21.01.2005

Gewogen und zu schwer befunden

Eine erste direkte Massenbestimmung sehr massearmer junger Sterne zeigt: Diese sind doppelt so schwer wie theoretisch erwartet.




Eine erste direkte Massenbestimmung sehr massearmer junger Sterne zeigt: Diese sind doppelt so schwer wie theoretisch erwartet.

Zwar ist die Masse eines Sterns die für seinen Lebenslauf entscheidende Größe, aber für die masseärmsten Himmelskörper ist diese sehr schwer zu bestimmen. Mit Hilfe einer neuen, sehr leistungsfähigen Kamera ist es nun erstmals gelungen, einen der seltenen massearmen Begleiter eines "normalen" Sterns abzubilden. Aus den Beobachtungen ergibt sich, dass aufgrund von Unsicherheiten in den theoretischen Modellannahmen die Häufigkeit junger "Brauner Zwerge" und "frei fliegender" extrasolarer Planeten bisher überschätzt worden ist. Eine internationale Arbeitsgruppe um Laird Close, Steward Observatory, University of Arizona/USA, und Rainer Lenzen, Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, berichtet jetzt in der Fachzeitschrift Nature über diese Entdeckung.

Abb.: Kontrastverstärktes Infrarotbild von AB Doradus A und C. Der schwache, rötliche Begleiter, als winziger Punkt "bei 8 Uhr" sichtbar, ist 120-mal so lichtschwach wie der bläuliche Hauptstern. Der Winkelabstand von 0,156 Bogensekunden zwischen beiden Lichtquellen entspricht der Größe eines Groschen in 13 Kilometern Entfernung. Ein so enges und so ungleiches Paar wurde hier mit Hilfe der neuen NACO-SDI-Kamera am ESO-Very Large Telescope in Chile erstmals getrennt abgebildet. Die berechnete Umlaufbahn des Begleiters ist eingezeichnet. (Quelle: ESO/Max-Planck-Institut für Astronomie)

Mit Hilfe der gewonnenen Aufnahme konnten die Forscher erstmals die Masse eines jungen, sehr massearmen Begleiters bestimmen. Das Objekt ist mehr als hundertmal schwächer als der Stern, an den es durch die Schwerkraft gebunden ist. Seine Masse beträgt das 93fache der Masse des Planeten Jupiter, nahezu das Doppelte des Wertes, der sich aus heutigen theoretischen Modellrechnungen für ein Objekt mit seinen Eigenschaften ergeben würde. Damit müssen die gegenwärtigen Vorstellungen von einer Population "Brauner Zwerge" und die Existenz der viel diskutierten, noch masseärmeren "frei fliegenden" extrasolaren Planeten in Frage gestellt werden.

Braune Zwerge sind Himmelskörper, die eine mindestens 75fache Masse als der Jupiter besitzen, die aber immer noch nicht genug ist, um in ihrem Zentralbereich wie echte Sterne zu brennen. Wenn angebliche Braune Zwerge doppelt so massereich sind wie bisher vermutet, dann sind viele von ihnen in Wahrheit doch normale massearme Sterne. Die kürzlich entdeckten "frei fliegenden" Planeten sind dann ihrerseits in Wahrheit Braune Zwerge.

Laird Close, Rainer Lenzen und ihre Kollegen haben jetzt den schwach leuchtenden, massearmen Begleiter AB Doradus C entdeckt, der den jungen Stern AB Doradus A in einem Abstand von nur 2,3 Astronomischen Einheiten umläuft. Eine Astronomische Einheit entspricht dem Radius der Umlaufbahn der Erde um die Sonne: In unserem Sonnensystem liegt der 2,3fache Abstand von der Sonne im Asteroidengürtel knapp jenseits der Marsbahn.

