03.02.2016

Gezähmte Kohlensäure

Hoher Druck und hohe Temperaturen machen die reaktive Substanz im Erd­inneren stabil.

Mithilfe einer Diamantstempelzelle und eines CO2-Lasers rekon­stru­ierten Forscher am MPI für Chemie in Mainz Umwelt­bedingungen, die in etwa achtzig Kilo­metern Tiefe im Inneren der Erde vorliegen. Bei einem Druck von bis zu 9,1 Giga­pascal und Tempe­ra­turen von 1200 Grad Celsius unter­suchten sie das Verhalten von CO2 und H2O. Dabei entdeckte das Team Erstaun­liches: Ab einem Druck von 2,4 GPa und bei Tempe­ra­turen über 97 Grad Celsius ist in flüssigem Wasser gelöste Kohlen­säure stabil.

Abb.: Einspannen der Diamantstempelzelle am Raman-Spektrometer: Janek Zeuschner (l.) und Hongbo Wang gelang es mithilfe dieses Hochdruckinstruments, stabile Kohlensäure herzustellen. (Bild: A. Reuter, MPIC)

Ursprünglich geplant war eine Messreihe zur Reak­ti­vität von kohlen­stoff­haltigen Fluiden mit unter­schied­lichen Verhält­nissen von Wasser­stoff und Sauer­stoff im Inneren der Erde, also unter extrem hohem Druck. Um den Versuchs­aufbau an einem verwandten System zu testen, wählten die Forscher eines der am besten unter­suchten aus: CO2 und H2O. Wasser und Kohlen­dioxid sind jedoch unter den unter­suchten Drücken bei Raum­temperatur fest. Da chemische Reaktionen in diesem Zustand nur sehr langsam ablaufen, erhitzten die Wissen­schaftler die Probe mithilfe eines CO2-Lasers. Erstaunt stellten sie fest, dass bei Drücken über 2,4 GPa Kristalle in der Diamant­stempel­zelle ent­standen waren. Doktorand Janek Zeuschner bemerkte als erster, welche Bedeutung die darauf­hin ange­fertigten Raman- und Infra­rot­spektren haben könnten: die Bildung fester Kohlen­säure. „Vorherige Studien hatten keine Hinweise geliefert, dass CO2 und H2O bei hohem Druck Kohlen­säure in beträcht­lichen Mengen bilden könnten“, erklärt Janek das Uner­wartete an dieser Ent­deckung. Weitere Experimente zeigten, dass die Kristalle sich bei niedri­geren Tempe­ra­turen in flüssigem Wasser auf­lösen, aber stabile Kohlen­säure­moleküle in Lösung verbleiben und mehr davon entstehen, je höher die Lösung erwärmt wurde.

„An diesem Punkt wurde uns klar, dass, entgegen der gängigen Meinung, Kohlen­säure tatsächlich ein ziemlich typisches Molekül in Tiefen von mehr als achtzig Kilo­metern auf der Erde sein könnte. Denn im Innern der Erde liegen genau diese Bedingungen vor: extrem hoher Druck und gleich­zeitig sehr hohe Tempe­ra­turen“, erklärt Hongbo Wang vom MPIC. Die Entdeckung könnte im weiteren Verlauf sowohl Aus­wirkungen auf das gegen­wärtige Verständnis der physika­lischen Eigen­schaften unter­irdischer Fluide, die molekulare Kohlen­säure trans­portieren, als auch auf die Theorien der chemischen Evolution in diesen Fluiden und damit auf die Ent­stehung des Lebens haben, vermuten die MPIC-Forscher. Dass Kohlen­säure unter bestimmten Bedingungen eine stabile und damit quantitativ relevante Substanz in der Erde ist, ändere das Verständnis dieser am globalen Kohlen­stoff­kreis­lauf betei­ligten Spezies grund­legend.

MPIC / RK

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