. Sie wählten zwei Hyperfeinzustände der Atome aus, deren Übergang man für die Rubidiumatomuhr verwendet. Diese beiden Uhrenzustände bilden ein Zweiniveausystem, dessen allgemeiner Zustand durch einen Spinvektor beschrieben werden kann. Der Spin zeigt dabei vom Zentrum der Bloch-Kugel auf einen beliebigen Punkt der Kugeloberfläche. Zunächst wurden die Atome im unteren Uhrenzustand präpariert, sodass der Spin zum Südpol der Kugel zeigte. Hier war die z-Komponente des Spins exakt gegeben, während die x- und y-Komponente übereinstimmende Quantenunschärfen zeigten. Alle Atome befanden sich im gleichen kohärenten Spinzustand. Mit abgestimmten Mikrowellenfeldern ließen sich dieser kohärente Spinzustand und sein Spinvektor in eine beliebige Richtung drehen. Im Allgemeinen hatten jetzt alle drei Spinkomponenten eine Unschärfe.
Den gemeinsamen Spinzustand der Atome bestimmten die Forscher optisch. Dazu strahlten sie rotes Licht in den Hohlraumresonator zwischen den beiden Spiegeln, dessen Frequenz mit der Lichtfrequenz in Resonanz war. Diese Resonanz wurde umso mehr rot- oder blauverstimmt, je stärker die Spins der Atome zum Süd- oder Nordpol der Bloch-Kugel hin ausgerichtet waren. Auf diese Weise ließ sich die kollektive Bewegung des Spins über die Bloch-Kugel verfolgen und durch wiederholte Messungen die gesamte Spinunschärfe ermitteln. Da die Quantenschwankungen der einzelnen atomaren Spins unabhängig voneinander waren, addierten sie sich statistisch zu einem Schrotrauschen, dessen Stärke proportional zur Wurzel der Zahl der Atome war. Dieses Rauschen ließ sich stark verringern, wenn die Atome zu Beginn des Experiments in einem gequetschten Zustand präpariert wurden. Dabei zeigte der Spin wieder zum Südpol, aber die Unschärfe seiner x-Komponente war nun kleiner als die beim kohärenten Spinzustand, während seine y-Komponente größer war – in Einklang mit Heisenbergs Unschärfebeziehung.
Da sich alle Atome im selben gequetschten Zustand befanden, hatten sie alle eine verringerte x-Unschärfe. Dieses abgestimmte Verhalten beruhte auf einer quantenmechanischen Verschränkung der Atome. Es führte dazu, dass das Messrauschen der x-Spinkomponente der Atomwolke stark reduziert wurde. Durch abgestimmte Mikrowellen konnten auch die gequetschten Zustände in eine beliebige Richtung gedreht werden, sodass sich die Unschärfe auch für eine der beiden anderen Spinkomponenten reduzieren ließ. Die gequetschten Atome konnten aus der Falle entlassen und für andere Experimente genutzt werden. Ihre stark verringerten Messunschärfen sind für Atomuhren und Inertialsensoren wertvoll, aber auch für Grundlagenexperimente wie Tests der Relativitätstheorie und die Suche nach einem elektrischen Dipolmoment des Elektrons.
Rainer Scharf
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