05.07.2016

Geordnete Flocken für die Stromspeicherung

Optimierte Anoden können Kapazität und Ladegeschwindigkeit von Akkus deutlich erhöhen.

Materialforscher des Paul-Scherrer-Instituts PSI in Villigen und der ETH Zürich haben ein sehr einfaches und kostengünstiges Verfahren entwickelt, um die Leistung herkömmlicher Lithium-Ionen-Akkus deutlich zu steigern. Ob Armband­uhr, Smartphone, Laptop oder Auto, für alle Anwendungs­bereiche lassen sich so die Akkus optimieren – das Verfahren ist in der Größe skalierbar. Demnach hält eine Ladung nicht nur deutlich länger, auch das Aufladen erfolgt schneller.

Abb.: Die Graphitflocken in einer herkömmlichen Anode liegen kreuz und quer zueinander und verursachen so Umwege für die Lithium-Ionen (oben). In einem rotierenden Magnetfeld richten sich die Flocken in der Suspension alle vertikal und parallel zueinander aus und verkürzen die Wege der Lithium-Ionen (unten; Bild: J. Billaud, F. Bouville, T. Magrini / PSI / ETH Zürich)

Um die Leistung von Akkus zu verbessern, muss man sie nicht unbedingt neu erfinden: Die meisten Forscher konzentrieren sich in diesem Wettbewerb auf die Entwicklung neuer Materialien, sagt Claire Villevieille, Leiterin der Forschungs­gruppe Batterie­materialien am PSI. Sie und ihre Mitarbeiterin Juliette Billaud sind in Kooperation mit Kollegen der ETH Zürich einen anderen Weg gegangen: Wir haben geschaut, wie viel Potenzial noch in den bestehenden Komponenten steckt. Allein, indem sie die Graphit-Anode einer herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterie, also deren Minus­pol, optimiert haben, erzielten die Forschenden einen Leistungs­sprung: Unter Labor­bedingungen konnten sie die Lade­kapazität teilweise verdreifachen. Diesen Wert wird man in kommerziellen Batterien wegen der Komplexität ihres Aufbaus womöglich nicht ganz erreichen. Aber die Leistung wird auf jeden Fall deutlich besser sein, vielleicht um 30 bis 50 Prozent – mit weiteren Experimenten werden präzisere Prognosen kommen.

Bestehende Komponenten zu verbessern hat den großen Vorteil, dass für die industrielle Umsetzung weit weniger Entwicklungs­arbeit nötig ist als für ein völlig neues Batterie­design mit neuen Materialien: „Alles, was es dazu braucht, gibt es bereits”, sagt Villevieille. In ein oder zwei Jahren wären solche Akkus einsatzbereit, wenn ein Hersteller sich dessen annimmt. Das Verfahren sei einfach, kostengünstig und für Akkus in allen Größen­ordnungen anwendbar – von Armband­uhr über Smartphone und Laptop bis zum Auto. Außerdem, so Villevieille, sei es auf andere Materialien und Anode-Kathode-Batterien übertragbar – etwa solche, die auf Natrium basieren.

Der Clou besteht in diesem Fall in der Fabrikation der Anode. Der Graphit, aus dem sie besteht, liegt in dicht gepackten, winzigen Flocken vor – man kann sich eine solche Anode wie dunkelgraue Corn­flakes vorstellen, die kreuz und quer zu einem Müsli-Riegel gepresst sind. Wenn ein Lithium-Ionen-Akku aufgeladen wird, wandern von der aus Lithium-Metall­oxid bestehenden Kathode Lithium-Ionen als Ladungs­träger durch eine Elektrolyt­flüssigkeit zur Anode und lagern sich in dem Graphit-Riegel ein. Beim Gebrauch der Batterie fließen die Ionen wieder zurück zur Kathode. Dabei allerdings müssen sie in dem dicht gepackten Wirrwarr aus Graphit­flocken viele Umwege gehen, was die Leistung der Batterie beeinträchtigt.

Diese Umwege lassen sich großteils vermeiden, wenn man die Flocken schon bei der Herstellung der Anode vertikal ausrichtet, so dass sie alle parallel zueinander von der Elektroden­ebene in Richtung Kathode zeigen. Das Verfahren zu dieser Ausrichtung haben Forscher um André Studart an der ETH Zürich, die Experten in der Nano­strukturierung von Materialien sind, von einer bereits bekannten Methode zur Herstellung synthetischer Komposit­materialien übernommen: Zunächst werden die Graphit­flocken mit Nano­partikeln aus magnetischem Eisen­oxid ummantelt und in eine Ethanol­suspension gegeben; sie sind nun also magnetisch und schwimmen in Alkohol. Die Suspension wird dann einem Magnetfeld von 100 Milli-Tesla ausgesetzt – das ist nicht stärker als das eines handels­üblichen kleinen Magneten, mit dem man etwa Fotos an den Kühlschrank heftet.

„Den Magneten lassen wir dabei rotieren”, erklärt André Studart. Denn dann richten sich die Plättchen nicht nur alle vertikal aus, sondern sie drehen auch ihre Flächen parallel zueinander – wie Bücher im Regal. So sind wirklich alle fein geordnet und die Wege für die Lithium-Ionen so kurz wie möglich.

Wie man auf Mikroskopaufnahmen sehen kann, behalten die Plättchen ihre neue Orientierung auch nach Trocknen der Suspension bei, wenn der Magnet bis zum Ende des Trocken­vorgangs angeschlossen bleibt. Statt kreuz und quer zueinander liegen die Flocken in dem gepressten Graphitriegel nun also in Reih und Glied. So können die Lithium-Ionen nicht nur viel leichter und schneller fließen, auch die Lade­kapazität steigt – es können mehr Ionen andocken. „Bei alldem bleibt die chemische Zusammen­setzung der Batterie die gleiche”, betont Claire Villevieille. Die verbleibenden Nanopartikel aus Eisenoxid seien zu vernach­lässigen und hätten auf die Funktion keinerlei Einfluss. „Wir haben nur den Aufbau der Anode optimiert.”

PSI / DE

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