Forscher, die nach sehr massearmen Objekten fahnden, untersuchen die unmittelbare Umgebung junger, sonnennaher Sterne, denn die massearmen Objekte strahlen am hellsten in ihrer frühen Jugend, bevor sie noch weiter kontrahieren und abkühlen. Seit den frühen 1990er Jahren bestand der Verdacht, dass der bekannte Stern AB Doradus A, der nur 48 Lichtjahre von der Sonne entfernt und nur 50 Millionen Jahre alt ist, einen massearmen Begleiter hat, denn er "wackelt" am Himmel hin und her, wie wenn eine unsichtbare, ihn umlaufende Masse an ihm zerrte. Aber nicht einmal mit dem Weltraumteleskop Hubble gelang der direkte Nachweis des Begleiters, denn er war offenbar zu lichtschwach und stand dem größeren und viel helleren Stern zu nahe.

Close und Lenzen gelang mit ihren Kollegen aus Deutschland (Wolfgang Brandner), Spanien (Jose C. Guirado), Chile (Markus Hartung, Chris Lidman), und USA (Eric Nielsen, Eric Mamajek, and Beth Biller) die Abbildung des schwer zu fassenden Begleiters im Februar 2004 an einem der vier 8-Meter-Reflektoren des europäischen Very Large Telescope der ESO in Chile. Dabei setzten sie die neue, von Rainer Lenzen am MPI für Astronomie und einem internationalen Team gebaute, hochauflösende Kamera NACO ein und verwendeten eine von Close und Lenzen für die Suche nach extrasolaren Planeten entwickelte Zusatzoptik - den "Simultaneous Differential Immager" oder NACO-SDI. Damit werden die Trennschärfe des 8-Meter-Teleskops mit seiner adaptiven Optik und seine Fähigkeit, lichtschwache Begleiter im gleißenden Lichthof des Primärsterns nachzuweisen, noch einmal erhöht: Ein so hoher Kontrast (der Hauptstern ist 120-mal so hell wie sein Begleiter) in einem so geringen Abstand war zuvor noch nie überwunden worden: Der Winkelabstand zwischen dem Stern und seinem schwachen Begleiter beträgt 0,156 Bogensekunden - das entspricht der scheinbaren Größe eines Groschen in 13 Kilometern Entfernung.

War der Begleiter einmal identifiziert, so ließen sich seine Temperatur und seine Leuchtkraft im infraroten Spektralbereich bestimmen. Zur Überraschung der Forscher war der Begleiter 400 Grad kühler und 2,5-mal so lichtschwach wie auf Grund neuester Modellrechnungen erwartet. Aus der genauen Ortsbestimmung des Begleiters und der beobachteten "Wackel"-Amplitude des Primärsterns ergab sich für seine Masse ein sehr genauer Wert von 88 bis 98 Jupiter-Massen: Die Modellrechnungen sagen dagegen für einen Körper dieses Alters und dieser Leuchtkraft einen Wert von nur 50 Jupiter-Massen vorher. Das neue Ergebnis wird also zu einer Neubewertung der Massen kleinster junger Himmelskörper führen.

Objekte wie AB Doradus C sind sehr selten. Nur ein Prozent aller Sterne haben enge massearme Begleiter, und nur ein Prozent der sonnennahen Sterne sind jung. Deshalb ist die Möglichkeit, diese Messung überhaupt durchführen zu können, als großer Glücksfall zu bezeichnen, wie Wolfgang Brandner bemerkte. Die NACO-SDI-Kamera enthält eine adaptive Optik, mit der die durch die Turbulenzen der Erdatmosphäre verursachte Unschärfe beseitigt wird. Die Zusatzoptik SDI zerlegt das Licht eines einzelnen Sterns in vier identische Bilder bei benachbarten Wellenlängen inner- und außerhalb der für massearme Objekte charakteristischen, infraroten Methanbanden. Auf geeigneten Differenzbildern dieser vier Bilder verschwindet der bläuliche Hauptstern mit seinem hellen Lichthof nahezu vollständig, und der massearme, kühle und rötliche Begleiter wird deutlich erkennbar.

Quelle: MPG \[JS/AT\]

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