04.12.2006

Gewichtige Viren

Erstmals konnten die Massen von Viren mithilfe einer zylindrischen Miniatur-Ionenfalle ermittelt werden.



Erstmals konnten die Massen von Viren mithilfe einer zylindrischen Miniatur-Ionenfalle ermittelt werden.

Viren sind die einfachste Lebensform, die es auf unserer Erde gibt. Sie bestehen lediglich aus Erbmaterial und einer Hülle. Nach den Prokaryonten (Bakterien und Archaebakterien) sind sie die zweithäufigste Organismen-Art, in unseren Weltmeeren sogar die Nummer eins. Um zu einem besseren Verständnis über die Struktur und die Eigenschaften dieser genetisch sehr vielfältigen Winzlinge zu gelangen, wäre es von großem Interesse, ihre Massen und deren Variabilität innerhalb einer Population bestimmen zu können. Mit Hilfe sehr sanfter Techniken zur Ionisation und einer miniaturisierten Ionenfalle Marke Eigenbau ist es Forschern aus Taiwan jetzt gelungen, die Masse einzelner, intakter Viren sehr akkurat zu analysieren.

Bisherige Massenbestimmungen von Viren waren mit einem Fehler von etwa ±15% nicht genau genug, um eine ausreichende Auflösung kleiner Massenunterschiede zu gewährleisten. Das Team um Huan-Cheng Chang hat ein neues Konzept entwickelt, um eine höhere Präzision zu erreichen. Für eine Massenbestimmung müssen die Virenpartikel zunächst in die Gasphase überführt, elektrisch aufgeladen und in einem elektrischen Feld beschleunigt werden. Dabei dürfen die Viren aber nicht zerstört werden. Die Forscher wählten dazu eine sehr sanfte Methode, die sich LIAD („Laser-induced acoustic desorption“) nennt. Durch einen Laser erzeugte Schallwellen lösen die Viren-Partikel dabei aus der Probe. Anschließend werden sie in einer „Ionenfalle“ eingefangen. Es handelt sich dabei um ein elektrisches Feld, das geladene Teilchen aufgrund einer speziellen Geometrie und einer Wechselspannung regelrecht gefangen hält. Nun steht das Virus-Partikel für eine Massenbestimmung zur Verfügung: Es wird Laser-Licht in die Ionenfalle eingestrahlt. Ist ein Partikel in der Falle, wird das Licht daran gestreut. Durch die transparenten Flächen der Ionenfalle kann dieses Streulicht detektiert werden. Ein Teil des Streulichts wird zu einer CCD-Kamera geleitet, die die Flugbahn des gefangenen Partikels aufzeichnet. Der andere Teil gelangt zu einem Messgerät, das das Streulicht-Signal genau analysiert. Das Streulicht ist gegenüber dem eingestrahlten Licht verändert, weil das Virus-Partikel in dem elektrischen Wechselfeld der Ionenfalle in Schwingungen gerät. Diese Schwingungen sind abhängig von der Masse (und der Ladung) des Virus.

So gelang es dem Team, die Massen drei verschiedener Virentypen mit Durchmessern zwischen 80 und 300 nm zu bestimmen – mit einer Abweichung in der Größenordnung von ±1% erstaunlich präzise. Anhand der Virenmassen können – in Kombination mit anderen analytischen Verfahren – beispielsweise Rückschlüsse gezogen werden, aus wie vielen Bausteinen die Virenhülle aufgebaut ist oder wie viele Kopien des genetischen Materials darin enthalten sind.

Möglich wurden die hochgenauen Messungen durch die spezielle Konstruktion der Ionenfalle: Statt einer klassischen Quadrupol-Ionenfalle wählten Chang und sein Team eine zylindrische Ionenfalle (CIT, „Cylindrical Ion Trap“). In einer solchen Falle ist zwar die Bewegung der eingefangenen Ionen wesentlich komplexer und mathematisch nicht erfassbar, dafür haben sie den Vorteil einer wesentlich einfacheren Geometrie. Das Team konstruierte eine CIT mit kleineren Abmessungen als üblich, optimierte die Geometrie und tauschte die herkömmlichen Abschlusselektroden des Zylinders gegen transparente, elektrisch leitfähige Platten aus. Nur mithilfe dieser Spezial-Konstruktion war eine Anwendung der präzisen Streulicht-Methode für die Massenbestimmung einzelner Viren möglich.

Quelle: Angewandte Chemie

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