15.02.2021

Getrennt stehen, vereint rechnen

Sechzig Meter langes Glasfaserkabel verbindet zwei Qubits zu quantenlogischem Gatter.

Quantencomputer besitzen heute einige wenige bis einige Dutzend Speicher- und Rechen­einheiten. Zwei solche entfernte Qubits in verschiedenen Laboren zu einem verteilten Quanten­computer zusammenzuschalten, ist nun Severin Daiss, Stefan Langenfeld und Kollegen am Max-Planck-Institut für Quantenoptik gelungen, indem sie die beiden Qubits optisch durch ein sechzig Meter langes Glas­faserkabel miteinander verbanden. Über eine solche Entfernung konnten sie ein quanten­logisches Gatter – die Grund­rechen­operation eines Quanten­computers – realisieren. Damit ist das System ein weltweit erster Prototyp eines verteilt rechnenden Quanten­computers. 
 

Abb.: Die Abbildung zeigt die beiden Qubit-Module (rotes Atom zwischen zwei...
Abb.: Die Abbildung zeigt die beiden Qubit-Module (rotes Atom zwischen zwei blauen Spiegeln), die über eine Distanz von sechzig Metern zusammengeschaltet wurden. (Bild: S. Welte, S. Daiss, MPQ)

Quantencomputer sollen in Zukunft spezielle Arten von Berechnungen ausführen, für die klassische Computer Monate oder gar Jahre bräuchten – beispielsweise bei der Ver- und Entschlüsselung von Daten. So berechnet der Quantencomputer im Prinzip nicht nur ein Ergebnis, sondern parallel viele mögliche Ergebnisse auf einmal. Je mehr Qubits in einem Quanten­computer miteinander verknüpft sind, desto komplexere Aufgaben können mit ihm erledigt werden.

Die grundlegende Rechenoperation eines Quanten­computers sind Logikgatter zwischen zwei Qubits. Eine solche Rechen­operation verändert – abhängig vom Eingangszustand der Qubits – deren quanten­mechanischen Zustände. Ein Quanten­computer, der für verschiedene Probleme einem normalen Computer überlegen sein soll, müsste viele Dutzend, ja sogar Tausende von Qubits für ebenfalls viele Tausend Quanten­operationen zuverlässig zusammenschalten. Trotz großer Erfolge sind alle Labore vom Bau eines solch großen und zuverlässigen Quanten­computers noch recht weit entfernt: Denn mit jedem weiteren benötigten Qubit wird es deutlich schwieriger, einen Quanten­computer in einem einzelnen technischen Aufbau praktisch zu realisieren. Die Qubits sind beispiels­weise mit einzelnen Atomen, supraleitenden Elementen oder Licht­teilchen konstruiert, die alle perfekt von der Außenwelt und voneinander abgeschottet sein müssen. Je mehr von ihnen dicht beieinanderliegen, desto schwieriger wird es, sie gleichzeitig abzuschotten und von außen zu kontrollieren.

Einen Weg, diese technischen Hindernisse beim Bau von Quanten­computern zu überwinden, zeigt die nun erschienene Veröffentlichung von Severin Daiss, Stefan Langenfeld und Kollegen aus der Arbeits­gruppe von Gerhard Rempe am Max-Planck-Institut für Quanten­optik in Garching. In der vom Institute of Photonic Sciences (Castelldefels, Spanien) unterstützten Arbeit gelang es, zwei separate Qubit-Module über eine Entfernung von sechzig Metern so miteinander zu koppeln, dass sie wie ein elementarer Quanten­computer mit zwei Qubits wirkten. „Über diesen Abstand führen wir eine quanten­mechanische Rechen­operation zwischen zwei eigenständigen Qubit-Setups in verschiedenen Laborräumen durch", betont Daiss. Dies eröffnet die Möglichkeit, kleinere Quanten­computer zu einem gemeinsamen Rechner zusammen­zuschalten. 

Entfernte Qubits einfach nur zu verkoppeln – also quanten­mechanisch miteinander zu verschränken –, war schon früher gelungen. Neu ist hier, dass die Verbindung zudem auch für Berechnungen dienen kann. Dazu nutzen die Wissenschaftler Module bestehend aus einem einzelnen Atom als Qubit positioniert inmitten zweier Spiegel. Zwischen diesen Modulen senden sie ein einzelnes Photon, das in der Glasfaser transportiert wird. Dieses Photon wird mit den quanten­mechanischen Zuständen der Qubits in den verbundenen Modulen nacheinander verschränkt. Anschließend wird der Zustand eines der beiden Qubits abhängig vom gemessenen Zustand dieses Hilfs­photons verändert, wodurch die quanten­logische Gatter-Operation mit einer Zuverlässigkeit von über achtzig Prozent durchgeführt werden kann. Ein nächster Entwicklungsschritt wäre es, mehr als zwei Module miteinander zu verknüpfen und mehr Qubits in den einzelnen Modulen unterzubringen.

Studienleiter und Abteilungs­direktor Gerhard Rempe sieht mit dem Ergebnis eine gute Chance, die Technologie weiter voranzutreiben: „Mit unserer Schema eröffnen wir dem verteilten Quanten­computing einen neuen möglichen Entwicklungs­pfad.“ So könnte man beispielsweise einen verteilten Quanten­computer aufbauen, der aus vielen Modulen mit wenigen Qubits besteht, die mit der vorgestellten Technik verbunden werden. Ein solcher Ansatz könnte die Limitierung bisheriger Quanten­computer, mehr Qubits in einem einzelnen Aufbau unterzubringen, komplett umgehen und dadurch zu leistungs­stärkeren Systemen führen.

MPQ / DE
 

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